Sicheres Auftreten in China: Fingerspitzengefühl ist wichtiger als starre Regeln

Ein Lächeln hilft immer

09.07.2004 von Ingrid  Weidner
China lässt viele Manager-Herzen höher schlagen. Von den dortigen wirtschaftlichen Wachstumsraten können Europäer nur träumen. Wer sich auf den Weg nach Ostasien machen möchte, sollte sich gut vorbereiten. Ohne interkulturelle Kompetenz, Geduld und Fingerspitzengefühl droht die Mission kläglich zu scheitern.

"Man muss wissen, wie die Dinge in China funktionieren", erklärt Lijun Tang, der bei den Carl Duisberg Centren in Köln Management-Seminare und interkulturelle Projekte organisiert, mit einem Lächeln. Eine scheinbare Binsenweisheit, die zwar für jedes Land gelte, doch während man hierzulande stärker auf Gesetze zurückgreifen könne und sachorientiert handele, sei es in China schwierig, sich auf feste Gepflogenheiten zu berufen. "Das Verhalten hängt stark von den Interessen der Person und der Situation ab. Es ist schwieriger vorhersehbar", fügt Tang hinzu, der in beiden Kulturen zu Hause ist. Eine Vertrauensperson vor Ort, die mit den Besonderheiten, Sitten, Sprache und dem Geschäftsleben vertraut ist, helfe, solche Unwägbarkeiten besser zu meistern.

Eine gute Vorbereitung auf die Chinareise empfiehlt auch Kathrin Köster, Professorin für International Business, Leadership and Organization an der Fachhochschule Heilbronn. Als Volkswirtin mit zusätzlichen Studienabschlüssen in Sinologie und Japanologie kennt sie die Unterschiede zwischen westlicher und ostasiatischer Arbeitsweise auch aus zahlreichen Aufenthalten und Projekten. "Den Chinesen gibt es genauso wenig wie den Europäer", und von goldenen Regeln für das Geschäftsleben oder gar einem Werkzeugkasten hält die Professorin wenig.

"Kulturelle Gepflogenheiten in China ändern sich massiv", weiß auch Eberhard Schenk, Leiter des Interkulturellen Trainings der Carl Duisberg Centren in Köln. Gut ausgebildete jüngere Chinesen, von denen viele im Ausland studiert haben, handeln nach ähnlichen Maximen wie ihre westlichen Altersgenossen. Ein antrainiertes Verhaltensrepertoire kann gegenüber solchen Geschäftspartnern völlig antiquiert wirken. "Kultur spielt eine geringe Rolle, wenn es gemeinsame Ziele gibt, dagegen wird sie wichtig, wenn sich Menschen in Konfliktsituationen abgrenzen möchten", meint der China-Experte Schenk.

Geschäftsbeziehungen scheitern deshalb nach Erfahrung des Trainers weniger daran, dass die Visitenkarte nicht mit beiden Händen überreicht wird oder der westliche Gast die chinesische Sitte nicht kennt, zunächst mehrmals das angebotene Getränk abzulehnen, dafür schon eher an einen Fauxpas wie etwa einem unpassenden Gastgeschenk. Fällt es zu billig aus, signalisiert es Geringschätzung, ist es beispielsweise eine Uhr, dann kann es im chinesischen Kontext heißen: "Jemandem das letzte Geleit geben." Die größten Gefahren lauern oft in den kleinen Details. Doch wenn die chinesische Seite die eigenen Vorteile des angebotenen Geschäfts klar erkennt und ihre Chance sieht, dann laufen die Verhandlungen auch zügig, nennt Schenk als Richtschnur.

