Mobile Internet-Anwendung bei Union Technik

Effizienter Tankstellenservice

12.06.2003 von von Christoph
Jörg Heilingbrunner, Geschäftsführer der Union Technik GmbH, realisierte eine Vision: Mit Hilfe des Internets revolutionierte sein Unternehmen nicht nur die eigenen Prozesse, der Duisburger Handwerksbetrieb kann heute seine Leistungen auch bundesweit anbieten. Und das, ohne in zusätzliche Servicetechniker oder Fahrzeuge zu investieren.

MIT HIGHTECH oder IT hat das Kerngeschäft von Union Technik eigentlich gar nichts zu tun. Die Servicemitarbeiter des Handwerksbetriebs warten Tankstellen: Sie reparieren kaputte Zapfsäulen, bringen dunkle Preistafeln zum Leuchten oder kümmern sich darum, dass ausgefallene Kühltheken ihre Arbeit wieder aufnehmen. Allerdings sorgt die Informationstechnik, oder besser gesagt das Internet, dafür, dass das Unternehmen diesen Service bundesweit anbieten kann, obwohl es nur 30 eigene Techniker hat. Aber der Reihe nach. ImRuhrgebiet mit seinen Dauerstaus auf den unzähligen Autobahnen verbringenAußendienstmitarbeiter viel Zeit im Auto. Zu viel, fanden Union- Technik-Chef JörgHeilingbrunner und seine Kollegen vor etwa zweieinhalb Jahren. Denn nur wer beim Kunden ist statt auf der Straße, der verdient auch Geld für das Unternehmen.

Kurze Wege = hohe Produktivität

Also stattete man die Fahrzeuge mit GPS-Empfängern aus, die eine Ortung via Satellit möglich machen. Seitdem weiß die Zentrale bis auf 30 Meter genau, wo sich ein bestimmter Mitarbeiter (beziehungsweise sein Auto) gerade befindet. Das macht es möglich, dass immer derjenige zu einem Kunden geschickt wird, der den kürzesten Anfahrtsweg hat. Bei etwa 1000 betreuten Tankstellen ergibt sich durch die kürzeren Fahrzeiten ein enormer Effizienzzuwachs. „Früher waren von der Gesamtarbeitszeit eines Technikers etwa 40 Prozent unproduktiv“, so Heilingbrunner, „heute sind es weniger als 30 Prozent.“

Der nächste Schritt bestand darin, die Außendienstler vor jedem Auftrag mit möglichst detaillierten Informationen über das zu versorgen, was repariert werden soll. Früher gab es lediglich ungefähre Angaben, die aus dem Anlagenverzeichnis in der Buchhaltung stammten. Das genügte aber nicht, um vorher zu wissen, welches Ersatzteil genau gebraucht wird. Und eine telefonische Hilfe ohne Einsatz vor Ort war auf Grundlage dieser Angaben schon gar nicht zu machen. „Die Kunden rufen ja nicht hier an und erklären uns, dass der Brenner nicht geht“, soHeilingbrunner, „sondern die sagen nur, die Heizung ist kaputt.“

Nur einmal pro Woche in der Firma

Damit die Techniker trotzdem schon vorher wissen, was sie erwartet, schuf Union Technik eine Internet-basierte Datenbank, in der etwa 38 000 Gerätebestandsdaten mit 15 bis 20 Attributen je Objekt verzeichnet sind. Dadurch weiß der Mitarbeiter am Telefon bei jeder gemeldeten Störung sofort, um welches Gerät es sich handelt und was vermutlich kaputt ist. Lässt sich dem Kunden nicht durch fernmündlichen Support helfen, wird der Techniker mit dem kürzesten Anfahrtsweg losgeschickt. Wenn er das benötigte Ersatzteil nicht an Bord hat, wird es gleichzeitig per Kurier direkt zum Kunden gebracht. In die Firma kommen die Außendienstler höchstens einmal pro Woche zum Laden. Die Datenbank ermöglicht eine erheblich genauere Planung der Ersatzteilversorgung, die Lagerhaltungskosten sind dadurch um 15 bis 20 Prozent oder 100 000 Euro pro Jahr gesunken.

