Ein zweiter Frühling für Content-Syndication?

26.02.2002 von Barbara Heckerott
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Etliche Content-Broker, die in der Hochphase der Dotcom-Euphorie gegründet wurden, sind wieder vom Markt verschwunden. Sie scheiterten nicht nur an fehlenden Finanzmitteln und technischen Problemen, sondern auch an mangelnden Lösungsstrategien und Erfolgsnachweisen für ihre Kunden. Anbieter, die die Marktbereinigung überstanden haben, blicken jedoch wieder optimistisch in die Zukunft.

Die Produktion hochwertiger Online-Inhalte ist teuer. Deshalb klingt das Geschäftsmodell „Content-Syndication“ nach wie vor so einfach wie einleuchtend: Auf der einen Seite stehen die Medienunternehmen, die ihre Inhalte weiterverwerten wollen, um ihre Internet-Aktivitäten profitabel zu machen. Denn Werbeeinnahmen allein reichen dazu in der Regel nicht aus. Auf der anderen Seite gibt es über 400 000 Unternehmens-Websites, zahlreiche Internet-Portale, virtuelle Marktplätze, firmeneigene Intranets und mobile Plattformen, die attraktive Inhalte benötigen, um Kunden gewinnen und binden zu können. Da sie sich keine große Online-Redaktion leisten können, sind sie auf „Premium-Content“ aus externen Quellen angewiesen. Auf den ersten Blick wundert es also nicht, dass die Vermittlung von Online-Inhalten zur Weiterverwertung noch vor einem Jahr als eines der boomenden Geschäftsfelder der New Economy angepriesen wurde.

Shakeout traf auch die Großen

Doch schon wenige Monate später war der Hype vorbei, und die meisten Content-Syndikatoren, die zuvor wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, mussten wieder aufgeben. Zu den bekanntesten Opfern gehörten die Contonomy AG, die inzwischen ganz vom Markt verschwunden ist, sowie Tanto und 4Content, die von Xipolis beziehungsweise von Cocomore übernommen wurden.

Vom Shakeout betroffen waren aber nicht nur unabhängige Startups. Auch die zum Spiegel-Verlag gehörende Portal Internet 100 GmbH stellte den Betrieb ein, ISyndicate Europe musste seine Pforten schließen, nachdem Bertelsmann sich zurückgezogen hatte, der Süddeutsche Verlag und der Bayerische Rundfunk haben ihre gemeinsame Tochter Altraglobe wieder aufgelöst, und auch Contentgate, eine Tochter von Thyssen-Krupp Information Services (TKIS), die sich auf das Makeln von Bildern, Tönen und Videos spezialisiert hatte, existiert nicht mehr.

Dennoch kommt die Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PwC) in ihrer Studie „Content-Syndication - Wie das Internet die Wertschöpfung der Medien verändert“ zu dem Schluss, dass Inhalte im Internet zunehmend als gewinnbringende Ware gehandelt werden. Allerdings bietet der Markt nach Überzeugung der Experten nur Platz für wenige Anbieter. Eine dominierende Rolle spielen dabei die Verlage. Bis zum Jahr 2003 werden der PwC-Studie zufolge alle großen Medienunternehmen im Content-Syndication-Geschäft aktiv sein. Zu den Unternehmen, die das Geschäft bereits für sich erschlossen haben, zählen vor allem die Nachrichtenagenturen dpa, ddp und Reuters, aber auch Medienunternehmen wie die zur Verlagsgruppe Milchstraße gehörende Tomorrow Internet AG, die Springer-Tochter Interactive Media, die Financial Times Deutschland sowie Content4Portals, ein Geschäftsbereich der Genios

Wirtschaftsdatenbanken, die zur Verlagsgruppe Handelsblatt gehören.

Zurzeit sind die Einnahmen in diesem Bereich aber noch gering. So gaben in einer Umfrage von Jupiter MMXI 85 Prozent der Medienunternehmen an, dass Syndication im Jahr 2000 weniger als zehn Prozent ihrer Online-Gewinne ausgemacht hat.

Umsätze sollen wieder steigen

Die Marktforscher gehen jedoch davon aus, dass die Umsätze im Content-Syndication-Markt steigen - und zwar von 55 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 296 Millionen Euro im Jahr 2006. Die wachsende Zahl der Internet-Nutzer und die zunehmende Zeit, die die Surfer online verbringen, werde dieses Wachstum weiter fördern.