Trotz aller Veränderungen im Geschäftsleben kommt persönlichen Beziehungen in China immer noch eine entscheidende Bedeutung zu. Sachorientierten westlichen Geschäftspartnern bereitet das oft Kopfzerbrechen, besonders wenn sich das ostasiatische Gegenüber anders verhält als erwartet. Aber ganz offensichtliche Fehler lassen sich einfach vermeiden. Wer während einer zweitägigen Chinareise möglichst viele Termine abhaken möchte und drei Erstgespräche mit Geschäftspartnern in spe pro Tag ansetzt, sollte das Programm nochmals überdenken. "Wenn der deutsche Manager pausenlos redet und sein Unternehmen lobt, Tee und Kaffee ablehnt und am Ende seines Monologs fragt, ob man ins Geschäft komme, überlegt sich die chinesische Seite: "Worüber möchte er hinwegtäuschen, wieso diese Eile?", übersetzt Köster die mögliche Reaktion.

Nachverhandlungen sind die Regel

Eberhard Schenk: "Kultur spielt eine geringe Rolle, wenn es gemeinsame Ziele gibt, dagegen wird sie wichtig, wenn es zu Konfliktsituationen kommt."

Auch Vertragsverhandlungen und deren Abschluss werden unterschiedlich gehandhabt. Während in Deutschland im Allgemeinen der Vertrag am Ende der Verhandlungen steht, gelte er in China oft als eine Art Einstieg. Weitere Beratungen und Vertragsergänzungen gehören dort dazu. "Chinesen sind sehr geschickt in den Nachverhandlungen", warnt Schenk.

Klarheit über die angestrebte Art der Zusammenarbeit, ob beispielsweise ein Tochterunternehmen oder ein Joint Venture in China gegründet werden soll, und eine genaue Marktanalyse gehören zur gründlichen Vorbereitung dazu. "Unser Rechtsverständnis gilt in Asien nicht, gerade auch was den Schutz von geistigem Eigentum und Patentgesetze anbelangt", gibt Köster zu bedenken.

Das Lohnniveau in den aufstrebenden Wirtschaftsregionen, etwa Shanghai, steigt, so dass geringere Personalkosten kein alleiniges Argument für ein Engagement in China mehr sein können. Zu einer fundierten Vorbereitung zählen auch interkulturelle Aspekte. Landeskenntnisse über Kunst und Kultur erleichtern den Zugang, denn während eines Geschäftsessens wird keineswegs nur über die Firma gesprochen; Small Talk sollten Fachkräfte ebenso beherrschen wie Etikette.

Bei Managern gilt das Prinzip der Seniorität. Zum Termin mit den chinesischen Gesprächspartnern sollte ein Mitarbeiter reisen, der etwa auf der gleichen Hierarchiestufe arbeitet. Auch Gastgeschenke, die nichts mit Bestechung zu tun haben, gehören dazu. Ähnlich wie hierzulande erhalten sie die Freundschaft. Köster hat einige Tipps für Geschäftsreisende parat: "Hochkarätigen Managern kann man beispielsweise einen teuren Cognac einer international bekannten Marke schenken. Mit dem Geschenk drückt sich auch eine Wertschätzung aus."

Auf Visitenkarten sollten Titel und Rang genannt sein, und man sollte sie immer mit beiden Händen überreichen. Erhält man selbst eine Karte, sollte man demonstrativ einen Blick darauf werfen, eventuell den Namen laut wiederholen und die Karte während der Besprechung vor sich auf den Tisch legen. Niemals die Karte einfach ungelesen in die Gesäßtasche stecken; besser ist es, ein extra Kästchen für Visitenkarten mitzubringen. Ähnlich wie die Visitenkarten werden auch die Gastgeschenke, und zwar eingepackt - möglichst kein weißes Geschenkpapier wählen, denn die Farbe symbolisiert in China den Tod - mit beiden Händen überreicht, nach Dankesformeln zur Seite gelegt und nicht ausgepackt, ergänzt Schenk.

