Was Analysten meinen

E.On: Milliarden-Outsourcing perfekt

30.11.2010 von Nicolas Zeitler
Künftig sind weitere Outsourcing-Geschäfte von Energieversorgern zu erwarten. Was Experten zum Milliarden-Outsourcing von E.On sagen.
Unternehmenssitz E.ON in München
Foto: E.On

Was schon als Gerücht in Umlauf war, wurde nun bestätigt: Der Energieversorger E.On lagert einen Teil seines bisher intern erbrachten IT-Betriebs an T-Systems und HP aus. Am 9. Dezember sollen die Verträge unterzeichnet werden. Die Laufzeit beträgt mindestens fünf Jahre - enthalten sein wird auch eine Option, das Outsourcing um höchstens weitere zwei Jahre zu verlängern

Der Kuchen für die beiden Dienstleister wird ein wenig kleiner ausfallen als zuletzt kommuniziert. Auf etwas unter 2,6 Milliarden Euro bezifferte eine E.On-Sprecherin das Auftragsvolumen gegenüber der CW-Schwesterpublikation CIO.de. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte zuletzt noch von rund drei Milliarden Euro geschrieben. In der ursprünglichen Ausschreibung war laut Heise.de von einem Vertragsvolumen zwischen 2,6 und 3,3 Milliarden Euro die Rede. Bestätigt hat E.On Berichte, wonach von dem Gesamtgeschäft etwa zwei Drittel auf HP entfallen und ein Drittel auf T-Systems.

Die 10 Outsourcing-Trends der Zukunft
Die 10 Outsourcing-Trends der Zukunft
US-Marktforscher Gartner zählt zehn Faktoren auf, die die IT-Services-Industrie und damit die IT in Unternehmen künftig immer stärker beeinflussen werden.
1. Hyperdigitalisierung:
Immer mehr Produkte und Dienstleistungen sind digitalisierte Dinge und Services. In etwa zehn Jahren wird weltweit ein Viertel der jeweiligen Bruttoinlandsprodukte auf digitalisierten Produkten und Dienstleistungen basieren.
2. Globalisierung:
Der Trend zur Globalisierung setzt sich fort. Entscheider werden Geschäftspartner, Zulieferer, Kunden und Mitarbeiter aus allen Teilen der Welt haben.
3. Consumerisation:
Verbraucher an die Macht - das gilt jedenfalls für die IT in Unternehmen. Der Begriff Consumerisation umschreibt, wie privat genutzte Smartphones und Laptops in die Arbeitswelt einziehen.
5. Intelligente Technologien:
Nach Jahren der Investition und Entwicklung diverser Anwendungen sind viele Entscheider mit ihrer IT noch immer unzufrieden. Grund: Sinn der IT ist zunehmend, Unternehmen bei Geschäftsentscheidungen zu unterstützen.
6. Sicherheit und Privacy:
Der Trend zur Hyperdigitalisierung bringt es mit sich, dass immer mehr persönliche Daten im Netz kursieren. Für Unternehmen heißt das zweierlei: Sie müssen einerseits gegenüber Verbrauchern und andererseits gegenüber dem Gesetzgeber klarstellen, dass sie für Sicherheit und Schutz der Privatsphäre sorgen.
7. Baukasten statt Fertigbau:
Gartner spricht von der "Componentisation" der IT. Das heißt: IT-Systeme bestehen aus einzelnen Elementen, die in anderen Zusammenhängen wieder- oder weiterverwendet werden können.
8. Harter Wettbewerb:
Outsourcing-Verträge laufen immer kürzer, weil Unternehmen ständig auf der Suche nach einem noch günstigeren Anbieter sind.
9. Wert-Netze:
Entscheider wollen sich für jeden einzelnen Bereich den jeweils besten Provider herauspicken.
10. Hypervertikalisierung:
Anbieter werden sich auf subvertikale Prozesse spezialisieren und branchenspezifisches Wissen aneignen.

