Gefährdete Unternehmensreputation

E-Mails als Risiko

20.01.2012 von Georg Disterer und Gerhard  Knolmayer
Laxer Umgang mit E-Mails ist riskant - besonders für Banken und Versicherungen.

In der Klage der amerikanischen Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) wegen Betrugs gegen die US-Bank Goldman Sachs und den Ermittlungen des US-Senats zur Rolle von Banken in der Finanzkrise hatten interne E-Mails eine hohe Bedeutung. Das zeigt, wie die Reputation eines Unternehmens leiden kann, wenn interne E-Mails öffentlich werden.

Klar ist jedoch, dass die inner- und überbetriebliche Kommunikation per E-Mail noch kräftig zunehmen wird und eine unangemessene oder falsche Nutzung dieses Kommunikationskanals immer größeren Schaden anrichten kann. Beispielsweise können interne und vertrauliche Informationen über Kunden und Lieferanten unbemerkt entweder gezielt oder versehentlich an Dritte geleitet werden. Der eher lockere und oft informelle Jargon in E-Mails kann Mitarbeiter dazu verleiten, Ausdrücke zu verwenden, die aus dem Zusammenhang gerissen missverständlich, unangemessen oder verletzend wirken. Auch widersprechen die in internen E-Mails vermittelten Informationen bisweilen der offiziellen Darstellung eines Unternehmens. Auf diese Weise können Mitarbeiter versehentlich, irrtümlich oder vorsätzlich Schaden anrichten.

