E-Learning muss schnell, einfach und billig sein

26.11.2002 von Alexandra Mesmer
Lange wurde die Diskussion über E-Learning überwiegend unter technischen Gesichtspunkten geführt. Nun erkennen Hersteller und Anwender, dass die Motivation der Mitarbeiter, die Akzeptanz im Management und die Einbindung der E-Learning-Lösung in einen größeren Qualifizierungsprozess wichtiger sind als neue Features.

"Keine technischen Innovationen. Immer das Gleiche. Nur heiße Luft." Für manche der 450 Besucher war der 8. IT-Trainingskongress in Bonn eine Enttäuschung. Für die meisten aber rückte die Veranstaltung von Synergie Network, bei der sich auch 36 Bildungsanbieter präsentierten, endlich die wichtigen Fragen in den Mittelpunkt: Die Weiterbildungsangebote sollen auf den konkreten inhaltlichen Bedarf und die Zielgruppe zugeschnitten sein. Die Kosten müssen sich in Grenzen halten, Lernerfolg und Nutzen sollten messbar sein.

Zudem werden elektronische Lernmethoden inzwischen nicht mehr als isolierte Komponente in der Weiterbildung betrachtet, sondern als ein Baustein in einem größeren Qualifizierungskonzept. Die Hersteller haben die Erkenntnis, dass man auf Schulungen im alten Stil nicht verzichten kann, in den neuen Mark-ting-Begriff "Blended Learning" (gemischtes Lernen) verpackt und bieten entsprechende Lösungen an.

Quelle: Airin Kassmann

In der Unternehmensrealität kommen Computer- und Web-based Trainings vor allem zum Einsatz, wenn es gilt, den Umgang mit Massenprodukten wie Microsoft Office zu vermitteln oder traditionelle Kurse vor- oder nachzubereiten. „Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir E-Learning brauchen oder nicht“, so Heinz Arzberger, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Comonfour aus Nürnberg. Mit Präsenztraining ließen sich Großgruppen nicht innerhalb kurzer Zeit wirtschaftlich schulen.

Arzberger betreute das Training von 8500 Anwendern in einem Energiekonzern, als dieser auf SAP-Standardsoftware umstellte. Die Mitarbeiter lernten via Computer nur die Module, die sie direkt an ihrem Arbeitsplatz benötigten. Wichtig war allerdings die Unterstützung durch Mentoren, die den Trainingserfolg sicherten.

Ebenso entscheidend ist die Geschwindigkeit, so die Erfahrung von Gabriele Feldmeier, bei Siemens Business Services für das Thema E-Learning zuständig. In einem ihrer Projekte galt es, weltweit 13 000 Vertriebsmitarbeiter auf ein neues Telekommunikationsprodukt zu schulen - und das in drei Monaten. Da sei keine Zeit mehr geblieben, um lange über Fragen wie Lernen am Arbeitsplatz oder zu Hause, multimediale Umsetzung der Inhalte oder Akzeptanz der Anwender zu diskutieren. Dabei entscheidet die Akzeptanz der Betroffenen über den Erfolg eines Projekts.

Der Reifenhersteller Continental etwa hat via E-Learning seine weltweit 22 000 Mitarbeiter in Lotus Notes geschult. Das erste Lernprogramm war nur in englischer Sprache vorhanden, was die Motivation nicht gerade förderte. Also entschied man sich kurzfristig, den Mitarbeitern das Online-Programm in elf weiteren Sprachen zur Verfügung zu stellen.

Wichtig für die Akzeptanz ist vor allem die Benutzerfreundlichkeit eines Systems, wie das Beispiel des Berliner Pharmakonzerns Schering zeigt. "In der Regel ist die Schulung weit weg vom beruflichen Alltag", so die Erfahrung des Schering-Weiterbildungsexperten Walter Rauschenberger. Als die Berliner von Client-Server auf Web-Applikationen umstellten, bastelte der IT-Dienstleister Datango eine Lernhilfe, die in der Software integriert ist: Der Benutzer kann sofort auf Erklärungen zugreifen, ohne einen Kollegen fragen zu müssen oder sich ein Lernprogramm zum Produkt an-ueignen. Rauschenberger nennt das stolz „be-darfsorientierte Just-in-Time-Schulung“. Der Nebeneffekt war, dass die Handbücher, mit denen man früher zusätzlich arbeitete und die mit 35 Euro pro Exemplar zu Buche schlugen, jetzt nicht mehr benötigt werden.

Einige Diskussionen auf dem IT-Trainingskongress zeigten aber, dass es nicht immer leicht ist, Mitarbeiter, die seit zehn oder 20 Jahre dieselbe Tätigkeit ausüben, von Neuerungen und der damit einhergehenden Notwendigkeit des Lernens zu überzeugen. Die Betroffenen sollten darum schon früh informiert, in den Veränderungsprozess eingebunden werden, aber auch klare Zielvorgaben bekommen - so die Ratschläge der Experten.

