Rechtliche Vorgaben beachten

E-Mail-Archivierung und Risiko-Management

30.06.2011 von Renate Oettinger
Zur Art und Weise der E-Mail-Archivierung existieren zahlreiche Normen. Patrick Prestel und Max-Lion Keller stellen sie vor.
Foto: Fotolia, Kobes

Ein Gesetz, das sämtliche gesetzlichen Regelungen mit Bezug zur Archivierung von E-Mails zusammenfassen würde gibt es nicht. Vielmehr hat man sich die entsprechenden Regelungen mühsam aus verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zusammenzusuchen. Dies wird wohl auch ein Grund mit dafür sein, dass sich viele Unternehmer noch immer nicht darüber im Klaren sind, dass der Gesetzgeber sie in bestimmten Fällen konkret zur Errichtung einer effizienten und vor allem sicheren Archivierung von E-Mails verpflichtet hat. Nur wer einen Überblick über die relevanten Gesetze und Verordnungen hat und ein geeignetes Sicherheitskonzept verfolgt, kann sich hier vor rechtlichen Konsequenzen schützen.

Folgende rechtliche Vorgaben sind im Zusammenhang mit der E-Mail Archivierungspflicht zu nennen:

der Sarbanes-Oxley Act (es gibt weltweit tausende von Compliance-Regeln).

Insbesondere aus dem HGB und der AO lassen sich in Deutschland zu Fragen der E-Mail Archivierung unmittelbare Handlungsverpflichtungen ableiten, wobei im Folgenden unterschieden werden soll zwischen der Aufbewahrung der ausgehenden elektronischen Mitteilungen (die "Ausgangspost”) sowie der eingehenden elektronischen Mitteilungen (die "Eingangspost”).

1. Ausgangspost: Welche ausgehende elektronische Post (also etwa E-Mails) ist zu archivieren?

§ 238 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB)

a. E-Mails, die als Handelsbriefe einzustufen sind, müssen archiviert werden

In 238 Abs. 2 (HGB) schreibt der Gesetzgeber für einen Kaufmann die Verpflichtung vor, eine Kopie der abgesendeten "Handelsbriefe” zurückzubehalten bzw. sicher aufzubewahren (sei es in Papierform, als Grafik- oder auch Textdatei). Da man unter einem Handelsbrief jedes Schreiben versteht, welches "der Vorbereitung, den Abschluss, der Durchführung oder auch der Rückgängigmachung eines Geschäfts” (vgl. Bonner Handbuch der Rechnungslegung, § 257, Rn 34) dient, ist damit auch die gesamte in E-Mails gehaltene Geschäftskorrespondenz eines Unternehmens betroffen.

Dazu gehören etwa:

Nicht dazu gehören z.B.

b. Adressat der Archivierungspflicht

Die E-Mail Archivierungspflicht gilt dabei für jeden Kaufmann (vgl. §§ 1,2,3 HGB), Handelsgesellschaften, der eingetragenen Genossenschaft sowie den juristischen Personen i.S.d. §33 HGB. Dagegen gilt die E-Mail Archivierungspflicht nicht für Nichtkaufleute, wie z.B. Kleingewerbetreibende und Freiberufler.

c. Dauer der Archivierungspflicht

Gemäß § 147 Abgabenordnung sind die als Handels- oder Geschäftsbriefe einzustufenden E-Mails sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Nach Ablauf der Frist brauchen die Unterlagen nur noch aufbewahrt zu werden, wenn und soweit sie für eine begonnene Außenprüfung, für eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 AO, für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen, für ein schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren oder zur Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen von Bedeutung sind.

2. § 147 Abgabenordnung (AO)

a. Sonstige E-Mails mit steuerrechtlichem Bezug sind aufzubewahren

Neben den Handels- oder auch Geschäftsbriefen sind auch all diejenigen abgesandten E-Mails aufzubewahren, die in steuerrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sind (vgl. § 147 AO). Das können insbesondere E-Mails sein, die folgende Inhalte enthalten:

Wie muss gespeichert werden?

b. Art der Speicherung

Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse sowie der Eröffnungsbilanz ist es in rechtlicher Hinsicht laut § 147 AO unproblematisch, die E-Mails auch als Wiedergabe auf einem Bildträger (z.B. Fotokopien, Mikrofilme) oder auf anderen Datenträgern (z.B. Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten) aufzubewahren, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten

Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zählen die Grundsätze der Nachvollziehbarkeit (§ 238 I 2 HGB), der Vollständigkeit (§ 239 II HGB), der Richtigkeit (§ 239 II HGB), der Zeitgerechtigkeit (§ 239 II HGB), der Ordnung (§ 239 II HGB) und der Unveränderlichkeit (§ 239 III HGB).

Übrigens: Wer aufzubewahrende steuerrechtlich relevante E-Mails auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist gem. § 147 V AO verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.

Hinweis: Sämtliche E-Mails, die steuerlich relevante Sachverhalte enthalten, sind in elektronischer sowie rechtssicherer Form aufzubewahren bzw. zu archivieren. Nach den vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) reicht es keineswegs mehr aus,

c. Dauer der Archivierungspflicht

Gemäß § 147 Abgabenordnung sind die als Handels- oder Geschäftsbriefe einzustufende E-Mails sechs Jahre aufzubewahren. Sollten die E-Mails dagegen Buchungsbelege, Rechnungen, Bilanzen, Jahresabschlüsse oder auch Lageberichte enthalten, betragen die Aufbewahrungsfristen 10 Jahre, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind.

