Babettes E-Mail "an alle"

E-Mail-Server des Bundestags lahmgelegt

25.01.2012 von Simon Hülsbömer
Weil sie eine banale E-Mail "an alle" schickte, hat die Mitarbeiterin einer Grünen-Abgeordneten für einen Server-GAU und das "Kürschnergate" im Bundestag gesorgt.
Sie haben Post - ob Sie nun wollen oder nicht!!
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Heute morgen um 9.20 Uhr nahm das Drama seinen Lauf. Die bundestagseigene Stelle für Informationsmaterial verbreitete per Rundmail die Botschaft, dass der neue "Kürschner" nun erhältlich sei - das Handbuch "Gesetzliche Grundlagen, Geschäftsordnungen. Deutscher Bundestag - Bundesrat - Bundesregierung". Ein Standardwerk in Berliner Regierungskreisen. Klar, dass jeder das Werk sofort haben möchte. Keine halbe Stunde später kommt deshalb die Antwort von Babette Schulz, einer Karlsruher Wahlkreismitarbeiterin der Grünen-Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: "Liebe Britta, wenn Ihr euch eindeckt, bringt Ihr mir eins mit? Danke und herzliche Grüße, Babette". Dumm nur, dass Babette die Mail per "Allen antworten" verschickt - so geht sie hinaus an weit mehr als 4000 Adressen von Abgeordneten, Fraktionsmitarbeitern und Verwaltungsangestellten.

Über den Hashtag "#kürschnergate" tauschen sich Geschädigte und Beobachter belustigt aus.

Bisher war die Geschichte noch lustig, doch nun wird es ernst. Um 11.20 Uhr kommt die Antwort eines SPD-Büros - wieder an alle. Diesmal geht es schon nicht mehr ganz so banal zur Sache. Von E-Mail-Regeln ist da die Rede und Zurückhaltung beim Verwenden der Funktion "Allen antworten". Im Folgenden dann bricht sich der Wahnsinn Bahn: Auf einmal fühlen sich viele angesprochen - einige machen Witze über DAUs, andere verlangen die Löschung ihrer Adresse aus dem Bundestagsverteiler. Die Mails unter dem Betreff "AW: Kürschners Handbuch Gesetzliche Grundlagen, Geschäftsordnungen" häufen sich und füllen die Postfächer bis zur Unendlichkeit. Alsbald entsteht der Twitter-Hashtag #kürschnergate, unter dem ab sofort Anekdoten, Witze und sogar Verlosungsaktionen gestartet werden. In der Facebook-Gruppe "Babette war's" geht das humorige Fachsimpeln weiter. Quintessenz: Die Mailserver des Bundestags sind überlastet, an ein normales Arbeiten ist heute nicht mehr zu denken. Die IT-Experten sehen sich zu einer allgemeinen Informationsmail gezwungen, in der sie noch einmal vor dem "derzeitigen Missbrauch" des E-Mail-Systems warnen und "Zustellverzögerungen von bis zu 30 Minuten" ankündigen.

Passend da der Tweet eines "hihrince" von 16.55 Uhr, als #Kürschnergate so langsam den Sonnenuntergang entgegen strebt: "Ein Hoch auf die digitale Kompetenz". Vielleicht wäre der Vorfall ja etwas für den Praxistrack "Beispiele aus dem politischen Alltag" auf dem nächsten IT-Gipfel… Und wenn das auch nichts hilft, dann lesen Sie doch unseren Klassiker "14 Regeln für den E-Mail-Verkehr":

