Viele Texte werden heute elektronisch erfasst, ausgedruckt, als Brief versandt, vom Empfänger eingescannt und in den elektronischen Workflow gegeben. Umständlicher geht’s nicht. Lösungen sind in Sicht, doch De-Mail und E-Postbrief sind noch nicht so weit.
Das Europäische Parlament hat am 31. Januar 2008 die vollständige Öffnung der Märkte für Briefe unter 50 Gramm beschlossen. Gemäß der Richtlinie 2008/6/EG(1) sollte der Binnenmarkt für Postdienste bis zum 31. Dezember 2010 vollendet sein. Damit hätte sich der Postmarkt allen Anbietern von Postdiensten geöffnet. Den Ländern Griechenland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Ungarn und Zypern wurde dabei eine Schonfrist bis Januar 2013 eingeräumt. Für alle Mitgliedstaaten besteht danach die Verpflichtung, einen Universaldienst einzurichten, der eine flächendeckende Versorgung ermöglicht.
CW-Powerseminar: Internet und E-Mail im Unternehmen
Art und Umfang der Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz in den meisten Unternehmen lassen sich oft nur als Wildwuchs bezeichnen.Das betrifft nicht nur die private Nutzung, durch die jährlich Unsummen bezahlter Arbeitsstunden „verbummelt“ werden, sondern auch der geschäftlich Umgang mit E-Mails als Geschäftsbriefen und deren Aufbewahrung. Und das kann ausgesprochen unangenehme Folgen für das Unternehmen und für die IT-Verantwortlichen haben. Das COMPUTERWOCHE-Powerseminar vermittelt gewohnt praxisorientiert die rechtlichen Grundlagen sowie technische und organisatorische Lösungsansätze.
Termin: 10. Mai 2011
Ort: München
Infos und Ameldung
Die jüngsten Entwicklungen im Markt
-
Dominant ist derzeit noch die klassische Briefpost, ein Jahrhunderte altes Geschäft, das zunehmend von digitalen Lösungen angegriffen wird. Dieser Trend ist für jedermann erkennbar, insbesondere durch die massive Werbung für den E-Postbrief.
-
Neue Cloud-Dienste entstehen. Der fünfte IT-Gipfel in Dresden stand ganz im Zeichen der Cloud, ebenso hat die CeBIT 2011 den Schwerpunkt auf diesen Trend gelegt. Denkbar sind digitale Postdienste als Plattform (Platform as a Service = PaaS), als Software (Software as a Service = SaaS) und Geschäftsprozess (Business Proecess as a Services = BPaaS). Erste Ansätze dafür sind mit der Mittelstandsinitiative Mail 2015 (PaaS), der Regify-Lösung (SaaS) und dem Volly Secure Digital Delivery Service von Pitney Bowes (BPaaS) schon erkennbar.
-
Die Liberalisierung des Postmarkts eröffnet dem Wettbewerb einen Multimilliarden-Markt.
-
Technologie- und alternative Mail-Anbieter wie Siemens, Unisys mit Secure Document Delivery, Francotyp-Postalia, United Internet, Deutsche Telekom und weitere werden im deutschen Markt sichtbar. Die Angebote sind breit gefächert und reichen von der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bis zum hybriden Brief.
-
Postdienstleister beginnen auch international, Dienste für die verbindliche elektronische Schriftkommunikation zu offerieren. Hier eine kleine Auswahl:
-
die kanadische Post mit ePost,
-
die finnische Posti mit NetPosti,
-
die finnische itella offeriert mit der Gruppe Mail Communication eine Reihe von Postdiensten. Ist auch international tätig, u.a. hier in Deutschland mit i-Post;
-
die dänische Post mit e-Boks;
-
die belgische Certipost, ein Joint Venture von De Post-La Poste and Belgacom mit e-Delivery, e-Invoicing und e-Supply. Sieht sich selbst als wichtigen europäischen Anbieter, ist bereits in 30 Ländern aktiv und bedient über 85.000 Firmenkunden;
-
die schweizerische Post mit IncaMail;
-
die spanische Correos mit Correo Electrónico Seguro (Safe Electronic Mail);
-
die österreichische Post mit ihrer Tochter EBPP GmbH mit meinBrief.at und
-
bis vor kurzem noch die niederländische TNT Post mit De digitale Brievenbus.
All diese innovativen Produkte für die elektronische Post haben den gleichen Nachteil: Es sind proprietäre Lösungen, die national konzipiert wurden und deshalb international nur bedingt eingesetzt werden können. Eine Interoperabilität ist nicht gegeben, und es fehlt generell die Multi-Provider-Fähigkeit. Ob bestehende internationale und europäische Standards eingehalten werden, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.
Internationale Standards für elektronische Postdienste
Auf dem Managementforum Postmarkt am 4. November in Frankfurt hat Walter Trezek - er leitet unter dem Mandat der EU Kommission die Normierung hybrider und elektronischer Postdienste - vorgetragen, dass sowohl der Weltpostverein (UPU) und die EU bereits entsprechende Standards erarbeitet haben. Um es gleich vorweg zu nehmen: De-Mail und der E-Postbrief sind nicht konform damit.