Nach Ablauf der Frist brauchen die Unterlagen nur noch aufbewahrt zu werden, wenn und soweit sie für eine begonnene Außenprüfung, für eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 AO, für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen, für ein schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren oder zur Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen von Bedeutung sind.

3. Eingangspost: Welche eingehende elektronische Post (also etwa E-Mails) ist zu archivieren?

Hier spielt § 257 HGB und auch wiederum § 147 der AO eine Rolle, wonach jeder Kaufmann verpflichtet ist, empfangene Handelsbriefe in Form von E-Mails geordnet aufzubewahren (vgl. § 257 I Nr.2 HGB). Das Gesetz schreibt hierbei gem. § 257 Abs. 4 HGB eine 6-jährige Aufbewahrungspflicht vor wobei die Aufbewahrungsfrist gem. § 257 Abs. 5 HGB mit dem Schluss des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Handelsbriefe empfangen oder abgesandt worden sind. Nach Ablauf der 6 Jahre können die Handelsbriefe sodann in der Regel vernichtet werden.

§ 147 AO sieht darüber hinaus vor, dass sonstige E-Mails mit steuerrechtlichen Bezügen zu speichern sind. Hierzu kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen (unter I. 2.) verwiesen werden.

Hinweis: Sämtliche E-Mails, die steuerlich relevante Sachverhalte enthalten, sind in elektronischer sowie rechtssicherer Form aufzubewahren bzw. zu archivieren. Nach den vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) reicht es keineswegs mehr aus,

4. Die häufigsten Fragen zum Thema "Rechtssichere E-Mail-Archivierung”

Angesichts der doch recht schwierigen Materie, soll der Übersicht und der Verständlichkeit halber die nachfolgenden Rechtsprobleme im Rahmen einer "FAQ” dargestellt werden:

Frage Nr. 1: Sind auch die Anlagen der Handels- oder Geschäfts-Mails aufbewahrungspflichtig?

Unklar ist oft, ob auch die Anlagen zu den Handels- oder auch Geschäftsmails zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen i.S.d. § 238 II HGB gehören. Dies ist immer dann der Fall, wenn die jeweiligen Mails ohne die zugehörigen Anlagen nicht verständlich sind.

Frage Nr. 2: Sind auch Geschäfts-Mails zu archivieren, die sich auf ein nicht zustande gekommenes Geschäft beziehen?

Für den Fall, dass das Handelsgeschäft nicht zu einem Abschluss gekommen ist, wäre die diesbezüglich geführte Korrespondenz nicht aufbewahrungspflichtig.

Frage Nr. 3: Schreibt das Gesetz bezüglich der E-Mail-Archivierung eine bestimmte Art und Weise vor?

Nein, das Gesetz hält sich hier bewusst zurück bzw. privilegiert keine bestimmte Speichertechnologie. Es kommt nur darauf an, dass eine fälschungssichere sowie dauerhafte Speicherung der Daten in elektronischer Form gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang sind auch die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) interessant.

Danach dürfen zu archivierende E-Mails dürfen nur auf solchen DV-Systemen aufbewahrt werden, die es technisch ermöglichen, dass bei ihrer Wiedergabe eine bildliche Übereinstimmung mit dem Original gegeben ist. Originär digitale Unterlagen sind während der gesamten gesetzlichen Aufbewahrungsfrist in maschinell auswertbarer Form vorzuhalten. Eine alleinige Aufzeichnung auf Mikrofilm oder Papier reicht nicht mehr aus.

Frage Nr.4: Ist es zulässig, die E-Mails in verschlüsselter Form zu speichern?

Ja, dies ist prinzipiell zulässig, soweit die E-Mails bei der anschließenden Lesbarmachung wieder ohne Probleme entschlüsselt werden können. Dagegen ist es unzulässig, verschlüsselte E-Mails an die Finanzbehörden zu übergeben - selbst wenn das jeweilige Entschlüsselungsprogramm gleich mitgeliefert werden sollte.

Frage Nr.5: Was bedeutet eigentlich die revisionssichere Archivierung von E-Mails?

Hierzu hat etwa der Verband Organisations- und Informationssysteme die folgenden zehn Grundsätze zur Revisionssicherheit von elektronischen Mitteilungen (und Archiven) definiert:

Das System muss dem Anwender die Möglichkeit bieten, die gesetzlichen Bestimmungen (BDSG, HGB, AO etc.) sowie die betrieblichen Bestimmungen des Anwenders hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz über die Lebensdauer des Archivs sicherzustellen.

Frage Nr. 6: Sind Rückstellung für die Archivierung zu bilden?

Ja, so entschied bereits am 19.08.2002 der Bundesfinanzhof (BStBl 2003 II S. 131), dass für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen gemäß § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist, im Jahresabschluss eine Rückstellung zu bilden ist.

Kontakt:

Patrick Prestel und Max-Lion Keller, LL.M. (IT-Recht) arbeiten bei der IT-Recht Kanzlei, Alter Messeplatz 2, 80339 München, Tel.: 089 1301433-0, E-Mail: m.keller@it-recht-kanzlei.de, Internet: www.IT-Recht-Kanzlei.de