Informationsüberflutung

Ehepartner hassen den BlackBerry

17.11.2008 von Sascha Alexander
Das renommierte Forschungszentrum MIT sieht die psychische Gesundheit von Unternehmensmitarbeitern durch die ständige Kommunikation über mobile Clients und Collaboration-Anwendungen bedroht. Doch ein Mittel dagegen zu finden, scheint schwierig.

JoAnne Yates, Deputy Dean am Massachusetts Institute of Technology (MIT), sieht die Stresskurve bei Unternehmensmitarbeitern durch immer mehr Kommunikationskanäle nach oben gehen. Vor allem unter BlackBerry-Nutzern macht mittlerweile das Wort "CrackBerry" die Runde, weil sie einfach nicht mehr abschalten können und wollen. In einer in Kürze erscheinenden Studie "Ubiquitous E-mail: Individual Experiences and Organizational Consequences of BlackBerry Use" will das MIT nun aufzeigen, wie dramatisch die Informationsüberflutung wirklich ist. Vorab sprach Yates, Co-Autorin des Berichts, mit den Kollegen der "Computerworld":

CW: Wie weit sind Ihre Forschungen zum Informationsüberfluss gediehen?

Yates: Derzeit läuft am MIT eine Disseration meiner Kollegin Melissa Mazmanian zu diesem Thema. Zusammen mit der Informatik-Professorin Wanda Orlikowski und mir untersuchen wir dabei die Nutzung des BlackBerry bei 30 Angestellten eines Finanzdienstleisters. Dabei zeigt sich, dass die Leute den BlackBerry kurzfristig eher als eine Hilfe zur Stressreduzierung sehen, weil man schneller über Probleme informiert wird, als diese erst beim Öffnen ihrer E-Mail-Anwendung am Desktop vorzufinden. Langfristig nimmt indes der Stress zu, weil man kaum noch abschalten kann. Alle Befragten beklagen, dass sie nicht mehr vom BlackBerry loskommen.

CW: Haben Sie eine Lösung für das Problem der Informationsüberflutung gefunden?

Yates: In manchen Firmen wurde es Managern verboten, Blogs und Instant Messaging zu verwenden, in anderen Unternehmen bezweifelt man hingegen den Sinn solcher Maßnahmen. Wieder andere Organisationen setzen auf Wikis, um die Kommunikation zu bündeln und für alle sichtbar zu machen, doch dies ist ein schwieriger Lernprozess für alle, und es gibt nicht immer Zeit für Schulungen. Auch wissen viele Mitarbeiter nicht, was von ihnen künftig verlangt wird. Die Untersuchung zeigt, dass Tools und individuelle kognitive Entwicklung nicht reichen. Vielmehr brauchen wir gemeinsame Kommunikationsrichtlinien (mehr zu den technischen Herausforderung der Informationsflut finden Sie hier).

Wie schnell ist schnell genug?

CW: Wie müssten diese Regeln aussehen?

Yates: Bei der Teamarbeit müsste man sich über die erwarteten Antwortzeiten einigen. Doch meist stehen solche Forderungen unausgesprochen im Raum. Jeder im Team glaubt für sich zu wissen, was erwartet wird. Doch es würde viel helfen, wenn man einmal offen darüber spricht. Ansonsten werden die Erwartungen von allen Seiten weiter stiegen und schließlich bei manchen das Gefühl erzeugen, im erreichbar sein zu müssen. Eine Arbeitsgruppe sollte daher klar für eine gemeinsame Kommunikationsmethode entscheiden.

CW: Können Sie ein Beispiel hierfür nennen?

Yates: Ein Team nutzt zum Beispiel bisher E-Mail. Dann kommen Wikis, Blogs oder soziale Netzwerke hinzu (siehe auch wie sich die Zusammenarbeit ins Web verlagert). Dadurch droht die Gefahr, dass nun jeder diese Techniken nach seinen Interessen und Vorlieben unterschiedlich stark nutzt. Das wäre für die Teamarbeit nicht sinnvoll. Es sollte daher zumindest eine Vereinbarung geben, welcher der wichtigste Kommunikationskanal für alle ist.

Zudem sollte für jeden Mitarbeiter klar sein, wie oft er Informationen abrufen muss. Gibt es beispielsweise ein Projekt auf Wiki-Basis (wie beispielsweise bei Fraport), könnte man vereinbaren, dass er zweimal täglich reinschaut. Bei E-Mail könnte die Regel heißen, diese jeden Morgen zu lesen.

CW: Diese Vorschläge funktionieren vielleicht gut in Arbeitsgruppen. Aber was ist mit Unternehmenshierarchien, in denen der Vorgesetze den Rhythmus bestimmt?

Yates: Neue Mitarbeiter müssen lernen, was der Chef von ihnen verlangt. Das ist nun mal so im Arbeitsleben. Doch sollte der Chef seinerseits für mehr Klarheit sorgen, indem er etwa erklärt, wie schnell er Antworten beispielsweise auf seine E-Mail erwartet. Auch kann der Vorgesetzte seinen Mitarbeitern eine bestimmte Arbeitsweise vorgeben, wie sie ihm gegenüber berichten sollen. Das entlastet auch den Chef: "Statt alle 15 Minuten eine Mail zu erhalten, kann er dem Mitarbeiter auffordern, die Dinge in einer Mail zusammenzufassen".

Unternehmen hoffen auf eine technische Lösung des Problems

CW: Wie leiden Unternehmen unter der Informationsflut?

Bei Ehefrauen nicht unbedingt beliebt: Der Blackberry.
Foto: flickr, BrittneyBush

Yates: Dies ist schwer allgemein zu beantworten. Ich kenne aber viele Fälle, in denen einzelne Mitarbeiter unter der Informationsflut leiden. Wir sprachen im Rahmen unserer Untersuchungen auch mit den Ehepartnern der Befragten. Viele von ihnen hassen es regelrecht, dass ihr Partner einen BlackBerry nutzt. Es kommt zu vielen Spannungen in der Beziehung. Manche Befragte verstecken sich deshalb im Badezimmer, um ihre Nachrichten abzurufen.

CW: Wird also in Unternehmen nicht genug getan, um die Nutzung von Informationen besser zu steuern?

Yates: Unsere Gesellschaft beschränkt sich darauf, dem Problem Namen wie "CrackBerry" und andere Suchtbegriffe zu geben, statt es zu adressieren. Meistens warten Unternehmen darauf, dass ihnen die Technik das Problem mit dem Informationsüberfluss löst. Doch wenn wir es den Mitarbeitern überlassen, mit dem Problem allein fertig zu werden, wir die Kommunikation noch fragmentierter als heute werden. Technik ist nur ein Teil der Lösung. Genauso wichtig ist der richtige gemeinschaftliche und persönliche Umgang mit ihr.

CW: Wie gehen Sie persönlich damit um?

Yates: Ich habe mir beispielsweise angewöhnt, erst dann nach Haus zu gehen, wenn sich die verbliebenen Nachrichten im E-Mail-Posteingang ohne scrollen anzeigen lassen. Das führt allerdings manchmal dazu, dass ich auch unwichtige Nachrichten schnell beantworte, nur um sie los zu werden. Fernen mag ich keinen ständigen Telefonate und versuche daher, die Leute dazu zu bewegen, mir stattdessen E-Mails zu schicken. Aber jeder hat da auch im MIT seine eigenen Angewohntheiten und Vorlieben (as).