Soft Skills im Studium erlernen

Ein guter Ingenieur besitzt T-Skills

13.05.2015 von Andreas  Sattler
In der modernen Ausbildung von Ingenieuren ist nicht mehr nur die Vermittlung von technischem Wissen angesagt. Gefragt sind sogenannte T-Skills, die auch Sozialkompetenz im Studium vermitteln.

In Industriestaaten wird schon seit Längerem diskutiert, dass in der heutigen vernetzten Welt gerade bei Ingenieuren nicht mehr nur technische Kenntnisse gefragt sind, sondern auch soziale Kompetenzen immer wichtiger werden. Zum Beispiel in der Projektarbeit sind interkulturelle Kompetenz, Menschenführung und Teamfähigkeit genauso wichtig wie reines technisches Wissen.

Dabei scheint es bei virtuellen Teams sogar noch mehr auf die sozialen Zwischentöne anzukommen. Denn hier kann man durch fehlende Betonung und Mimik Aussagen nicht in den richtigen Kontext setzen, was in einem persönlichen Gespräch leichter fallen würde. Man spricht im angelsächsischen Raum von sogenannten T-Skills. Die Breite des T gibt dabei die fachübergreifenden Kompetenzen wie etwa Soft Skills an, seine Höhe steht für die fachliche, technische Kompetenz.

Immer mehr Hochschulen gegen dazu über, ihre Studenten in technischen Studiengängen ergänzend auch in Soft Skills auszubilden.
Foto: Duncan Andison_shutterstock

Deutsche Industrie fordert soziale Kompetenz

In Deutschland ist dieses Thema nicht wirklich neu. So wird zum Beispiel an der RWTH in Aachen das Fach Business Engineering als Pflichtfach für die angehenden jungen Ingenieure angeboten. Allgemein wird stärker auf Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Industrie geachtet. Laut Professor Günther Schuh, Geschäftsführer der RWTH Aachen Campus GmbH sowie der privatwirtschaftlich organisierten Forschungsinitiative "StreetScooter", fördert eine derartige enge Vernetzung die Soft Skills erheblich. "Die Industrie fordert diese Social Skills ein, die Studenten sind davon oftmals eher noch überrascht." Deshalb können an der Universität in Aachen die jungen Hochschüler bereits nach dem vierten Semester wissenschaftliche Hilfskräfte werden, um ihre Soft Skills in der Praxis auszuprobieren.

Die Technische Universität München versucht, sich mit mehreren integrativen Studiengängen, beispielsweise an den Integrative Research Centers und den Exzellenzcentern, breiter aufzustellen. Dazu kommen die Tenure-Track-Positionen, die nach einer befristeten Bewährungszeit eine Lebenszeitprofessur in Aussicht stellen. Für den Visiting Researcher der TU Dresden, Jochen Büchel, ist das ein erster wichtiger Schritt: "Deutschlandweit gibt es viele interessante Initiativen, wie etwa die Aufwertung der Fachhochschulen. Ich vermisse allerdings kreative Science and Technology Studies." Technologisch sieht Büchel die Exzellenzcluster auf einem guten Weg, diese Entwicklung zu unterstützen. Neue Formen der Wissenssoziologie würden jedoch durch technokratisches Denken behindert.

Societal Ingenieurs weltweit gefragt

In der Schweiz hat man beispielsweise an der Fachhochschule in Bern beschlossen, Bachelor-Studiengänge zu schaffen, zu deren Inhalt die Lehre neuer Business-Modelle gehört. Dort wird jungen Ingenieuren unter anderem gezeigt, was der komplexe Bereich Big Data alles beinhaltet. Was kann man mit diesen Daten anfangen? Wie muss man sie interpretieren? Um ihre sozialen Kompetenzen zu schulen, leisten die Studenten in ihrem Bachelor-Studium in Bern Projektarbeiten, bei denen fachübergreifende Kompetenzen gefragt sind.

Diese Soft Skills brauchen IT-Experten
Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt.
Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ...
Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ...
Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein."
Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ...
Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung."
Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ...
Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ...
Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen."
Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ...
... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ...
Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse."
Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ...
Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ...
Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ...
Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen."
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich.
Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ...
Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung."
Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen."
Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ...
Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen."
Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso."
An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben."
Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.