Einspareffekt lässt sich nicht beziffern

Wafa Moussavi-Amin von IDC erwartet weitere Outsourcing-Aufträge von Energieversorgern: "Diese Firmen müssen sich stärker auf ihre Kernbereiche fokussieren."
Foto: IDC

Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer für Deutschland und die Schweiz beim Analystenhaus IDC, geht davon aus, dass E.On die ausgeschriebenen Leistungen noch zu einem deutlich geringeren Preis bekommt. Er spricht von unbestätigten Zahlen von knapp über zwei Milliarden Euro. „Man kann davon ausgehen, dass E.On ganz gute Preise verhandelt hat“, meint der Marktexperte. Für HP und T-Systems sei es wichtig gewesen, den Zuschlag zu bekommen, um sich im Geschäft mit Energieversorgern zu platzieren.

Vor dem Hintergrund der von der EU vorangetriebenen Liberalisierung auf dem Energiemarkt rechnet Moussavi-Amin mit weiteren IT-Auslagerungen von Strom- und Gasunternehmen. „Diese Firmen müssen sich stärker auf ihre Kernbereiche fokussieren“, sagt er.

Christophe Chalons von PAC sieht die Energiebranche in Deutschland derzeit noch nicht unter hohem Outsourcing-Druck. Mittelfristig werde sich das womöglich aber ändern.
Foto: PAC

Christophe Chalons von Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC) sieht die Energieversorger noch nicht so stark unter Zugzwang. Auch durch die Liberalisierung sei der Druck bisher nicht so stark gewachsen, dass für Versorger ein Outsourcing aus Kostengründen zwingend sei. „Dieser Druck ist in anderen Branchen wesentlich größer“, sagt der Outsourcing-Experte. Gerade für die drei anderen Branchenriesen in Deutschland – RWE, Vattenfall, EnBW – bestehe kein Grund zur Eile.

Energiebranche bisher "Outsourcing-avers"

Auf lange Sicht hält Chalons es allerdings für wahrscheinlich, dass die bisher eher „Outsourcing-averse“ deutsche Energiebranche mehr IT-Dienstleistungen nach außen vergibt. „Bisher liegt der Outsourcing-Anteil bei den Energieversorgern gerade einmal bei vier Prozent der gesamten IT-Ausgaben, im Durchschnitt über alle Branchen sind es 13 Prozent“, erklärt er. In anderen Ländern lagere die Energiewirtschaft schon in weit größerem Maße IT-Services aus – zum Beispiel in Großbritannien, Nordeuropa und Portugal.

Die IT-Auslagerung ist bei E.On Teil eines konzernweiten Effizienzsteigerungs-Programms mit dem Namen "Perform to Win". Um wie viel effizienter die externe Erbringung der bisher von der Konzerntochter E.On IT GmbH gelieferten Leistungen ist, lässt sich allerdings nicht konkret beziffern. Die E.On-Sprecherin machte keine Angaben, wie viel die nach außen vergebenen IT-Dienstleistungen bei der eigenen IT-Tochter gekostet hätten.

HP ist künftig für die Rechenzentren des Energiekonzerns zuständig und betreut die Anwender. T-Systems verantwortet Netzwerk- und Telekommunikations-Services und ist damit unter anderem für Audio- und Videokonferenzen sowie Datenübertragung zuständig.

Bei der E.On IT GmbH unter Ex-HP-Manager Edgar Aschenbrenner verbleibt nach Angaben des Energieversorgers die Gesamtsteuerung und Verantwortung der Informationstechnologie. Außerdem bleibt die E.On-Tochter zuständig für alle sicherheitsrelevanten IT-Systeme und -Aufgaben - beispielsweise Steuerungssysteme für Energie. Die Zuständigkeit für Applikationen bleibt ebenfalls bei E.On IT angesiedelt. Diese Aufstellung bezeichnet Moussavi-Amin von IDC als „den im Moment besten Weg“ für E.On. Es sei konsequent, Kernbereiche der IT weiterhin intern zu steuern.