Die Business-Kleidung sollte förmlich sein, während des Geschäftsessens empfiehlt es sich, auf die formale Sitzordnung zu achten. In lockerer Atmosphäre ist es in China durchaus üblich, reichlich Alkohol zu sich zu nehmen, und es wird erwartet, dass man als Besucher auch etwas trinkt. Für manchen westlichen Manager sind die oft während des Essens anwesenden Damen, die sich um das Wohl der Gäste kümmern, irritierend. Der Übergang zu weiteren Dienstleistungen bis hin zur Prostitution ist mittlerweile nicht unüblich, zu Zeiten der Kulturrevolution wäre es das undenkbar gewesen. Doch niemand wird sich seine Chancen auf Geschäftsbeziehungen verderben, wenn er Angebote, die über das Nachschenken bei Tisch hinausgehen, ablehnt. In solchen Situationen lässt sich durchaus mit westlichen Werten argumentieren, empfehlen die interkulturellen Experten.

Manager brauchen vor allem soziales Gespür und Kompetenz, um weder sich noch das Unternehmen, für das sie arbeiten, zu blamieren. Doch allzu viele antrainierte Verhaltensweisen schränken den Handlungsspielraum einer Person meistens eher ein. Gute interkulturelle Trainings vermitteln über die allgemein gängigen Grundlagen hinaus vor allem eine Sensibilität für die kulturellen Unterschiede.

Schnell wechselt deshalb der Fokus hin zum sozialen Kompetenztraining. "Viele Manager sind zwar schlau, doch ihnen fehlt die soziale Umsetzungskompetenz", hat der Coach Ralf-Torsten Zitterbart von China Consultancy aus Berlin immer wieder festgestellt. In Geschäftsbeziehungen spielen seiner Erfahrung nach vier Faktoren eine wichtige Rolle: Machtverhältnisse, Interessen, Kultur und Sympathie. Deshalb lasse sich schlecht mit goldenen Regeln alleine arbeiten. Zumal immer auch Faktoren wie Alter, Ausbildung, Berufsweg und die Herkunft innerhalb des riesigen Reichs der Mitte die Situation zusätzlich verkomplizieren.

Wer länger bleibt, muss Mandarin lernen

Brauchen westliche Geschäftspartner Sprachkenntnisse?, ist eine weitere knifflige Frage. Zitterbart empfiehlt Managern, die drei oder mehr Jahre nach China gehen möchten, sich die Mühe zu machen und Mandarin zu lernen. Wer dagegen nur einen einjährigen Auslandseinsatz plant, komme mit 40 bis 50 gängigen Business-Phrasen und guten Englischkenntnissen weiter. Auch wer sich gut vorbereitet hat, wird immer wieder viel Geduld brauchen. Und auch in stressigen Situationen hilft es oft weiter, zu lächeln und abzuwarten.

Worauf Sie in China achten sollten

Kulturelle Gepflogenheiten ändern sich durch den westlichen Einfluss massiv. Es kommt deshalb immer auf das Gegenüber an und weniger auf eintrainierte Gesten. Trotzdem gibt es einige Tipps, die den Umgang erleichtern.

> Visitenkarten immer mit beiden Händen überreichen. Der erhaltenen Karte Aufmerksamkeit widmen, den Namen vorlesen und sie während der Besprechung vor sich auf den Tisch legen.

> Auf Visitenkarten sollten der Titel und die Position innerhalb des Unternehmens genannt sein.

> Gastgeschenke für die Geschäftspartner mitbringen, die Wertschätzung signalisieren.

> Formale Business-Kleidung wird zu Geschäftsterminen erwartet.

Buchtipp: Interkulturelles Training

Alexander Thomas und Eberhard Schenk haben ein Trainingsprogramm für Manager und Führungskräfte entwickelt, die sich mit dem Einfluss der kulturellen Besonderheiten auf die Arbeitswelt vertraut machen wollen. Beispielsituationen und angebotene Lösungswege fordern die Leser auf, ihr Wissen zu testen. Die Autoren erklären zu jeder Frage die kulturellen Hintergründe. Wer sich einen schnellen Überblick verschaffen möchte, wird hier fündig. Das Buch ist inhaltlich anspruchsvoll, liest sich aber leicht.

Alexander Thomas, Eberhard Schenk: Beruflich in China. Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. 148 Seiten, 24,90 Euro. ISBN 352549050X.