Digitalgipfel

Durchwachsene Digitalbilanz der Ampelregierung

20.11.2023 von Martin Bayer
Mit großen digitalpolitischen Ambitionen war die Bundesregierung vor zwei Jahren angetreten. Doch zur Halbzeit der Legislaturperiode sind die Erfolge eher bescheiden.
In den ersten beiden Jahren ihrer Regierungsarbeit hat die Ampel in Sachen Digitalpolitik nicht wirklich geglänzt.
Foto: Juergen Nowak - shutterstock.com

"Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovationen" - so hatte die Ampelregierung vor zwei Jahren gleich das erste Kapitel ihres Koalitionsvertrags betitelt. SPD, die Grünen und FDP hatten sich viel vorgenommen: Die digitale Infrastruktur verbessern, die Verwaltung modernisieren, Bürokratie abbauen sowie Tech-Sektor und Startups stärken.

Zur Halbzeit der laufenden Legislaturperiode fällt die Bilanz der digitalpolitischen Fortschritte allerdings dürftig aus, stellt der eco - Verband der Internetwirtschaft im Vorfeld des Digitalgipfels 2023 in Jena fest. In drei von zwölf untersuchten digitalpolitischen Handlungsfeldern steht die Ampel aus Sicht des Verbands auf Rot. Im Klartext: Es ist keine positive Entwicklung im Vergleich zu den im Koalitionsvertrag formulierten Zielen erkennbar. Dies betrifft die Bereiche

Auf Gelb stehen weitere acht Handlungsfelder:

Lediglich in Sachen Datenpolitik sieht der eco die Ampel-Koalition aktuell im grünen Bereich. Positiv werden in diesem Zusammenhang die im August 2023 beschlossene Datenstrategie und der Data Act bewertet, der auf EU-Ebene den Zugang zu nicht-personenbezogenen Daten verbessern soll. Auch mit dem Recht auf Open Data auf Bundesebene sowie der für 2024 geplanten Gründung eines Dateninstituts sieht der eco die Ampelregierung auf dem richtigen Weg.

Stop and-go in der Digitalpolitik

"Die Verantwortungsdiffusion und Zersplitterung der digitalpolitischen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung bringt die digitale Transformation in Deutschland zunehmend ins Stocken", sagt der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. "Statt ambitionierter Digitalpolitik erleben wir nach zwei Jahren Ampelregierung allenfalls ein Stop-and-go."

Oliver Süme, Vorstandvorsitzender des eco-Verbands, kritisiert vor allem, dass es keine zentrale Instanz für die Koordination des Projekts Digitales Deutschland gibt.
Foto: eco Verband

Es fehle vor allem an einer zentralen Instanz, die die Gesamtkoordination des Projekts Digitales Deutschland in die Hand nehme. "In Unternehmen und eigentlich in jeder Organisation ist es üblich, dass man größere Projekte durch einen Projektleiter steuern lässt, der sicher nicht alle Aufgaben selbst erledigt, aber eben den Gesamtüberblick behält und die beteiligten Akteure steuert", so der eco-Chef. Gerade weil die digitale Transformation ein mehr als komplexes Projekt sei, müsse in der Bundesregierung endlich jemand die Federführung übernehmen, Ziele vorgeben, Prioritäten setzen und die Umsetzung von Teilprojekten überwachen. "Ansonsten dürfte dieses Projekt eher früher als später gegen die Wand fahren."

Aus D16 wird DMK: Digitalministerkonferenz soll dem eGovernment Beine machen

Laut Süme hat die Bundesregierung immerhin "einen Großteil der in der Digitalstrategie aufgegriffenen Projekte begonnen." Doch Vorhaben in Bereichen der Verwaltungsdigitalisierung, dem Ausbau digitaler Infrastrukturen und der Cybersicherheit müssten dringend beschleunigt werden.

Digitalisierung - konsequent und schnell

Das sieht der Digitalverband Bitkom genauso. Im "Monitor Digitalpolitik" untersuchen die Lobbyisten der deutschen ITK-Industrie laufend, wo die 16 Regierungsressorts mit ihren insgesamt 334 im Koalitionsvertrag vereinbarten digitalpolitischen Einzelvorhaben aktuell stehen. Auch hier sieht die Halbzeitbilanz eher mau aus. Gerade 43 Projekte sind abgeschlossen, 231 sind zumindest gestartet, aber immer noch 60 liegen vollkommen brach.

Ralf Wintergerst, Präsident des Bitkom, fordert eine konsequente und schnelle Digitalisierung.
Foto: Giesecke + Devrient

"Wir brauchen Digitalisierung konsequent und wir brauchen sie schnell", sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Vom Digitalgipfel erhofft er sich ein Aufbruchssignal für eine beschleunigte und nachhaltige Digitalisierung sowie entscheidende Impulse für Deutschlands digitale Zukunft. "Wir leben in einer Zeit multipler Krisen und riesiger Chancen", konstatiert Wintergerst. "Wichtig ist jetzt, dass die Kernprojekte der bundesdeutschen Digitalpolitik auch abgeschlossen werden."

eGovernment Monitor 2023: Deutsche Behörden versagen bei Digitalisierung

Vor der Bundesregierung liegt also weiter viel Arbeit. Einen Impuls soll der Digitalgipfel 2023 setzen, der am 20. und 21. November in Jena stattfindet. Rund 1000 Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutieren zwei Tage lang über Themen rund um den digitalen Wandel. "Digitale Transformation in der Zeitenwende - Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert" - so haben die federführenden Ressorts, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Motto für den diesjährigen Gipfel gesetzt. Angesagt haben sich neben Bundeskanzler Olaf Scholz auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing.

Robert Habeck: Digitalisierung braucht mehr Schub

Beide Minister betonen zum Auftakt des Gipfels wie wichtig die Digitalisierung ist. "Noch nie war der Digital-Gipfel so wichtig wie heute", beteuerte FDP-Politiker Wissing. "Die Welt befindet sich im Umbruch", ergänzte sein Kollege Habeck. Angesichts der Herausforderungen in dieser Zeitenwende sei die digitale Transformation ein zentrales Element und Instrument zugleich. Aber der Grünen-Politiker räute auch ein: "Um die Herausforderungen zu meistern, brauchen wir deutlich mehr Schub bei der Digitalisierung."

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck räumt ein, dass es deutlich mehr Schub bei der Digitalisierung braucht.
Foto: penofoto - shutterstock.com

Wichtig wäre aus Sicht der IT-Verbände, dass die Ampelregierung endlich handelt und ihre Digitalagenda umsetzt. "Unsere Welt steht vor großen Herausforderungen", sagt Süme. Digitale und disruptive Technologien könnten in vielfältiger Weise helfen, "brennende gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen". Dafür brauche es aber auch die richtigen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Aktuell sei Deutschland hier nicht gut aufgestellt. "Die Bundesregierung darf ihre im Koalitionsvertrag gesetzten ambitionierten digitalpolitischen Ziele jetzt nicht aus den Augen verlieren."