Auch bei Interactive Media ist man zuversichtlich, dass Content-Syndication in ein bis drei Jahren ein wichtiger Markt sein wird. Im Moment sei die Zahl der Abschlüsse, die zustande kämen, allerdings noch gering. Die Kunden können sich hier über die Website des Anbieters  aus über 120 so genannten Content-Containern die gewünschten Inhalte zusammenstellen und kaufen. Das Angebot bei Interactive Media beschränkt sich dabei nicht auf Content aus den Springer-Medien, sondern es umfasst auch selbst produzierte Inhalte und Content von Drittanbietern.

Den Kunden von Tanto-Xipolis stehen im Bereich Content-Syndication Inhalte von über 30 Verlagen, Nachrichtenagenturen und Informationsdiensten zur Verfügung. Sie sind über einen Online-Katalog zugänglich und lassen sich je nach Bedarf zu maßgeschneiderten Content-Paketen zusammenstellen und durch zusätzliche redaktionelle Leistungen ergänzen. Der Münchner Dienstleister, dessen Hauptinvestoren die Holtzbrinck Networxs AG und das Bibliographische Institut & F.A. Brockhaus AG sind, arbeitet gegebenenfalls auch mit verschiedenen Redaktionsbüros und Fachjournalisten zusammen, die bestimmte Inhalte exklusiv für einen Kunden produzieren. „Maßstab ist dabei immer der individuelle Bedarf des Kunden“, betont Michael Munz. Der Geschäftsführer von Tanto-Xipolis ist überzeugt, dass im Content-Geschäft langfristig nur die Dienstleister überleben werden, die sich nicht allein als Zwischenhändler verstehen. Denn die

Kunden hätten erkannt, dass ein Content-Kauf „von der Stange“ ihre Probleme nicht löst. So mussten etliche Unternehmen feststellen, dass ihre Website trotz zugekaufter Inhalte kaum beachtet wird. Andere registrierten zwar hohe Zugriffszahlen, doch offenbar von den falschen Besuchern, denn auf die Kundenbindung oder gar den Umsatz wirkten sich die Hits nicht aus. Munz: „Content-Syndication allein greift hier zu kurz. Gefragt sind vielmehr Dienstleister, die ihre Kunden bei Bedarf in allen Fragen rund um das Thema Online-Content beraten und unterstützen können.“

Bedürfnisse der Kunden im Visier

Auch Hans-Ulrich von Freyberg, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Cocomore AG, weist darauf hin, dass von der Pleitewelle in erster Linie die reinen Broker betroffen waren. Für sein Unternehmen sieht von Freyberg deshalb keinen Grund zur Schwarzmalerei, denn Cocomore präsentiere Content-Lösungen, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden zugeschnitten sind. Der Dienstleister, an dem die Bertelsmann-Töchter Verlagsgruppe Random House und Falken-Verlag beteiligt sind, hat sich dabei auf den Ratgeber- und Lifestyle-Bereich spezialisiert.

Neben Unternehmen wie Tanto-Xipolis und Cocomore und den Ablegern von Nachrichtenagenturen und Verlagen, die in erster Linie die Inhalte ihrer „Mütter“ vertreiben, sind im Content-Markt auch einige Multimedia-Agenturen aktiv. So zum Beispiel A&Bface2net, Berlin, oder die Procommerz aus dem Brandenburgischen Karwe, die ihren Kunden im Dienstleistungsbereich „c.opy d.esk“ verschiedene Content-Services anbietet. Zu den Dienstleistern, die sich bisher behaupten konnten, gehören aber auch kleinere Anbieter, die sich auf die Erstellung von exklusivem Content oder auf thematische Nischen konzentriert haben.

Glaubt man der Studie von PwC, können Dienstleister wie Tanto-Xipolis und Cocomore sowie kleinere Nischenanbieter optimistisch in die Zukunft sehen. Die Berater gehen davon aus, dass Unternehmen, die neben Inhalten auch Lösungen für vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsaktivitäten anbieten, zu den erfolgreichen Playern im Content-Syndication-Markt gehören werden. Eine weitere Überlebensstrategie sei die Spezialisierung auf Nischenthemen und die Maßkonfektionierung spezieller Inhalte.