SAP ERP Einführung

Ein Jahr bis zum Big-Bang

16.03.2010 von Ima Buxton
Fünf Standorte, 1.800 hauseigene Produkte und 35 IT-Systeme - damit konnte die Steinel GmbH, Hersteller für High-Tech-Leuchten und -Werkzeuge, nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren - und stellte innerhalb von zwölf Monaten auf SAP ERP um.
"Mit unserem Projekt ‚SPEED’ haben wir die Neustrukturierung aller Prozesse in die Wege geleitet", sagt Heinz, "mit dem Ziel ein integratives System für alle Unternehmensbestandteile zu schaffen, das eine synchrone Steuerung der Produktion erlaubt, und auf diese Weise zugleich Kosten zu senken."

nNicht weniger als fünftausend verkaufsfähige Eigen- und Fremdprodukte bestimmen die Produktpalette der Steinel GmbH mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Herzebrock-Clarholz. Der Mittelständler stellt Leuchten und Sensoren, Heißluftgebläse und -klebepistolen für Profis und Heimwerker in aller Welt her. Jedes Stück ist ein High-Tech-Produkt, hergestellt aus einer Vielzahl von Einzelteilen und Komponenten, die an insgesamt fünf europäischen Steinel-Standorten produziert werden. Die Endfertigung ist ein komplexer Prozess, der sich über mehrere Produktionsstätten erstreckt. "Unsere Standorte waren zwar über eine Software-Landschaft miteinander verbunden", erläutert IT-Leiter international René Heinz die Situation. "Ein zeitnaher Abgleich der benötigten Bedarfe in den einzelnen Werken war aber nicht möglich, was zu Produktionsverzögerungen führte."

Neustrukturierung aller Prozesse

Insgesamt formten bis zu 35 verschiedenartige IT-Systeme innerhalb der Steinel GmbH eine heterogene IT-Landschaft, die der komplexen Unternehmensstruktur mit unterschiedlichen Produktionsstandorten in Deutschland (Herzebrock und Mölkau), Rumänien, Tschechien und der Schweiz nicht mehr gerecht wurde. Bei einigen der Systeme endete zudem der vertragliche Support - eine Wartung war für die veraltete Software teils nicht mehr zu bekommen. "Mit unserem Projekt ‚SPEED’ haben wir die Neustrukturierung aller Prozesse in die Wege geleitet", sagt Heinz, "mit dem Ziel ein integratives System für alle Unternehmensbestandteile zu schaffen, das eine synchrone Steuerung der Produktion erlaubt, und auf diese Weise zugleich Kosten zu senken."

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Video-Conferencing spart Reisekosten

Ein zeitnaher Abgleich der benötigten Bedarfe für Produkte wie Lichtsensoren war in den einzelnen Werken erst nach der Umstellung auf SAP möglich.
Foto: Steinel GmbH

Der Startschuss für Speed erfolgte im Juli 2008 und führte in einer ersten Phasen zu einer Ablösung der alten AS400 Umgebung durch SAP ECC 6.0 mit allen Modulen. Betroffen waren 450 User und dreizehn SAP Buchungskreise. Der Name "Speed" ist dabei Programm für das Projekt. Mit dem Claim "Softwareeinführung präzise effizient erfolgreich durchführen" setzte die Steinel Unternehmensleitung sich und dem fünfzehnköpfigen Projekt-Team zeitlich einen engen Rahmen: Phase eins sollte mit der Implementierung an fünf Standorten in nur zwölf Monaten zum Abschluss kommen. Der so genannte "Big Bang" - der zeitgleiche Produktivstart an allen Standorten - wurde für Juli 2009 festgesetzt - schon nach einem Jahr. "Das war ein echter Hammer", sagt Heinz. "Noch nie zuvor wurde für ein SAP-Projekt mit mehreren Roll-Outs ein derart enger Zeitrahmen angesetzt. Geschafft haben wir das, weil wir fast ausschließlich Standardprozesse eingeführt und fast keine Change requests definiert haben. Die SAP-Standards haben unsere Anforderungen bereits optimal abgebildet."