E-Mail-Regeln
1. Verfassen Sie Ihre E-Mails knapp und präzise.
Alles was mehr als zwei Seiten umfasst, gehört in eine angehängte Datei.
2. Überprüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik.
In den meisten E-Mail-Systemen gibt es entsprechende Funktionen. Da dies bekannt ist, werden entsprechende Fahrlässigkeiten übel genommen. Fehler suggerieren: Der Autor hat sich entweder für mich keine Zeit genommen oder er ist ein Schlendrian.
3. Beantworten Sie E-Mails schnell.
Reaktionsschnelligkeit ist einer der entscheidenden Vorteile von elektronischer Post. Vor allem auf erwartete Messages sollte zügig geantwortet werden. Wenn man nicht gerade extrem beschäftigt ist, sollte man den Posteingang mehrmals täglich checken. Allerdings ist es nicht nötig, die automatische Benachrichtung (Auto Notify) zu jeder eingehenden E-Mail zu aktivieren - das lenkt zu sehr von der Arbeit ab.
4. Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
Es besteht die Möglichkeit, die Nachricht an eine Gruppe zu versenden, aus der sich vielleicht nur ein Prozent der Beteiligten dafür interessiert. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem man gezwungen ist, dem Handygespräch eines Unbekannten zuzuhören. Wer ohne Notwendigkeit allen antwortet, erzeugt außerdem jede Menge elektronischen Müll. Insbesondere, wenn Anhänge mitgeschickt werden, führt das unnötige Versenden an große Verteiler zu Ressourcenproblemen.
5. Sorgen Sie dafür, dass Ihre E-Mail einfach lesbar ist.
Experton empfiehlt, die E-Mail in einem Stil zu verfassen, der einem schriftlichen Dokument (zum Beispiel Geschäftsbrief) gleicht. Grußformel und Unterschrift (Automatische Signatur) sind selbstverständlich. Außerdem sind kurze Sätze sowie - bei längeren Texten - Absätze zu empfehlen.
6. Halten Sie sich an die rechtlichen Bestimmungen für den E-Mail-Verkehr.
In Deutschland gilt seit Anfang 2007 eine neue Rechtsprechung, der zufolge im Anhang Pflichtangaben über das Unternehmen (Rechtsform, Sitz, Registergericht, Geschäftsführung) vorgeschrieben sind. Außerdem kann es manchmal nützlich sein, Angaben zu Urheberrecht, Vervielfältigung oder sonstige Rechtsklauseln anzuhängen. Im Übrigen sollten Unternehmen Regeln für den E-Mail-Verkehr formulieren (E-Mail-Policy), die regelmäßig zu verbreiten sind, damit auch neue Mitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden.
7. Antworten Sie niemals auf Spam.
Eigentlich eine Binsenweisheit, und doch ein immer wieder gemachter Fehler. Viele Spammer statten ihre Nachricht mit einer Opt-out-Funktion aus, indem die Mail im Betreff-Feld vorgeblich mit "unsubscribe" abbestellt werden kann. Für manche Spam-Programme, die für den automatischen Versand des elektronischen Mülls sorgen, bedeutet eine solche Antwort: Der Adressat ist da, er kann mehr Spam in Empfang nehmen.
8. Nutzen Sie Blindkopien, um Dritte zu informieren.
So bleibt der Verteilerkreis im Unklaren darüber,wer die Nachricht noch erhalten hat.
9. Formulieren Sie den Betreff aussagekräftig.
Nur so ragt die Botschaft aus der Fülle der Spam-Mitteilungen heraus, die heute die meisten Postfächer füllen.
10. Keep it simple.
Es gibt heute viele Möglichkeiten, E-Mails aufzuhübschen (Emoticons, Bilder etc.). Versender sollten vorsichtig damit umgehen, da nicht jedes Mail-Programm damit fertig wird und außerdem Ressourcen verschwendet werden. Zudem sind Emoticons mitunter mit Spyware infiziert. Deshalb: Nichts von unbekannten Quellen herunterladen!
11. Nutzen Sie die Features moderner E-Mail-Programme.
Rückruf: Eine E-Mail, die fehlerhaft oder ohne Anhang versandt wurde, wird zurückgerufen. Sparsam verwenden, lieber Botschaften noch einmal genau checken, bevor sie verschickt werden. Oft werden E-Mails schnell geöffnet und lassen sich nicht mehr zurückrufen. <br/><br/> Automatische Antwort: Die Out-of-Office-Funktion ist wirklich nützlich und sollte angewendet werden! Allerdings sollte man sie schnell deaktivieren, wenn man wieder im Büro ist.<br/><br/> Wiederversenden: Manchmal erreichen E-Mails nie den Adressaten, etwa weil der Mail-Server ausfällt. Mit der Resend-Funktion lassen sie sich umstandslos ein zweites Mal verschicken. Vor dem Versand in die Betreffzeile eine Bemerkung wie "zweiter Versuch" einfügen.<br/><br/>Übermittlungsbestätigung: Nice to have, aber nicht zwingend nötig. Funktioniert auch nicht mit jedem E-Mail-System. <br/><br/>Lesebestätigung: Ebenfalls nice to have.
12. Nutzen Sie E-Mails um Gespräche und Diskussionen anschließend zu bestätigen.
Elektronische Post bietet die Chance, sehr schnell Gesprächsergebnisse aus Konferenzen oder Telefonaten zu protokollieren. So lassen sich für alle Beteiligten die Ergebnisse sichern, bezüglich geplanter Maßnahmen sind alle auf demselben Stand. Was schriftlich fixiert wurde, wird von den Beteiligten ernster genommen.
13. Verlassen Sie sich bei dringenden Informationen nicht auf E-Mail.
Dazu lieber das Telefon benutzen. Es gibt keine Garantie, dass eine E-Mail gelesen wird. Oft wird die Nachricht übersehen, die Lektüre wird vertagt oder die Botschaft wird als vermeintlicher Spam gelöscht.
14. Nutzen Sie E-Mails nicht für unangebrachte Kommunikation.
E-Mail für die Verbreitung von Spam zu missbrauchen, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern möglicherweise auch noch illegal. Und: In den meisten Fällen kann der Absender schnell ermittelt werden.

Besonders heikel ist dies für Finanzdienstleister, denn sie kennen Details zur wirtschaftlichen Situation von Geschäfts- und Privatkunden und verfügen über viele sensible Daten. Eine wesentliche Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit sowohl im Absatz- als auch im Kapitalmarkt ist zudem das Vertrauen ihrer Kunden und die Reputation.

Das Risiko ist demnach erheblich. Um einen genaueren Einblick zu bekommen, wie Unternehmen E-Mails nutzen, haben die Fakultät für Wirtschaft und Informatik der Fachhochschule Hannover und das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern eine empirische Untersuchung bei deutschen und Schweizer Großunternehmen durchgeführt. Dazu wurden mehr als 800 Fragebögen an Aufsichtsratsvorsitzende beziehungsweise Präsidenten von Verwaltungsräten versandt. 95 Bögen wurden beantwortet.

E-Mails gefährden die Reputation

Unternehmen müssen schon heute erheblichen Aufwand betreiben, um die Compliance, also die gesetzlichen, behördlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen, in der Nutzung von E-Mails zu erfüllen. Mit dem Reputationsrisiko durch eine unangemessene Verwendung von E-Mails besteht ein weiterer wichtiger innerbetrieblicher Grund, um organisatorische und technische Maßnahmen zu ergreifen. Die Auswertung der erhobenen Daten zeigt, dass vor allem Banken und Versicherungen das Reputationsrisiko durch E-Mails zumindest erkannt haben. Unternehmen anderer Branchen stufen die Risiken weniger bedeutend ein.