Das Outsourcing-Geschäft ist mit einem Wechsel von 1400 Mitarbeitern von E.On zu HP und T-Systems verbunden. E.On betont in seiner Mitteilung, dass der Übergang mit den Mitbestimmungsgremien abgestimmt sei. Länderspezifische Vereinbarungen würden eingehalten, "nationale und kulturelle" Rahmenbedingungen gewahrt.

Wirtschaftlichkeit und Kompetenz von T-Systems und HP entscheidend

E.On-IT-Chef Edgar Aschenbrenner sieht in dem IT-Outsourcing die Möglichkeit, "schlanker und leistungsfähiger" zu werden.
Foto: E.On

E.On-Vorstand Marcus Schenck wird zitiert, die Zusammenarbeit mit den beiden IT-Dienstleistern, die in der Pressemitteilung als "Partner" bezeichnet werden, ermögliche künftig schnellere Reaktionen auf die sich ändernden Bedingungen im Energiemarkt. Der Chef der E.On IT, Edgar Aschenbrenner, sieht laut der Mitteilung in dem Outsourcing-Geschäft eine Möglichkeit, "schlanker und leistungsfähiger" zu werden.

Derzeit beschäftigt die E.On IT GmbH noch rund 3200 Mitarbeiter. Kommendes Jahr dürften es nach dem Mitarbeiter-Übergang noch rund 1800 sein. Die E.On AG ist einziger Kunde ihrer IT-Tochter. E.On IT hat seinen Hauptsitz in Hannover und europaweit Tochtergesellschaften in neun Ländern.

Entscheidend für die Vergabe der ausgeschriebenen Services an T-Systems und HP waren E.On zufolge neben der Wirtschaftlichkeit und Kompetenz der beiden Unternehmen deren Personalarbeit und Erfahrung bei der Eingliederung von neuen Kollegen. Auch rechtliche Vorgaben und die Strategien beider Unternehmen sollen eine Rolle gespielt haben.

Beobachter hatten im Vorfeld HP auch deshalb gute Chancen auf einen Zuschlag ausgerechnet, weil zwei ehemalige HP-Manager inzwischen in führenden Positionen bei E.On arbeiten. Neben IT-Tochter-Chef Aschenbrenner ist das Regine Stachelhaus, die im E.On-Vorstand für das Thema IT zuständig ist.

Smart-Metering-Entwicklungen gemeinsam mit Dienstleistern

Energiekonzern E.On hatte den Aufruf für das Outsourcing-Geschäft im Januar auf der Ausschreibungs-Plattform der Europäischen Union veröffentlicht. Mehr als 20 Bieter sollen anfangs im Rennen gewesen sein. E.On erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 82 Milliarden Euro. Der Strom- und Gasversorger hat mehr als 88.000 Mitarbeiter und bedient in mehr als 30 Ländern um die 26 Millionen Kunden.

Was den Outsourcing-Markt insgesamt angeht, rechnet Moussavi-Amin in Deutschland in den kommenden Jahren noch mit deutlichen Zuwächsen für die Dienstleister. „Bisher hinkt Deutschland im europaweiten Vergleich hinterher“, sagt er. In naher Zukunft sei daher auch noch nicht im großen Stil mit flexiblen Outsourcing-Verträgen zu rechnen sondern eher mit längeren Laufzeiten. „Im Fall von E.On muss man allein schon mit einer Übergangsfrist von etwa zwei Jahren rechnen. Erst in der Folgezeit werden sich dann Einsparungen erzielen lassen“, begründet der Analyst. Erst wenn sich bei einem Unternehmen Outsourcing eingespielt habe, sei mit kürzeren Verträgen zu rechnen.

Christophe Chalons von PAC rechnet für die nahe Zukunft auch mit Aufträgen anderer Art von Energieversorgern an IT-Dienstleister. „Es ist zu erwarten dass Energieversorger neue Systeme gleich zusammen mit Outsourcing-Anbietern entwickeln, beispielsweise in den Feldern Smart Metering und Smart Grid.“

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO . (mhr)