Novartis und Sulzer Eldim weit vorn

Durchblick in den Montagehallen

10.09.2009 von Andreas Schaffry
Die Echtzeitsicht auf Daten aus der Fertigung: Das ist das Ziel der CIOs. Voraussetzung: Sie müssen produktionsnahe Systeme in kaufmännische Anwendungen wie SAP ERP integrieren. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis und der Komponentenhersteller Sulzer Eldim bringen auf diese Weise mehr Transparenz und Flexibilität in ihre Werkshallen. Und schaffen Schritt für Schritt die perfekte Fabrik.
Ziel einer vertikalen Integration ist die nahtlose Einbindung von den in MES-Systemen gesammelten Daten aus der Fertigungsebene in die Informationsflüsse der ERP-Welt.

In vielen Fertigungsunternehmen stehen CIOs vor einer ähnlichen Ausgangssituation. Ihre Firma wickelt Geschäftsprozesse auf Unternehmensebene von Vertrieb und Marketing sowie Einkauf und Beschaffung über die Produktionsplanung und -steuerung bis hin zu Versand und Service in integrierten ERP-Systemen wie SAP R/3 oder SAP ERP ab.

Die Produktion als Black Box

Dagegen werden die Prozesse auf der Ebene von Maschinen und Werkern durch MES-Lösungen spezialisierter Anbieter, aber auch durch eigenentwickelte Programme oder Excel-Tabellen unterstützt. In den meisten Fällen sind ERP- und Maschinenwelt nur unzureichend miteinander verknüpft. Dadurch ist die Einbindung der fertigungsnahen Systeme in die Informationsflüsse des Gesamtunternehmens, insbesondere in dessen logistische Prozesse, denkbar gering.

Das verzögert die Berichterstattung aus den produktionsnahen Systemen und Management, aber auch Werksleiter, Disponenten und Produktionsplaner haben keine Echtzeit-Sicht auf wichtige Fertigungskennzahlen. Das sind unter anderem Rüstzeiten, Maschinenauslastungen und -ausfälle, Gut- und Ausschussmengen oder Qualitätsrückmeldungen.

Perfekte Fabrik statt schwarzes Loch

SAP zeigt mit der Perfect-Plant-Initiative, wie Fertigungsunternehmen, die SAP ERP einsetzen, die technischen Daten der Fertigungsebene mit den Geschäftsabläufen aus der ERP-Software verbinden und synchronisieren. Kernbestandteile dieses Lösungsszenarios sind die webbasierte Plattform SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) sowie als Lösungserweiterung das MES-System SAP Manufacturing Execution by Visiprise (SAP ME by Visiprise).

SAP MII ist eine auf SAP NetWeaver basierende Anwendungsumgebung. Sie stellt die direkte Verbindung zwischen der Fertigungsebene und den übergeordneten betriebswirtschaftlichen Geschäftsanwendungen her. SAP ME wiederum verwaltet und kontrolliert Vorgänge im Fertigungsbereich und übergibt die Kennzahlen aus den Fertigungs-Systemen in Echtzeit an SAP MII.

Analytische Services in der MII-Lösung ermöglichen eine individuell konfigurierbare und flexible Datenanalyse auf Anwenderebene. Standardmäßig enthält SAP MII bereits analytische Funktionen für die statistische Prozess- beziehungsweise Qualitätskontrolle (SPC/SQC). Die Darstellung der Kennzahlen erfolgt auf webbasierten Benutzeroberflächen, den sogenannten Dashboards, die Endanwender über SAP MII aufrufen.

Das macht die Produktion quasi zu einer "Black Box", denn verlässliche Aussagen zu Produktionsfortschritten oder Materialverbräuchen sind nicht möglich. Da niemand genau weiß, wann das fertige Produkt aus der Werkshalle kommt, müssen häufig bereits vereinbarte Liefertermine storniert und die Versandprozesse korrigiert werden.

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Produktions- und ERP-Welt verbinden

Durch die Einbindung der produktionsnahen Systeme in die Datenflüsse der ERP-Software lassen sich unter anderem Herstellkosten senken, Bestände verringern und der Aufwand bei der Datenerfassung reduzieren.