1. Verfassen Sie Ihre E-Mails knapp und präzise.
Alles was mehr als zwei Seiten umfasst, gehört in eine angehängte Datei.
2. Überprüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik.
In den meisten E-Mail-Systemen gibt es entsprechende Funktionen. Da dies bekannt ist, werden entsprechende Fahrlässigkeiten übel genommen. Fehler suggerieren: Der Autor hat sich entweder für mich keine Zeit genommen oder er ist ein Schlendrian.
3. Beantworten Sie E-Mails schnell.
Reaktionsschnelligkeit ist einer der entscheidenden Vorteile von elektronischer Post. Vor allem auf erwartete Messages sollte zügig geantwortet werden. Wenn man nicht gerade extrem beschäftigt ist, sollte man den Posteingang mehrmals täglich checken. Allerdings ist es nicht nötig, die automatische Benachrichtung (Auto Notify) zu jeder eingehenden E-Mail zu aktivieren - das lenkt zu sehr von der Arbeit ab.
4. Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
Es besteht die Möglichkeit, die Nachricht an eine Gruppe zu versenden, aus der sich vielleicht nur ein Prozent der Beteiligten dafür interessiert. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem man gezwungen ist, dem Handygespräch eines Unbekannten zuzuhören. Wer ohne Notwendigkeit allen antwortet, erzeugt außerdem jede Menge elektronischen Müll. Insbesondere, wenn Anhänge mitgeschickt werden, führt das unnötige Versenden an große Verteiler zu Ressourcenproblemen.
5. Sorgen Sie dafür, dass Ihre E-Mail einfach lesbar ist.
Experton empfiehlt, die E-Mail in einem Stil zu verfassen, der einem schriftlichen Dokument (zum Beispiel Geschäftsbrief) gleicht. Grußformel und Unterschrift (Automatische Signatur) sind selbstverständlich. Außerdem sind kurze Sätze sowie - bei längeren Texten - Absätze zu empfehlen.
6. Halten Sie sich an die rechtlichen Bestimmungen für den E-Mail-Verkehr.
In Deutschland gilt seit Anfang 2007 eine neue Rechtsprechung, der zufolge im Anhang Pflichtangaben über das Unternehmen (Rechtsform, Sitz, Registergericht, Geschäftsführung) vorgeschrieben sind. Außerdem kann es manchmal nützlich sein, Angaben zu Urheberrecht, Vervielfältigung oder sonstige Rechtsklauseln anzuhängen. Im Übrigen sollten Unternehmen Regeln für den E-Mail-Verkehr formulieren (E-Mail-Policy), die regelmäßig zu verbreiten sind, damit auch neue Mitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden.
7. Antworten Sie niemals auf Spam.
Eigentlich eine Binsenweisheit, und doch ein immer wieder gemachter Fehler. Viele Spammer statten ihre Nachricht mit einer Opt-out-Funktion aus, indem die Mail im Betreff-Feld vorgeblich mit "unsubscribe" abbestellt werden kann. Für manche Spam-Programme, die für den automatischen Versand des elektronischen Mülls sorgen, bedeutet eine solche Antwort: Der Adressat ist da, er kann mehr Spam in Empfang nehmen.
8. Nutzen Sie Blindkopien, um Dritte zu informieren.
So bleibt der Verteilerkreis im Unklaren darüber,wer die Nachricht noch erhalten hat.
9. Formulieren Sie den Betreff aussagekräftig.
Nur so ragt die Botschaft aus der Fülle der Spam-Mitteilungen heraus, die heute die meisten Postfächer füllen.
10. Keep it simple.
Es gibt heute viele Möglichkeiten, E-Mails aufzuhübschen (Emoticons, Bilder etc.). Versender sollten vorsichtig damit umgehen, da nicht jedes Mail-Programm damit fertig wird und außerdem Ressourcen verschwendet werden. Zudem sind Emoticons mitunter mit Spyware infiziert. Deshalb: Nichts von unbekannten Quellen herunterladen!
11. Nutzen Sie die Features moderner E-Mail-Programme.
Rückruf: Eine E-Mail, die fehlerhaft oder ohne Anhang versandt wurde, wird zurückgerufen. Sparsam verwenden, lieber Botschaften noch einmal genau checken, bevor sie verschickt werden. Oft werden E-Mails schnell geöffnet und lassen sich nicht mehr zurückrufen. <br/><br/> Automatische Antwort: Die Out-of-Office-Funktion ist wirklich nützlich und sollte angewendet werden! Allerdings sollte man sie schnell deaktivieren, wenn man wieder im Büro ist.<br/><br/> Wiederversenden: Manchmal erreichen E-Mails nie den Adressaten, etwa weil der Mail-Server ausfällt. Mit der Resend-Funktion lassen sie sich umstandslos ein zweites Mal verschicken. Vor dem Versand in die Betreffzeile eine Bemerkung wie "zweiter Versuch" einfügen.<br/><br/>Übermittlungsbestätigung: Nice to have, aber nicht zwingend nötig. Funktioniert auch nicht mit jedem E-Mail-System. <br/><br/>Lesebestätigung: Ebenfalls nice to have.
12. Nutzen Sie E-Mails um Gespräche und Diskussionen anschließend zu bestätigen.
Elektronische Post bietet die Chance, sehr schnell Gesprächsergebnisse aus Konferenzen oder Telefonaten zu protokollieren. So lassen sich für alle Beteiligten die Ergebnisse sichern, bezüglich geplanter Maßnahmen sind alle auf demselben Stand. Was schriftlich fixiert wurde, wird von den Beteiligten ernster genommen.
13. Verlassen Sie sich bei dringenden Informationen nicht auf E-Mail.
Dazu lieber das Telefon benutzen. Es gibt keine Garantie, dass eine E-Mail gelesen wird. Oft wird die Nachricht übersehen, die Lektüre wird vertagt oder die Botschaft wird als vermeintlicher Spam gelöscht.
14. Nutzen Sie E-Mails nicht für unangebrachte Kommunikation.
E-Mail für die Verbreitung von Spam zu missbrauchen, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern möglicherweise auch noch illegal. Und: In den meisten Fällen kann der Absender schnell ermittelt werden.