Richtlinien sind üblich

Finanzdienstleister sind sich des Risikos, das von E-Mails ausgeht, in der Regel bewusst. Unternehmen anderer Branchen sind stufen die Bedeutung vergleichsweise geringer ein.

Die Erhebung zeigt, dass Richtlinien zur Kommunikation per E-Mail weit verbreitet sind. Sie stellen die klassische Form organisatorischer Vorkehrungen dar: Fast 95 Prozent der Untersuchungsteilnehmer gaben an, dass in ihrem Unternehmen eine schriftliche E-Mail-Richtlinie für die Mitarbeiter besteht. Darin werden auch selbstverständlich anmutende Themen angesprochen, denn die Kommunikation per E-Mail ähnelt in Form und Inhalt häufig der Konversation per Telefon. Weil die elektronischen Briefe jedoch gespeichert werden und daher nicht so flüchtig sind wie das gesprochene Wort, besitzen sie höhere Evidenz. 96 Prozent der Finanzdienstleiter weisen ihre Mitarbeiter daher ausdrücklich darauf hin, Vertraulichkeit, Geheimhaltung und Datenschutz zu wahren. In Unternehmen anderer Branchen sind es 90 Prozent. Zudem verbieten die Richtlinien in 89 Prozent (Finanzdienstleister) beziehungsweise 82 Prozent der anderen Firmen explizit, belästigende und anstößige Inhalte zu verbreiten.

Vergleicht man die weiteren Vorgaben zum Umgang mit E-Mails, zeigt sich, dass die Regelwerke der Banken und Versicherungen deutlich umfassender und detaillierter sind als die anderer Branchen. 85 Prozent der teilnehmenden Finanzdienstleistungsunternehmen weisen beispielsweise ausdrücklich auf den geringen Schutz unverschlüsselter Mails hin. Von den anderen Unternehmen tun dies nur 69 Prozent. Zudem fordern 58 Prozent der Banken und Versicherungen ihre Mitarbeiter auf, in den E-Mails nur die offiziellen Antworten des Unternehmens darzustellen, während dies nur 46 Prozent der übrigen Firmen betonen.

So lassen sich Risiken verringern

Das Reputationsrisiko durch E-Mails lässt sich mittels einiger einfacher Maßnahmen deutlich senken.

1. Eingeschränkte Nutzung von E-Mails: Verboten werden sollte,

  • betriebliche Inhalte auf private E-Mail-Adressen weiterzuleiten;

  • geschäftliche Mails vom privaten Account zu versenden;

  • belästigende und anstößige Inhalte zu verschicken.

2. Auch selbstverständlich erscheinende Hinweise müssen den Mitarbeitern ausdrücklich mitgeteilt werden:

  • Die E-Mails müssen Vertraulichkeit, Geheimhaltung und Datenschutz wahren.

  • E-Mails stellen offizielle Aussagen des Unternehmens dar.

  • E-Mails genießen einen geringen Schutz vor Einsichtnahme durch Dritte.

  • Bei Bedarf dürfen E-Mails aus betrieblichen Gründen eingesehen werden.

Nutzung privater E-Mail-Adressen

Die Regelungen und Hinweise sind in den Rechtlinien der Banken und Versicherer sind detaillierter als die der Unternehmen anderer Branchen.

Wenn Mitarbeiter keinen Web-Zugang zum internen Mail-Server haben, leiten sie ihre geschäftlichen E-Mails gerne auf ihren privaten Account weiter, um Anfragen auch fern vom Arbeitsplatz beantworten zu können. Aus ähnlichen Gründen senden sie von ihren privaten Adressen geschäftlich relevante E-Mails. Es kann einen unprofessionellen und unseriösen Eindruck hinterlassen, wenn der Geschäftspartner Korrespondenz von einer privaten Absenderadresse bekommt. Auch unter Compliance-Aspekten ist dieses Vorgehen abzulehnen, denn innerbetriebliche Abläufe und Kontrollen werden unterlaufen und E-Mails nicht ordnungsgemäß archiviert. Daher verbieten 85 Prozent der Finanzdienstleister die Weiterleitung geschäftlicher E-Mails auf private Accounts, 65 Prozent untersagen deren Nutzung zum Senden geschäftlicher E-Mails. Andere Unternehmen besitzen diesbezüglich ein geringeres Problembewusstsein.