Um den Anforderungen Stand halten zu können, stellte der IT-Leiter der Produktivphase eine intensive Vorbereitungsphase voran, in der auch die Entscheidung für SAP ERP fiel. "Die SAP-Lösung entsprach bei dieser Anzahl von Inter-Company-Prozessen am besten unseren globalen und integrativen Anforderungen", sagt Heinz. "Kurz: Wir fanden unsere speziellen Inter-Company-Prozesse in diesem Umfeld am besten abgebildet." Die Wahl für den Implementierungspartner fiel nach einem Testlauf auf Basis Steinel spezifischer Prozesse auf Siemens SIS. "Der Pluspunkt bei Siemens war die Internationalität. Uns war wichtig, an den verschiedenen Standorten Berater aus den entsprechenden Ländern vor Ort zur Verfügung zu haben."

Speed erforderte die Anpassung der kompletten IT-Infrastruktur: Die Leitungen zu allen Standorten wurden ausgetauscht, die gesamte Office-Palette erfuhr ein SAP-seitig vorgegebenes Upgrade von Version `97 auf 2003. Hardware-seitig kam es zum Austausch von Desktop-Systemen und Monitoren. Die Produktionsstandorte wurden um ein Video-Konferenz-System ergänzt, um Reisekosten einzusparen. Insgesamt war der Transfer von Daten aus 35 Altsystemen innerhalb der vorgegebenen zwölf Monate in die neue IT-Umgebung erforderlich.

Ein SAP Schulungscenter in der Zentrale in Herzebrock-Clarholz wies die Mitarbeiter in alle SAP-spzezifischen Prozesse ein.
Foto: Steinel Gmbh

Aufgrund der vielen unabhängigen Organisationseinheiten existierten etliche unterschiedliche Standards, die für die Übernahme in ein integriertes System harmonisiert werden mussten, das betraf etwa Artikelbezeichnungen und -nummern. Und last but not least stand dem Unternehmen zur Jahresmitte auch noch die Umsetzung einer Compliance-Anforderung ins Haus: Vom 1. Juli 2009 an verlangte der Gesetzgeber die Abwicklung des gesamten Exportgeschäftes auf elektronischem Wege - was die Einführung der staatlichen Verwaltungs-Software "ATLAS" nötig machte.

"Um unsere Mitarbeiter parallel zur Implementierung auf das neue IT-System einzustellen, haben wir eigens Schulungsräume an allen Produktionsstandorten eingerichtet und entsprechende Schulungen mit den Beratern veranstaltet", sagt Heinz. Ein SAP Schulungscenter in der Zentrale in Herzebrock-Clarholz übernahm die Einweisung in die SAP-spezifischen Prozesse.

5,5 Millionen Euro bei knapp 2.900 Manntagen

Nach einem Jahr hatte Speed rund 5,5 Millionen Euro und knapp 2.900 Manntage verschlungen. Doch das Ergebnis waren Mühen und Aufwand wert, meint René Heinz - und auch den Stress aufgrund der knappen Zeitvorgabe. "Wir verfügen heute über ein einheitliches, integratives System und beschäftigen uns unternehmensweit nur noch mit einer Software", resümiert der CIO. "Die Intercompany-Prozesse laufen automatisiert, das heißt komplexe Dispositionsabläufe - wie die Auslösung der Bedarfe oder die Rechnungsstellung an ein anderes Werk - laufen schneller und reibungsloser."

Auch für die strategische Planung und das Controlling bringt Speed Vorteile, meint Heinz: "Aufgrund der integrierten Finanzbuchhaltung können wir Kennzahlen und Kostenstellenauswertungen nun quasi per Knopfdruck erstellen." Auch den engen Zeitrahmen würde Heinz heute wieder so festsetzen. "Allerdings", sagt Heinz, "hat uns Speed in der Tat gezeigt, wie komplex die Materie ist. Es wäre sicher ratsam, die Teilprojektleiter eines zeitlich so knapp kalkulierten Projektes noch früher zu schulen und mehr externe Berater einzubinden."