Daher ist für viele CIOs in Fertigungsunternehmen, aber auch für Führungskräfte aus der Produktion die nahtlose Verbindung zwischen der Produktions- und der ERP-Welt im Rahmen einer vertikalen Integration ein wichtiges strategisches Ziel. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des US-Beratungshauses AMR Research. 56 Prozent von 400 Befragten sehen ihre oberste Priorität darin, die technischen Daten aus der Fertigungsebene mit den Geschäftsabläufen aus der ERP-Software zu verbinden und zu synchronisieren.

Auch Klaus Holzhauser, Berater beim Münchner Analystenfirma Pierre Audoin Consultants (PAC), registriert einen hohen Bedarf sowie eine steigende Nachfrage nach vertikaler Integration. Das gilt insbesondere für Firmen mit komplexer oder stark schwankender Fertigung, etwa aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau sowie aus der Pharmabranche oder der Lebensmittelindustrie.

Weniger Ausschuss, geringere Pufferbestände

Die Vorteile liegen auf der Hand. "Damit sind Daten aus der Produktion unternehmensweit in Echtzeit zur richtigen Zeit, am richtigen Ort verfügbar. Das erhöht die Transparenz deutlich und die Fertigung kann auf Veränderungen oder Nachfrageschwankungen schnell und flexibel reagieren sowie Kosten senken", so Klaus Holzhauser.

Darüber hinaus werden Informationen aus verschiedenen Geschäftsprozessen zusammengeführt und so deren Aussagekraft erhöht. So können Prozesse aus dem Auftrags- und Materialmanagement direkt mit dem Qualitätsmanagement verbunden werden, ebenso produktionsbezogene Auswertungen mit Informationen aus ERP-, SCM-, oder CRM-Anwendungen sowie historischen Daten.

Der Manufacturing Enterprise Solutions Association (MESA) sowie anderen Quellen zufolge können dadurch Ausschüsse um mehr als zehn Prozent und Herstellungskosten um rund fünf Prozent reduziert werden. Pufferbestände verringern sich auf allen Produktionsstufen um bis zu 15 Prozent. Der Aufwand für die Datenerfassung sinkt um bis zu 65 Prozent.

Die perfekte Fabrik schaffen

Auch Software-Hersteller stoßen inzwischen in den Produktionsbereich vor. So hält SAP unter dem Dach der "Perfect Plant Initiative" ein Lösungsportfolio für verschiedene Anforderungen und Bedarfe bereit. Firmen, die SAP ERP einsetzen, wie zum Beispiel der Schweizer Pharmakonzern Novartis oder der Komponentenhersteller Sulzer Eldim, haben mithilfe der webbasierten Plattform SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) standardisierte Integrationsszenarien zwischen Geschäfts- und Produktionswelt erfolgreich umgesetzt. Mit deren Realisierung beauftragten beide Unternehmen den Schweriner IT-Dienstleister Trebing + Himstedt.

SAP MII als zentrale Datendrehscheibe bei Novartis

Bei Novartis fungiert SAP MII als zentrale Datendrehscheibe, die Daten aus der Produktion mit denen aus der Warenwirtschaft verbindet und viele bislang papiergestützte Abläufe eliminiert. Im Ergebnis ist durch den Einsatz der Visualisierungslösung vieles transparenter geworden und die Abläufe werden besser koordiniert. Alle Informationen, die die Produktion betreffen, sind nun in Echtzeit verfügbar, einschließlich der Daten zu Aufträgen, Materialien, Anlagenstatus oder Produktqualität.

Laut Ralph Häfeli, Head of Global IT Systems Novartis Pharma, "stellt SAP MII den Leuten in der Werkshalle diese Daten in effizienter Art und Weise zur Verfügung." Ampelfunktionen zeigen an, ob die Produktion läuft wie geplant oder ob es Störungen gibt und wo diese auftreten. Da die Mitarbeiter während der Arbeit keine Zeit haben, an einen Computer zu gehen, können sie die entsprechenden Daten an Informationsterminals, die nahe der Maschinen aufgestellt sind, abrufen oder sie werden auf Großbildschirme an die Wände der Fabrikhallen projiziert.

Management kennt jeden Maschinendefekt

Darüber hinaus erhält das Management heute jederzeit aktuelle Kennzahlen und Berichte, etwa zur Maschinenauslastung oder zu -ausfällen, denn die hierfür erforderlichen Daten werden nun wesentlich genauer dokumentiert als bisher. So kann es Schwachstellen und Engpässe in der Produktion, wie etwa fehlendes Material, Maschinendefekte oder Zeitverluste in der Fertigung, oder in Arbeitsabläufen besser und schneller identifizieren sowie frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen.