Und nicht nur die Planung, auch die Organisation der Serviceeinsätze hat man vollständig automatisiert. Alle Informationen über einen Auftrag wie die Adresse des Kunden oder die Art der Störung werden vom System an den „Mobilen Techniker“ gesandt.Mit Hilfe dieser Mischung aus PDA und Tablet- PC organisiert jeder Mitarbeiter seine Arbeit. Missverständnisse gibt es nicht mehr, er muss nichts aufschreiben und kann alle Angaben bei Bedarf noch einmal nachsehen. In jedem der mobilen Computer sind die wichtigsten Gerätedaten hinterlegt. Zusätzlich verfügen sie über eine Mobilfunkkarte im GPRS-Standard.Mit Hilfe dieser Highspeed- Verbindung können sich dieMitarbeiter von unterwegs auch direkt in die zentrale Datenbank einloggen.

Medienbrüche beseitigt

Die Statusmeldungen für jeden Job gelangen ohne Medienbruch ins System, und zwar nach dem Prinzip „Nase“:Erreicht den Techniker ein Auftrag, dann reagiert er darauf wahlweise mit der Übermittlung von zwei Buchstaben: N heißt nein, er lehnt ab, zumBeispiel weil er absehen kann, dass der aktuelle Kunde ihn noch für einige Stunden brauchen wird. A heißt angenommen, er wird den Job machen. Vor Ort angekommen, sendet er ein S für Start - will sagen, dass er jetzt mit der Arbeit beginnt. Anschließend schickt er ein E für erledigt. Diese Rückmeldungen fließen zurück ins System, damit in der Zentrale jederzeit der Status aller Einsätze abgerufen werden kann. Wichtig ist das vor allem deshalb, weil viele Aufträge zeitkritisch sind. Die maximale Reaktionszeit beträgt bei Union Technik vier Stunden, was manchmal allerdings zu lang sein kann. „Wenn am Freitagnachmittag ein hektischer Autofahrer in eine Zapfsäule fährt, dann muss natürlich sofort etwas passieren“, so Servicetechniker René Klimowitsch.

Bevor die „Mobilen Techniker“ angeschafft wurden, lief der ganze Prozess per SMS ab. Doch durch die Beschränkungen der Technik gab es an einer Stelle einen entscheidenden Medienbruch: Einsatzberichte und Lohnscheine 3 Die maximale Reaktionszeit im Störungsfall liegt bei vier Stunden. - etwa 2000 proMonat - wurdenmanuell geschrieben und anschließend ins System eingegeben. Mit der neuen Technik läuft auch das automatisch:Der Techniker füllt die Formulare unterwegs elektronisch im Ankreuzverfahren aus und schickt sie per Funk in die Zentrale. Diese Daten fließen dann nicht nur in die eigene Buchhaltung, das System generiert daraus auch automatisch die Rechnungen. Auf Wunsch bestehen die wiederum nur aus einem Datensatz, der online direkt ins System des Kunden gelangt.

Technisch basiert die ganze Integrationslösung auf der „EENEX Process Integration Platform“ der Mindener Softwarefirma Amadee in Verbindung mit einer von Union Technik selbst erweiterten Bedieneroberfläche, basierend auf einer Oracle-Datenbanklösung und dem ERP-System von Navision.

Datenbank als Steuerinstrument

Entscheidend für den Erfolg eines solchen Projekts ist die millimetergenaue Kenntnis des eigenen Unternehmens, konstatiert Heilingbrunner: „Das Systemhaus kann ja nur dann gut sein, wenn dieProzesse auchgut definiert sind.“Und genau um diese Prozesse und die Pflege der Daten kümmern sich zwei Union- Mitarbeiter - fulltime. Die Datenbank ist so angelegt, dass sie das gesamte Geschäft des Unternehmens steuern kann.

Die vorhandene IT-Landschaft - zum Beispiel ein Navision-System für die Finanzen und Datev für die Lohnbuchhaltung - ist übrigens vollständig erhalten geblieben, es entstanden lediglich XML-Schnittstellen, die sämtliche Anwendungen miteinander verbinden.

Die Idee, mit dieser Technik nicht nur die eigenen Leute, sondern auch Außendienstler von Fremdfirmen zu steuern, hat der Markt vorgegeben. Erstens habe der Kostendruck viele Wettbewerber bereits zur Aufgabe gezwungen, so der Union-Technik-Chef, und deshalb seien Kooperationen sinnvoll. Zweitens wünschten sich große Konzerne wie Total Fina Elf für den Service ihrer Einrichtungen bundesweit einen einzigen Ansprechpartner, gleichzeitig arbeiten die einzelnen Tankstellenbetreiber gerne mit immer denselben, regional verwurzelten Servicedienstleistern zusammen. Über die Union-Technik- Plattform lässt sich beides miteinander verbinden, weil die Einsätze von Fremdfirmen genauso verwaltet werden können wie die der eigenen Leute. Die Aufträge kommen in der Regel von großen Facility-Betreibern, zum Bei- spiel betreut man mittlerweile ein Drittel aller Einrichtungen des Autobahnversorgers Tank und Rast. Für Union Technik arbeiten deutschlandweit verteilt fünf Projektleiter, die Partnerfirmen koordinieren und größere Projekte überwachen.

