E-Procurement

Ecl@ss-Standard soll internationale Beschaffung vereinfachen

05.05.2008 von Frank Niemann
Der Produktbeschreibungsstandard soll künftig stärker als bisher über Landesgrenzen hinweg E-Procurement-Prozesse unterstützen. Ferner will der Ecl@ss-Verein die Verbreitung der Spezifikation im Mittelstand fördern und sie mit branchenspezifischen Produktklassifizierungen harmonisieren.

Bei der Beschaffung können Unternehmen Geld sparen. Da Firmen auf Rohstoffpreise und Personalkosten nur begrenzt Einfluss haben, bieten IT-Prozesse Potenzial für Verbesserungen. Der elektronische Einkauf (E-Procurement) von Artikeln und Dienstleistungen ist für große Firmen beinah schon ein alter Hut. Nun zeigt auch der Mittelstand Interesse. Er tut dies einerseits aus eigenem Antrieb, da er die Vorteile von E-Procurement erkannt hat. Andererseits zwingen ihn seine Kunden, die er beliefert, bestimmte Standards und Verfahren abzubilden. Einer der einzuhaltenden Standards ist "Ecl@ss", der zum Ziel hat, Produktbeschreibungen im Industriebereich zu vereinheitlichen.

Eindeutige Produktklassifizierungen und Merkmale sind eine Voraussetzung für firmenübergreifende Transaktionen zwischen Kunden und Lieferanten ohne inhaltliche Brüche. Die Software auf beiden Seiten muss entsprechend konfiguriert sein. Die Beschreibung einer Schraube im Katalog eines Schraubenhändlers beispielsweise soll so allgemeingültig sein, dass ein Käufer das gewünschte Produkt anhand von Merkmalen sicher findet und in den elektronischen Warenkorb legen kann.

Ecl@ss nimmt Kurs auf China

Mit Hilfe eines einheitlichen Klassifizierungsstandards lassen sich Geschäftsprozesse effizienter gestalten und Medienbrüche vermeiden.
Foto: Ecl@ss

In Deutschland entstanden, schickt sich Ecl@ss nun an, ein weltweit akzeptierter Standard zu werden. Hinter Ecl@ss steckt ein Verein, in dem Kunden, Lieferanten und Softwarehersteller vertreten sind. Mittlerweile unterhält die Organisation Niederlassungen in den USA, China, Frankreich und Österreich. Die Internationalisierung ist notwendig, da Unternehmen, die in aller Welt produzieren, auch weltweit beschaffen müssen. Siemens beispielsweise hat sich auf Ecl@ss festgelegt. Der Konzern unterhält neun Beschaffungszentren, eines davon in China. Mit dem chinesischen Normungsinstitut führt Ecl@ss derzeit Gespräche, um Anwendern wie dem deutschen Großunternehmen das Ausrollen von IT-gestützten Beschaffungsprozessen zu erleichtern. Dies wird auch ein Thema der Messeaktivitäten von Ecl@ss im Rahmen der Fachmesse "E-Procure & Supply" sein, die vom 7. bis 8. Mai in Nürnberg stattfindet.

Eine Klassifizierung von der Konstruktion bis zur Entsorgung

Wenn ein Lieferant einen Ecl@ss-fähigen Katalog erzeugen will, kann er auf eine Reihe von Katalogwerkzeugen zugreifen. Aus seinen Artikelstammdaten leitet das Unternehmen eine Ecl@ss-konforme Struktur ab, die sich dann an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anpassen lässt. Doch nach den Worten von Thomas Einsporn, Leiter der Ecl@ss-Geschäftsstelle in Köln, eignet sich die Spezifikation nicht für die Beschaffung. "In Zukunft soll Ecl@ss das Produktdaten-Management von der Konstruktion bis zur Entsorgung begleiten", so der Manager. Berücksichtigen bereits die Stammdaten in der ERP-Software die Spezifikation, kann sich ein Lieferant die Konvertierung und Klassifizierung seiner Produktinformationen bei der Katalogerzeugung sparen. Dies setzt natürlich voraus, dass Ingenieure, Einkäufer und Vertriebsexperten unter den Produktbeschreibungen auch das Gleiche verstehen. Hier sollen Normierungen helfen, etwa die des Deutschen Instituts für Normierung (DIN). Zudem arbeiten Einsporn und seine Kollegen daran, das industrienahe Ecl@ss mit anderen, branchenbezogenen Klassifizierungen zu harmonisieren. Dazu zählt das Elektrotechnische Informationsmodell (ETIM) der Elektroindustrie und Proficl@ss, ein Modell für die Bau- und die Haustechnikbranche sowie den Industriebedarf.

