Ein Blick hinter die Kulissen des Online-Porno-Geschäfts

20.07.2006
Wie so das Geschäft mit Pornos im Netz funktioniert, zeigt beispielhaft die Sieben-Mann-Firma CAPS Internet aus Toronto.
Auf so einer Affiliate-Seite ist vermutlich schon jeder Internet-Nutzer zumindest versehentlich schon einmal gelandet.

Die hat, so berichtet das "Wall Street Journal", letztes Jahr etwa 1,4 Millionen Dollar umgesetzt und will heuer sogar mehr als 1,8 Millionen Dollar einnehmen. Dabei betreibt sie nur Dutzende von Websites mit tollen Nahmen wie HardHut.com oder GalleryHeaven.com. Die sind voll mit "Lockbildchen", über die Surfer auf die Anwerbeseiten kostenpflichtiger Sex-Seiten gelenkt werden. Werden sie dort zahlende Abonnenten, erhält CAPS eine Provision, oft um die 40 Dollar pro "Vermittlung" - und das rechnet sich.

CAPS ist nur eine von zahllosen so genannten Affiliates, die die Mehrzahl aller Porno-Seiten im Netz ausmachen. Oft bewirbt ein kommerzieller Anbieter seine Inhalte über Tausender solcher Partner, die er mit Beispielbildern aus seinem Angebot versorgt. "Die ganze Branche dreht sich um diese Beziehung", erklärt Alec Helmy, der die Informationssite XBiz.com zur "Volljährigen-Industrie" betreibt.

Aggresives Marketing

Die Affiliates bescheren den Internet-Nutzern aber auch allerhand Frust. Da sie nur erfolgsabhängig bezahlt werden, gehen die Site-Kuppler teils ausgesprochen aggressiv zu Werke. Das reicht von massiven Spam-Kampagnen bis zu lästig programmierten Sites, die Besucher mit einem endlosen Strom von Pop-up-Fenstern "einfangen". Die meisten Porno-Vertreiber haben offizielle Richtlinien gegen derartigen Unbill, diese sind aber nur schwer umzusetzen. Und wegen des Verhaltens ihrer Affiliates sind bislang nur die wenigsten belangt worden.

Josh Seims, der die Porno-Video-Site Videobox.com (über 70.000 Abonnenten) mit gegründet hat, erläutert: "Anfänglich kam praktisch jeder unserer Kunden über einen Affiliate. Dieser trägt das Risiko, nicht wir, und das ergibt ein großartiges Modell für das Marketing."

Einmal-Provision oder Umsatzteilung

Während der eine Anbieter eine Einmalprovision von 30 oder 40 Dollar für einen Kundenfang zahlt, bieten andere ihren Affiliates ein Revenue-Sharing von oft 50 Prozent an - das kann noch lukrativer sein, da für den Zugang zu den Schmutzseiten Monatsgebühren von 30 Dollar und mehr keine Seltenheit sind.

Doch nun droht sich das System totzulaufen - das Netz ist derart überschwemmt mit Affiliate-Lockseiten mit kostenlosen Porno-Fotos und -Videos, dass es immer schwieriger wird, daraus zahlende Kunden für die kommerziellen Sites zu machen. CAPS-Manager Matthew Gamble gibt an, dass zurzeit bestenfalls noch jeder 200ste über die Seiten seiner Firma geleitete Interessent ein Abo abschließt. Für einige der von CAPS vermarkteten Angebote liege die Umwandlungsrate gar nur bei eins zu tausend.

Konkrete Zahlen sind Mangelware

Wie viele Affiliate-Sites sich im Netz tummeln, weiß niemand so genau. Überhaupt gibt es zur Pornobranche relativ wenige Statistiken, da die meisten Unternehmen in Privatbesitz sind. Jupiter Research schätzt konservativ, dass mit Sex im Netz in den USA pro Jahr vielleicht nur rund 250 Millionen Dollar umgesetzt werden. Die Branchenpublikation "Adult Video News" taxiert die Erlöse hingegen auf 2,5 Milliarden Dollar.

Viele Affiliates arbeiten von zuhause aus oder in kleinen Büros, sie sitzen über den ganzen Globus verteilt. Sites lassen sich leicht aufsetzen, viele verwenden ein ähnliches Format mit 40 oder mehr auf einem Raster angeordneten Thumbnail-Fotos, die von den Porno-Verkäufern ständig aufgefrischt werden.

Cross-Promotions und Comment Spam

Neben E-Mail vermarkten sich die Affiliates vor allem durch den Kauf von Werbung in Suchmaschinen wie Google oder Yahoo!. Außerdem "optimieren" sie ihre Web-Seiten so, dass sie möglichst weit oben in den Suchergebnissen erscheinen. Googles erste Fundstelle für "porn" ist eine Affliliate-Seite namens PenisBot.com, die Links auf tausende kostenloser Fotos bietet und von rund 7000 Sites Provisionen im Austausch für Traffic erhält. Ihr Betreiber sitzt in St. Petersburg und kommt nach eigenen Angaben auf rund 200.000 Unique Visitors (unterschiedliche Besucher) am Tag.

Daneben bewerben sich die Affilliates über komplexe "Traffic Trades" aber auch untereinander. Außerdem greifen sie zu Weblogs mit Diskussionen zu neuesten Inhalten aus der Erwachsenenunterhaltung und Links auf ihre Seiten. Dieser "redaktionelle" Inhalt verhilft ihnen zu besseren Bewertungen in den Suchmaschinen und damit zu mehr Besuchern. Einige verwenden auch automatisierte Programme ("Bots"), um Kommentare und Trackbacks auf eigenen und fremden Blogs zu streuen, in denen nur Unsinn und Links auf Porno-Sites stehen.

Affiliates wollen bei Laune gehalten werden

Die Anbieter greifen jedenfalls nicht selten tief in die Tasche, um ihre Affiliates bei Laune zu halten. Vivid.com, Online-Ableger der Pornofilmfira Vivid Entertainment Group, bekommt nach Angaben des für die Affiliates zuständigen General Managers Michael Cardone, rund 60 Prozent seiner 100.000 Unique Visitors täglich über die Helfershelfer. Vivid zahle regelmäßig monatlich Provisionen an bis zu 1000 Affiliates. Letzte Woche traf sich Cardone auf einer Branchenmesse in Las Vegas mit ausgewählten Partnern am Pool des Hard Rock Cafes Hotel, spendierte ihnen Drinks und ging mit einigen auch zum schicken Japaner Nobu zum Dinner. "Wir nehmen viel Geld in die Hand, um neue zu gewinnen und die bestehenden bei Laune zu halten", so der Vivid-Mann.

Clark Chambers, der die Affiliate-Programme für unter anderem die Pay-Sites OlderWomen.com und AuntJudys.com betreut, greift inzwischen auch gern zu Geschenken und Boni. Einem 18-jährigen Moskauer übersandte er kürzlich eine 3000 Dollar teurer TAG-Heuer-Uhr - als Draufgabe zu den 5000 bis 8000 Dollar Provision, die der Teenager monatlich mit seinen Affiliate-Seiten einstreicht. Bei Chambers haben Affiliates die Wahl zwischen einer einmaligen Vermittlungsgebühr von 30 Dollar pro neuem Kunden oder 50 Prozent Umsatzbeteiligung. Gute Affiliates zu finden, bezeichnet Chambers als "super competitive". (tc)