Diese Partnerfirmen vor Ort agieren de facto als Subunternehmer. Sie können sich auf ein bestimmtes Auftragsvolumen verlassen, erhalten für ihre Arbeit entweder eine Monatspauschale oder pauschalisierte Vergütungen für standardisierte Leistungen. Wichtig sind für Heilingbrunner dabei Verlässlichkeit,Kontinuität und der persönlicheKontakt: „KeinKunde ist glücklich, wenn bei jeder Störung ein anderer Techniker erscheint. Gleichzeitig muss ich auch bei einem Job in Stuttgart wissen, an wen genau ich mich halten kann, wennmal etwas schief gegangen ist.“

Mittlerweile arbeitet Union Technik mit zehn Fremdfirmen in ganz Deutschland zusammen, 40000 Vorgänge pro Jahr werden über das System abgewickelt. Die Auftragsinformationen des „Subunternehmers“ gelangen noch manuell in die zentrale Datenbank. Dass es hier noch einenMedienbruch gibt, liegt vor allem daran, dass Union Technik nicht sämtliche Partnerfirmen mit den 1300 bis 1500 Euro teuren „Mobilen Technikern“ versorgen kann. In umgekehrter Richtung fließt allerdings die Abrechnung für die ausführende Firma über eine SAP-Schnittstelle direkt in deren Buchhaltung. Der Kunde erhält seine Rechnung aus Duisburg und wendet sich bei Problemen ebenfalls direkt an dieUnion Technik.

Geschäftsfeld erweitert

Diese Abwicklung fremder Leistungen ist in den vergangenen Monaten rasant gewachsen, sie macht mittlerweile etwa zwei Drittel des Umsatzes aus. Auf die Frage, ob er nicht schon mal darüber nachgedacht habe, den eigenen Service aufzugeben und nur noch mit der Prozesssteuerung Geld zu verdienen, sagt Heilingbrunner: „Wenn ich mich mal wieder so richtig über meine Leute geärgert geärgert habe, dann nehme ich mir das vor.“ Aber das ist nicht wirklich ernst gemeint. Man müsse die Prozesse einfach aus eigener Erfahrung kennen, um sie kontrollieren zu können, deshalb komme ein Abschied von eigenen Servicetechnikern nicht in Frage. Andererseits kann die Firma durch das Internet weiter wachsen, und zwar ganz ohne zusätzliches Personal und zusätzliche Fahrzeuge. Die Zeiten, in denen etwa Aufzugsfirmen deutschlandweit Niederlassungen gründeten, um jede Störung sofort beheben zu können, sind nach Ansicht von Heilingbrunner vorbei. Statt wie ein kleiner Handwerker agiere er im Grunde wie ein Autohersteller, der über eine Online-Plattform alle Zulieferer termingerecht einbindet.

Umsatz pro Mitarbeiter gesteigert

Und natürlich lassen sich mit der neuen Lösung, die bereits mit dem deutschen Internet-Preis geehrt wurde, nicht nur Tankstellenbetreiber glücklich machen, sondern im Grunde jede Branche, die viele verstreute Filialen unterhaltenmuss. Es laufen bereits Gespräche mit Hotelketten, Schnellrestaurants und Einzelhandelsunternehmen. Es gab sogar schon Versuche,Union Technik das ganze System abzukaufen, was für Heilingbrunner allerdings nicht in Frage kommt.

Die Gesamtkosten der Veränderungen betrugen 450000 Euro, eine Summe, die sich innerhalb von 24 Monaten amortisieren soll. Der Umsatz proMitarbeiter sei deutlich gestiegen, so Heilingbrunner. Und das, obwohl der Druck auf die Preise so enorm sei, dass „wir heute teilweise pro Auftrag 40 bis 50 Prozent weniger erlösen als 1998“. Heilingbrunner: „Wir starten jetzt durch und haben die Perspektive, in Zukunft deutlich mehr Geld zu verdienen als in der Vergangenheit.“

Und wenn die Internet-Revolution im Hause Union Technik nicht stattgefunden hätte? „Dann wären wir jetzt nicht mehr da.“ (ciw)

*Christoph Lixenfeld ist freier Redakteur in Hamburg.