Mit der Verabschiedung von vier Schlüsselnormen im Bereich der Konzepte, Prozesse und Schemata gesicherter elektronischer Postsendungen, der postzertifizierten elektronischen Stempeldienste, postalisch eingeschriebener E-Mail-Dienstleistungen und der Anwendung von PKI-Diensten, hat der Weltpostverein (UPU) die Grundlage zur Erweiterung des postalischen Versorgungsraums im Internet geschaffen. Mit der Vergabe der Top-Level-Domain ".post" an die UPU im Dezember 2009 wurde dies international verankert.
Unter der Führung der europäischen Postnormierung wurde in Kooperation mit UPU 2006 der folgende Standard verabschiedet: CEN/TS 14014 Postal Services - Hybrid mail - Document type definitions for customer to operator: a common set of default tags. Es bestehen weitere Normen unter Führung der UPU, übernommen von der europäischen Postnormierung und im November 2010 ebenfalls als DIN-Norm verabschiedet:
-
CEN/TS 15121-1:2010 Postal Services - Hybrid Mail - Part 1: Secured electronic postal services (SePS) interface specification - Concepts, schemas and operations
-
CEN/TS 15121-1:2010 Postal Services - Hybrid Mail - Part 2: Secured electronic postal services (SePS) interface specification: EPCM Service
-
Und schließlich soll aus dem Normenbestand der UPU in die europäische Normierung übernommen werden: Postal Services - Hybrid Mail - Functional Specification for postal registered electronic mail.
Die "Digitale Post” wird in Deutschland vom Normenausschuss im DIN (NA 043-03-04 AA Postalische Dienstleistungen) standardisiert, der sich an die Standardisierungsvorgaben auf europäischer Ebene (CEN) hält, da die deutsche Seite auch in der europäischen Normierungsorganisation CEN involviert ist. CEN wiederum agiert in enger Abstimmung mit UPU mit dem Ziel, international gültige Standards zu etablieren.
De-Mail - Warten auf das Gesetz
Wie viele andere deutsche IT-Behördenprojekte - Herkules, Gesundheitskarte, neuer Personalausweis und andere - kämpft auch De-Mail mit den Tücken der Einführung. Am 4. Februar 2009 hatte das Kabinett beschlossen, den vom Bundesinnenministerium vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Bürgerportalen umzusetzen, wonach in Deutschland ab 2010 Nachrichten und Dokumente rechtssicher, zuverlässig und geschützt vor Spam über das Internet versendet werden können. Erst knapp zwei Jahre später, am 11. November 2010, kam es zur ersten Lesung des De-Mail-Gesetzentwurfs, der dann am 26. November vom Bundesrat schwer kritisiert und zur intensiven Überarbeitung zurückgewiesen wurde. Die Bundesregierung lehnte am 8. Dezember in der Gegenäußerung unter anderem die vorgeschlagene und nach Expertenmeinung wichtige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ab. Außerdem war sie der Auffassung, das De-Mail-Gesetz erfordere gar keine Zustimmung des Bundesrats.
Bei der Gesetzgebung könnte auch die EU-Kommission ein gewichtiges Wort mitreden. Ihr liegt seit dem ersten Gesetzentwurf eine Beschwerde des deutschen Wettbewerbers P1 Privat GmbH, Berlin, vor - dem Anbieter von Diensten wie G-Mail und Quabb. P1 ist der Ansicht, dass das geplante De-Mail-Gesetz in mindestens zwei Punkten gegen EU-Recht verstößt. Sollte dies zutreffen, dann sind weitere Verzögerungen zu erwarten.
Kritik an De-Mail kommt aber von vielen Seiten. Nachdem die Bundesrechtsanwalts-Kammer, der Deutsche Anwaltverein, der Bundesverband Digitale Wirtschaft und der Verein TeleTrusT von De-Mail in der jetzt vorgelegten Form abraten, ist auch die Opposition hellhörig geworden und lehnt das geplante Gesetz grundsätzlich ab. Die massive Kritik führte am 7. Februar 2011 zu einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses im Bundestag. Fazit: Die geplante Regelung zu den De-Mail-Diensten bleibt weiterhin umstritten.
Die Experten fordern zur Wahrung des Briefgeheimnisses eine unbedingte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und bestehen auf einer einheitlichen formalen Ausgestaltung von De-Mail-Adressen um die Frage nach der Portierbarkeit bei einem Providerwechsel zu beantworten. Eine detaillierte Zusammenfassung der Anhörung finden Sie hier. Die Verabschiedung des De-Mail Gesetzes kann also noch einige Zeit dauern - wenn sie denn überhaupt erfolgt. Eine ausführliche Kritik an De-Mail finden Sie hier.
E-Postbrief mit heißer Nadel gestrickt?