Elc@ss wird nicht von dem Verein zentral festgelegt. Vielmehr kümmern sich Fachgruppen darum, das Rahmenwerk ständig anzupassen. Unlängst brachte der Verein die Version 6.0 heraus. Die Vereinsmitglieder haben die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse einzubringen. Künftig soll der Mittelstand besser Einfluss auf die Entwicklung nehmen können. Im Rahmen der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Initiative "Ecl@ss für den Mittelstand" soll ein Serviceportal für diese Anwender entstehen.

Produktkataloge über Google finden

Mittelständische Firmen können eigene Anforderungen an Ecl@ss über ein Serviceportal einbringen.
Foto: Ecl@ss

Schon heute wissen auch mittelständische Lieferanten Ecl@ss für ihre Zwecke zu nutzen. Sie übergeben ihre Kataloge der Suchmaschine Google. Gibt ein Einkäufer eine Ecl@ss-Klassifikationsnummer ein, erscheint, wenn alles klappt, das Produkt des jeweiligen Erzeugers in der Ergebnisliste. Da nicht alle Firmen über geeignete Geschäftsapplikationen verfügen, um Ecl@ss abzubilden, wird es eine ISO-Schnittstelle zu "Microsoft Excel" geben. Ferner sollen Online-Informationsveranstaltungen sowie Beratungen in Sachen Ecl@ss und Stammdaten-Management angeboten werden.

Verbindungsspezialist Reyher befüllt Bestellsysteme der Kunden

Einer der vielen Anwender von Ecl@ss ist der in Hamburg beheimatete Verbindungstechnikhersteller Reyher. Das Unternehmen erhält Produktdaten von einigen seiner Lieferanten per EDI und bereitet sie Informationen für seine Kunden auf. "Wir liefern die Produktdaten so, dass die in die E-Procurement-Systeme unserer Kunden passen", erläutert Helge Barchanski, Leiter E-Business bei Reyher. Die Artikeldaten übermittelt das Unternehmen an das hauseigene ERP-System von SAP.

Daten von 60.000 Artikeln veredeln

Zum Aufbereiten und Veredeln der Daten zu über 60.000 Artikeln von rund 700 Lieferanten greift Barchanski auf eine Produktdaten-Management-Lösung des Spezialisten Heiler zurück. Ein großer Teil der gelieferten Artikel sind Normteile, die mitunter von asiatischen Firmen stammen, die von Ecl@ss noch nie etwas gehört haben. "Die meisten Lieferanten sind nicht in der Lage, ihre Daten in einer Form abzuliefern, wie wir es benötigen", so Barchanski. Von der vom Ecl@ss-Verein angestrebten Internationalisierung von Klassifizierungen würde Reyher besonders profitieren. Gleiches gilt für die geplante Vereinheitlichung der unterschiedlichen branchenspezifischen Klassifizierungsschemata, denn neben Ecl@ss beschäftigt sich der Verbindungsspezialist bei der Datenaufbereitung auch mit Proficl@ss. Heute muss Reyher die Produktinformationen der Lieferanten, die zum Teil über keine eigene IT-Abteilung verfügen, in eine einheitliche Form bringen. Nach Ansicht des E-Business-Experten wird es dabei trotz der Aktivitäten in Richtung einheitlicher Standards noch lange bleiben.

Seinen Kunden stellt Reyher aufbereitete Produktkataloge im Format "BMEcat" zur Verfügung. Über diese Kataloge kann die Einkaufsabteilung des jeweiligen Reyher-Kunden Artikel elektronisch über die eigenen E-Procurement-Applikationen ordern. BMEcat wurde vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) entworfen. Mit dem XML-Datenformat lassen sich Katalogdaten zwischen Applikationen austauschen. BMEcat-Kataloge können Produktdaten enthalten, die gemäß Ecl@ss, Proficl@ss oder ETIM klassifiziert wurden.

Punch-out in den Webshop

Andere Reyher-Kunden hingegen wollen keine elektronischen Kataloge im eigenen Haus pflegen. Diesen Firmen stellen die Hamburger einen Zugriff auf das Webshop-System auf der Reyher-Homepage bereit. Der Einkäufer beim Kunden füllt den Warenkorb, indem er auf den Shop verzweigt ("Punch-out"). Als Schnittstelle dafür dient das Open Catalog Interface (OCI).

Reyher will jedoch nicht nur darauf warten, bis die Standards weltweit spezifiziert sind und genutzt werden. Das Unternehmen arbeitet parallel an einem Verfahren, um aus CAD-Modellen geometrische Merkmale von Produkten abzuleiten, die als Produktmerkmale in die Ecl@ss-Spezifikationen und damit in die Kataloge einfließen können. Zu den Merkmalen einer Schraube zählen die Länge des Gewindes oder die Höhe des Kopfes.