Technisch gesehen zieht die webbasierte Integrationsplattform - unterstützt von einer Reihe interner Dienste - Daten aus den Fertigungs-Systemen sowie fertigungsrelevante Informationen aus den SAP-Anwendungen zusammen. Sie verarbeitet diese und bereitet sie inhaltlich und visuell so auf, dass sie Anwendern, ob Werker oder Manager, die für ihn notwendigen Informationen anzeigen.

Sulzer Eldim kontrolliert Kosten in der Produktion per Knopfdruck

Sulzer Eldim aus dem holländischen Lomm nutzt SAP MII für ein auftragsbezogenes Produktions- und Finanzcontrolling. In der Lösung werden nicht nur die Arbeitsprozesse, sondern auch Arbeitszeiten in der Produktion erfasst. Mitarbeiter können über einfach und komfortabel zu bedienende Touchscreens direkt in die SAP-Manufacturing-Lösung eingeben, wie viel Zeit sie an ihrem Arbeitsplatz für einen Auftrag benötigt haben.

Diese Daten fließen direkt nach SAP ERP, wo sie weiterverarbeitet und aufbereitet werden. Die Unternehmensleitung kann jederzeit per Knopfdruck Kennzahlen aus der Fertigung, etwa zur in der Produktion benötigten Zeit für die täglich produzierten Aufträge sowie zu den Kosten pro Arbeitsplatz und für einzelne Arbeitsschritte.

Effiziente Qualitätskontrolle

Die neue Lösung liefert nicht nur einen wesentlich besseren Überblick über den Produktionsfluss, sondern ermöglicht auch eine effiziente Qualitätskontrolle. Die ist bei Sulzer Eldim besonders wichtig, denn das Unternehmen stellt hochpräzise Komponenten für Flugzeugtriebwerke und Gasturbinenmotoren her, die deren fehlerlosen Betrieb gewährleisten. Kunden und Behörden erheben strenge Anforderungen nicht nur an die Qualität der Bauteile, sondern auch an die administrativen und logistischen Prozesse der Firma. Eine fehlerfreie und transparente Datenerfassung ist da besonders wichtig.

Unerledigte Aufträge von 2.000 auf 600 reduziert

"Seit wir SAP MII nutzen, hat sich auch die Anzahl unerledigter Aufträge von 2.000 auf 600 reduziert und wir erwarten, dass diese Zahl noch weiter sinkt", erklärt Nick Meuter, SAP Anwendungsleiter bei Sulzer Eldim. Mit der Anwendung werden in jedem der drei Produktionsbereiche die Fertigungsaufträge erfasst. Die Auftragsinformationen stehen automatisch auch allen anderen am Produktionsprozess beteiligten Abteilungen, etwa der Produktionsplanung, dem Controlling oder der Qualitätssicherung, zur Verfügung. Gibt es bei Aufträgen Probleme, können berechtigte Mitarbeiter den Auftragsstatus jederzeit per Knopfdruck ändern. Diese werden dann nicht mehr als offene Aufträge weitergeführt.

Seit Sulzer Eldim SAP MII nutzt, hat sich die Anzahl unerledigter Aufträge von 2.000 auf 600 reduziert. Das Unternehmen erwartet, dass diese Zahl noch weiter sinkt.
Foto: Sulzer Ltd

Die neue Lösung sortiert zudem automatisch Fertigungsaufträge aus dem ERP-System in optimaler Reihenfolge. Dadurch kann der Komponentenhersteller Produktionskapazitäten sowie die Materialversorgung nun deutlich besser aufeinander abstimmen und miteinander synchronisieren. Im nächsten Schritt will das Unternehmen mit SAP MII die Leistungsfähigkeit seiner Maschinen messen, um diese noch effizienter einzusetzen. Auch soll die Software künftig am Produktionsstandort in Ungarn eingesetzt werden. Nicht zuletzt ist ein Online-Portal in Planung, über das Kunden in Zukunft aktuelle und transparente Informationen, etwa Qualitätsberichte, zu ihren Produkten abrufen können.