Einsichtnahme kann erforderlich sein

Es gibt betriebliche Situationen, in denen die Unternehmen die Kommunikation ihrer Mitarbeiter einsehen müssen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Mitarbeiter unvorhergesehen fehlt und die Kontinuität der Betriebsabläufe gefährdet ist, wenn die an ihn adressierten E-Mails nicht bearbeitet werden können. Auch zur betrieblichen Aufsicht und Kontrolle ist teilweise eine Einsichtnahme erforderlich. Diese Anforderung haben vor allem Banken und Versicherungen aufgegriffen. 64 der Befragten haben ihre Mitarbeiter darüber informiert, dass sie bei Bedarf E-Mails öffnen, soweit sie nicht ausdrücklich als privat gekennzeichnet sind. Nur 48 Prozent der Unternehmen anderer Branchen geben ihren Mitarbeitern derartige Hinweise.

Technik kann helfen

Neben den Richtlinien können auch technische Vorkehrungen das Reputationsrisiko reduzieren. So können Filter elektronische Briefe mit prekären Inhalten möglicherweise entdecken und zurückhalten. Die verfänglichen E-Mails werden nicht ausgesendet, sondern an den Absender zurückgeschickt. Zudem ist es möglich, das Weiterleiten betrieblicher E-Mails an offensichtlich private E-Mail-Adressen (oft werden kostenfreie E-Mail-Services genutzt) zu unterbinden. Auch lässt sich die Anzahl möglicher Adressaten pro E-Mail für die meisten Benutzer begrenzen, ohne dass sie in ihrer Arbeit eingeschränkt wären.

Fazit: Häufig fehlt das Risikobewusstsein

E-Mails sind zwar für die inner- und überbetriebliche Kommunikation sehr wichtig, bergen jedoch auch erhebliche Risiken für die Reputation des Unternehmens. Unter Compliance-Aspekten werden E-Mails schon seit geraumer Zeit in vielen Betrieben so behandelt, dass sie gesetzliche, behördliche oder aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus sollten Anwender künftig aber auch verstärkt Reputationsrisiken in der E-Mail-Nutzung beachten. Insbesondere Finanzdienstleister messen diesen Risiken erhebliche Bedeutung zu und reagieren mit detaillierten Richtlinien zur Handhabung von E-Mails. Selbstverständlich erscheinende Vorgaben zur Form und zu Inhalten geschäftlicher E-Mails werden aus Sorge um die Reputation der Unternehmen in E-Mail-Richtlinien gezielt ausgesprochen. Unternehmen anderer Branchen wenden Reputationsrisiken derzeit geringere Aufmerksamkeit zu. (jha)

Strategien gegen die E-Mail-Flut
Schreiben Sie weniger E-Mails
Jede geschriebene elektronische Nachricht provoziert eine oder mehrere Antworten. Weniger, dafür durchdachter und pointierter formulierte E-Mails rufen weniger Nachfragen hervor.
Formulieren Sie eine klare Betreffzeile
Eindeutige Betreffzeilen helfen allen. Der Empfänger weiß mit einem Blick, worum es geht, der Absender formuliert auch für sich selbst klar sein Anliegen.
Keine Kritik in einer E-Mail
Auch sachlich gemeinte Verbesserungsvorschläge kommen per E-Mail vermutlich falsch an. Das persönliche Gespräch schafft schneller Klarheit und ist in den meisten Fällen weniger verletzend.
Feste Lesezeiten einhalten
Deaktivieren Sie alle akustischen und optischen Signale für eingehende Nachrichten. Die erste Stunde am Morgen sollten Sie für wichtige Aufgaben verwenden und keinesfalls für scheinbar witzige Ketten-Mails von Kollegen. Idealerweise sollten Sie nur dreimal täglich Nachrichten lesen und beantworten.
E-Mails am besten gleich bearbeiten
Am effektivsten ist es, E-Mails nur dann zu lesen, wenn man auch zum Antworten kommt. Die "Sofort-Regel" spart Zeit.
Richten Sie ein Ablagesystem ein
Bearbeitete und beantwortete E-Mails sollten Sie möglichst sofort ablegen. Ins Posteingangsfach gehören nur neu angekommene und ungelesene Nachrichten.
Löschen Sie großzügig
E-Mails löschen wirkt befreiend, selbst wenn der Speicherplatz Ihres E-Mail-Accounts besonders groß ist.
Buchtitel: Wenn E-Mails nerven
Die Ratschläge wurden dem Buch "Wenn E-Mails nerven" von Günter Weick und Wolfgang Schur entnommen. (Zusammengestellt von Ingrid Weidner)