Die Deutsche Post - ursprünglich mit im Boot der De-Mail-Provider - hat im Juli 2010 ein eigenes Produkt, den E-Postbrief, auf den Markt gebracht. Die Lösung wurde sowohl von der Stiftung Warentest als auch von der Wirtschaftswoche als nicht fertig beurteilt. Außerdem zettelte die Post einen Kampf mit den designierten De-Mail-Service-Providern an, indem sie den Mitbewerbern Telekom und United Internet den Zugang zu dem bewährten Post-Ident-Verfahren verwehrte. Dieses Vorgehen stufte das Landgericht Köln jedoch kürzlich als rechtswidrig ein.
Der E-Brief gilt als teuer und mängelbehaftet. Die Kritik lässt sich wie folgt zusammenfassen:
-
In der aufwändigen Werbekampagne suggeriert die Post, dass der E-Postbrief "Verbindlich, vertraulich und verlässlich" sei. Von den Details in Sachen Sicherheitsvorkehrungen ist aber wenig zu hören. Dass die Post einen Hackerwettbewerb ausgelobt hat, um ihre Systeme zu testen, suggeriert, dass eine gewisse Unsicherheit in der Security-Strategie besteht.
-
Die Sicherheit und das Briefgeheimnis müssen in Frage gestellt werden, weil der Provider sowohl in Besitz der Nachricht als auch des dazugehörendem Schlüssels ist.
-
Ein hybrider E-Postbrief kann bis zu vier Tage unterwegs sein. Das gilt für Briefe, die freitags abgeschickt werden, da die Post derzeit montags nicht zustellt.
-
Der E-Postbrief ist eine deutsche Insellösung (wie De-Mail auch) und wird international nicht akzeptiert werden.
-
Der E-Postbrief erfüllt nicht die existierenden Normen des Weltpostvereins, der EU und des DIN.
Was erwarten die Anwender?
Der technische Wandel hat zu einer Veränderung der Märkte geführt. Mit der Ausbreitung des Internets, E-Commerce und der Digitalisierung haben sich die Kommunikationsanforderungen der Kunden geändert. Sie erwarten, dass bei einer Abwicklung von Geschäften im Internet auch die dazugehörige Kommunikation möglichst medienbruchfrei läuft. Das stößt eine Reihe von technischen Entwicklungen an, die den physischen Brief mit der elektronischen Welt verbinden.
Der rein physische Brief wird in der konvergenten Medienwelt durch hybride Lösungen und vollelektronische Kommunikationsalternativen auf der Empfänger- oder Versenderseite abgelöst. Folge ist das Zusammenwachsen physischer und elektronischer Kommunikation und damit das Entstehen multimedialer Multi-Channel-Lösungen, die sich exakt auf den Kundenbedarf ausrichten. Der physische Brief bekommt also künftig digitale Geschwister.
Anwender wollen Wahlmöglichkeiten, was die Zustellung angeht. Sie wollen selbst keine Infrastruktur aufbauen und vorhalten, sondern einfach einen Dienst aus dem Internet nutzen. Intelligente digitale Post wird künftig als "Cloud-Service" angeboten werden. Die Anforderungen an vertrauliche postalische Leistungen (etwa das Briefgeheimnis) und Zustellungsqualität erfordern eine Cloud, der man vertrauen kann und auf die man sich verlassen kann. Diese neue Cloud-Technologie birgt aber auch Risiken, die es zu beherrschen gilt. Doch die Zukunftschancen überwiegen, wie der Fokus der Deutschen Post auf ihren E-Postbrief eindrucksvoll unterstreicht.
Beim Brief in der Cloud geht es jedoch nicht um die Elektronifizierung traditioneller physischer Mail-Dienste. Vielmehr können komplett neue Mail-Dienste geschaffen werden wie zum Beispiel:
-
personalisierte physisch/digitale Mail-Dienste: Der Versand eines Briefs wird digital avisiert und der Empfänger entscheidet, in welcher Form, auf welchem Gerät oder zu welchem Zeitpunkt er das Dokument erhalten will. Beispiel hierfür ist ein Angebot der Siemens Postal Automation.
-
Mail mit Response-Kanal: Nachrichten, die einen Rückkanal für die Kommunikation integrieren, erlauben einen geführten Dialog im Gegensatz zum Brief- oder Mail-Austausch.
-
E-Commerce-Angebote: Transaktionsorientierte digitale Mail-Dienste könnten nutzergerecht zum Einsatz kommen, um Kauf und Rechnungsstellung von Produkten und Services effizient abzuwickeln.
-
Multi-Provider-Angebote: Physische Post ist heute Multiprovider-fähig. Sonst käme ein im Ausland aufgegebener Brief in Deutschland nicht an. Digitale Post muss unbedingt auch im Multi-Provider-Betrieb funktionieren - und das nicht nur national sondern auch international.
-
Standort- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit: In den Bereichen Forschung, Entwicklung und Produktion gewinnt an Bedeutung. Insbesondere die Abstimmung von Entwicklungsergebnissen in Bereichen wie CAE/CAD könnte zeit- und kostensparend erfolgen. (hv/sh)