In den USA ist die Forderung nach solchen T-Kompetenzen vor allem noch industriegetrieben, wobei sich einige große Unternehmen wie IBM, GE, Nike, Procter&Gamble sowie PTC dabei besonders engagieren. Sie fordern und fördern diese Kompetenzen bei ihren Mitarbeitern. Erste Colleges haben entsprechende Studiengänge und Fächer in ihr Programm aufgenommen. So zum Beispiel das Boston College mit dem Societal-Engineers-Programm.

Dort lautet das Ziel: "Der Societal Ingenieur begeistert Menschen mit unterschiedlichem Werdegang für die Zusammenarbeit, um eine sichere, grünere, nachhaltigere, gesündere, besser vernetzte, energieeffizientere und produktivere Welt mit ausreichend Nahrung, Trinkwasser und ökonomischen Chancen für alle zu gestalten." Ein anderes Beispiel ist die Lehigh University, die ein vierjähriges Programm in Integrated Business and Engineering (IBE) anbietet.

Ein weiteres Land, das sich im Moment sehr gut im internationalen Wettbewerb bei der Ausbildung von guten Ingenieuren präsentiert, ist Singapur. Doch auch Skandinavien rangiert weit vorne, was den systemintegrativen Ansatz betrifft, mit Dänemark an der Spitze.

Interdisziplinäre Ansätze auch in China

Aber auch in anderen Ländern, wie zum Beispiel in China, beginnt man unterdessen, sozialen Kompetenzen in der Ingenieurausbildung mehr Rechnung zu tragen. Forscher in China haben einen Bericht erarbeitet, der sich mit den dazu notwendigen strukturellen und kulturellen Änderungen beschäftigt. Beispielsweise ist das der Wechsel vom strikten disziplinorientierten Denken zu interdisziplinären Ansätzen und einer stärkeren Entwicklung von Teamfertigkeiten. Damit will man die Wettbewerbsfähigkeit fördern und produktivere Ingenieure hervorbringen. "Die zunehmende Lücke zwischen Ingenieurpraxis, Ausbildung und Forschung gibt Anlass zu Besorgnis", warnt der Bericht.

Basisingenieurwissen bleibt die Königsdisziplin

Professor Lukas Rohr, Direktor der BFH Berner Fachhochschule, sieht bei der Vermittlung dieser T-Skills aber auch Hindernisse: "Das Gespür für neue Business-Modelle fehlt den jungen Studenten der Ingenieurswissenschaften oft noch. Ingenieure sind immer noch eher technikverliebt, aber sie akzeptieren mittlerweile auch die wirtschaftlichen Belange und Anforderungen." Das Basisingenieurwissen belibe zwar die Königsdisziplin. In Zukunft werde aber das interkulturelle und interdisziplinäre, branchenübergreifende Wissen bei Informatikern und Ingenieuren immer wichtiger und werde in der Ausbildung in Projektarbeiten trainiert werden.,

Im Studiengang Medizininformatik lernen Informatiker, sowohl wie ein Mediziner als auch ein Geschäftsführer eines Krankenhauses zu denken, zu handeln und zu arbeiten. Bei der Übersetzung von Daten in Wissen wird die Integration der Patienten noch nicht richtig berücksichtigt, sogar in so zukunftsträchtigen Bereichen wie Bioinformatik und Medizintechnik. Hier steckt noch enormes Verbesserungspotenzial. Professor Schuh geht davon aus, dass es in Zukunft keinen reinen Maschinenbauingenieur ohne fundierte Software-Skills mehr geben wird: "Die sogenannte Generation Y ist sehr schnell, was das Lernen und Adaptieren neuer Dinge und Workflows angeht. Sie ist wesentlich offener als die Generationen vor ihr. Von daher glaube ich, dass wir uns auf einem guten Weg befinden."

Vielleicht sehen viele die Herausforderung an zukünftige Ingenieure eher noch im Bereich der branchenübergreifenden und weiter gefächerten technischen Ausbildung. Dennoch ist man sich dem Bedarf an sozialen Kompetenzen in Deutschland durchaus bewusst und versucht, die jungen Ingenieure an der Hochschule entsprechend auszubilden. Bleibt jedoch die Frage, inwieweit man diese T-Kompetenzen theoretisch vermitteln kann. Mit Sicherheit müssen sie in der praktischen Umsetzung vertieft und erweitert werden. Ein gutes Mittel wäre es, jungen Ingenieuren in den ersten ein bis zwei Jahren in ihrem Beruf Mentoren oder Coaches zur Seite zu stellen, die sie darin unterweisen. (pg)