Die Commerzbank hat es geschafft, die Berührungsängste von 8000 Mitarbeitern im Vorfeld abzubauen, so dass diese gleich am Tag der Freischaltung mit der neuen Vertriebssoftware arbeiten konnten. Da die Software während des Trainingsprozesses noch entwickelt wurde, behalf man sich mit einer Simulation. "Die Mitarbeiter konnten sich mit der Software vertraut machen und fast alle Geschäftsvorfälle beliebig oft ausprobieren, ohne für den Kunden das Wertpapier wirklich zu kaufen", erläutert Projektleiter Thomas Müller von der Commerzbank. In seinen Augen gehört der Freiraum zum Üben neben der Begleitung der Lernenden durch Tutoren oder anderen Ansprechpartner zu den wichtigsten Voraussetzungen, wenn der Wandel gelingen soll.

Über den Erfolg von E-Learning- und anderen Weiterbildungsmaßnahmen entscheidet aber nicht nur das Wohlwollen der Mitarbeiter, sondern auch des Managements. Beim Ingolstädter Autobauer Audi durchliefen insgesamt 42 000 Mitarbeiter eine IT-Qualifizierungsoffensive. Grundgedanke war, IT-Kompetenz von der Bedienung des Intranets über Microsoft Office bis hin zu IT-Strategien zu vermitteln.

Zunächst hatten die Mitarbeiter einen Online-Test zu absolvieren und konnten dann im zweiten Schritt ihre Wissenslücken durch ein elektronisches Lernprogramm auffüllen. Die Inhalte richteten sich nach dem Einsatzgebiet des Beschäftigten. Die Manager etwa hatten sich mit IT-Visionen und E-Business auseinander zu setzen. Doch hier entstanden die größten Schwierigkeiten.

"Die Führungskräfte glaubten, sie wüssten schon alles, und mussten freundlich aufgefordert werden, den Online-Test selbst zu absolvieren und ihn nicht an die Sekretärin zu dele-gieren", gab Klaus Mühleck, Chief Information Officer von Audi, zu. In seinen Augen war es für die Motivation der Mitarbeiter entscheidend, dass auch die oberste Führungsriege die Tests absolvierte und mit gutem Beispiel voranging.

Zündstoff bietet das Thema E-Learning auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen. So wies Rechtsanwalt Stefan Nägele von der PricewaterhouseCoopers Veltins Rechts-anwaltsgesellschaft mbH darauf hin, dass Unternehmen die Arbeitnehmer nicht verpflichten dürfen, zu Hause oder rund um die Uhr zu lernen. Damit verstoßen sie gegen das Arbeitszeitgesetz, das eine Obergrenze von zehn Stunden pro Tag festlegt, oder gegen das Sonn- und Feiertagsgesetz. "Auch wenn die Mitarbeiter gegen diese Regelungen verstoßen, ist es der Arbeitgeber, der mit einem Bußgeld oder auch einer Freiheitsstrafe belegt werden kann", warnte Nägele. In vielen Firmen gebe es noch keine Betriebsvereinbarungen zu E-Learning, obwohl großer Regelungsbedarf bestehe.

Bert Gochermann von der Deutschen Bank räumte ein, dass separate Räume gestellt werden müssen, um ungestörtes Lernen zu ermöglichen. In der Deutschen Bank findet E-Learning nur während der Arbeitszeit statt, da bisher noch nicht festgelegt ist, wie Lernen in der Freizeit kompensiert werden soll.

450 Teilnehmer kamen zum 8. IT-Trainingskongress nach Bonn, um sich über neue Methoden, aktuelle Projekte und die Wirtschaftlichkeit von Weiterbildung zu informieren. Diskussionen und Roundtable-Veranstaltungen behandelten eine große Bandbreite von Themen: Ob nun Stolpersteine und Lösungstipps bei Qualifizierungs-Rollouts, die Umsetzung des neuen IT-Weiterbildungssystems oder die Frage, was E-Learning dazu beitragen kann, um definierte Unternehmenszeile zu erreichen. Wichtige Themen waren zudem hinaus Blended Learning und die IT-Ausbildung. Anders als bei vielen herkömmlichen Kongressen wurde in Bonn tatsächlich diskutiert, nicht nur von den Podiumsteilnehmern, sondern zusammen mit den Besuchern. Da die Zeit aber oft begrenzt war und sich viele Teilnehmer einen weiteren Austausch wünschten, bietet die COMPUTERWOCHE ab 28. November ein Online-Forum zum Thema "Learning" an. Hier können Sie ihre

Erfahrungen, Anregungen und Fragen zum Thema Weiterbildung, E-Learning und IT-Ausbildung loswerden. Interessante Hinweise wird die CW-Redaktion aufgreifen, um auf dieser Basis neue Artikel zum Thema Training zu recherchieren.