Durchblick im Daten-Wust: Business Intelligence im Mittelstand

12.09.2007 von Carsten Bange
Fehlende Berichterstattung, ungenaue Information und ungenügend definierte Prozesse: Mittelständler kennen die Probleme in der Informationsversorgung so gut wie Großunternehmen. Busines Intelligence kann helfen. Doch Vorsicht: One-size-fits-all-Lösungen passen nicht.

Schmerzlich ist, dass trotz einer zunehmenden Verarbeitung und Speicherung von Daten in Informationssystemen die Informationsversorgung zum Treffen richtiger Entscheidungen – die „Business Intelligence“ (BI) – häufig fehlt. Doch dies wird immer wichtiger: Das Tempo der Verhaltensänderungen von Kunden und Wettbewerbern wird immer höher, die Vernetzung in der Lieferkette wird enger, global agierende Mittelständler müssen auch Transparenz und Informationsaustausch global organisieren, und regulatorische Auflacwm3gen fordern eine immer bessere Dokumentation der betrieblichen Kennzahlen und Entscheidungen.

Das Problem in Sachen Business Intelligence ist dabei in der Regel nicht die Existenz von Daten, sondern die Verfügbarkeit zur erforderten Zeit in der richtigen Form und bei der richtigen Person. Das Problem wird sich weiter verschärfen: Die Datenflut wächst stetig, was sowohl die Identifikation der wirklich wichtigen Informationen als auch die verständliche Aufbereitung der Daten schwieriger macht.

Viele mittelständische Unternehmen reagieren auf die Probleme schlechter Informationsversorgung mit verstärktem Einsatz von Software zur Unternehmenssteuerung. Eine aktuelle Umfrage des Barc (Business Application Research Center)-Instituts unter 250 Unternehmen im deutschsprachigen Raum belegt diesen Trend. Zielgruppe der Marktstudie waren mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 Millionen und einer Milliarde Euro. Während bereits 49 Prozent der befragten Firmen Software zur Unternehmenssteuerung einsetzen, planen weitere 40 Prozent die Anschaffung eines entsprechenden Werkzeugs.

Einfachheit ist angesagt

Die Aufgabengebiete und Einsatzbereiche der BI-Softwarelösungen sind dabei breit gefächert: Das Spektrum reicht von der zeitnahen Berichterstattung über Ablauf und Ergebnisse der Geschäftsprozesse über die Analyse von Kundenoder Lieferantendaten bis hin zu dynamischer Planung und Budgetierung.

Laut der Antworten der Umfrageteilnehmer in der Barc-Studie ist der Einsatz von BI-Lösungen zur Berichtserstellung und -verteilung mit 96 Prozent besonders gefragt, es folgen Datenanalyse (86 Prozent) sowie Planung und Budgetierung (73 Prozent). Mit einer Nennungshäufigkeit von mehr als zwei Dritteln folgt Konzernkonsolidierung.

Neben diesen breit eingesetzten Funktionen werden aber auch Management- Dashboards und Balanced-Scorecard- Anwendungen als Zukunftsthemen identifiziert. Momentan sind diese Einsatzbereiche noch nicht stark verbreitet, aber von mehr als der Hälfte der Befragten sind sie geplant oder werden für sinnvoll erachtet werden. Beiden ist gemein, dass sie das Management mit fokussierten Kennzahlen bedienen, und auch die Einfachheit der Anwendung ist ein wichtiger Aspekt.

Keine Exklusivität mehr

Foto: Buisness Intelligence im Mittelstand

Außerdem ist zu erkennen, dass die Abdeckung mehrerer Einsatzbereiche durch BI-Software zunimmt. Nach Aussage der Umfrageteilnehmer wird langfristig nahezu jeder Anwender von BI-Software Berichtswesen (100 Prozent), Datenanalyse (99 Prozent), Planung und Budgetierung (99 Prozent) sowie Management-Dashboards (91 Prozent) nutzen. Offensichtlich werden die Möglichkeiten der Werkzeuge in allen Anwendungsbereichen besser ausgeschöpft.

Nutzer von BI-Anwendungen sind allesamt Personen mit Informationsbedarf über Geschäftsprozesse, Marktgeschehen oder andere entscheidungsrelevante Sachverhalte. Zusammen mit einer Abflachung von Hierarchien und der Verlagerung dispositiver Verantwortung an eine Vielzahl von Mitarbeitern ist der Adressatenkreis für BI-Software heute nicht mehr nur in der Geschäftsführung zu finden.

Differenzierung als Schlüsselfaktor

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass neben Management und Controlling inzwischen verschiedenste Fachbereiche BI-Werkzeuge in signifikantem Umfang einsetzen: Vertrieb, IT, Buchhaltung, Marketing und Werbung, Logistik, Einkauf, Personalwesen sowie Produktion.

Anhaltende Marktdynamik und technologische Innovation sind nach Einschätzung des Barc-Instituts weitere Faktoren, die für die Verbreitung von BI-Software im Mittelstand sorgen. Trotz der weiterhin anhaltenden Marktkonsolidierung, beispielsweise die Übernahme von Hyperion durch Oracle im Februar 2007 oder die Akquisition von OutlookSoft durch SAP im Mai 2007, ist die Vielfalt an Anbietern groß. Immer wieder gewinnen kleine Wettbewerber mit pfiffigen und günstigen Lösungen schnell Marktanteile. ERPAnbieter wie SAP, Oracle oder Infor investieren massiv in BI als ergänzende Möglichkeiten für ihre transaktionalen Systeme – teilweise direkt integriert in die operativen Prozesse. Neue Start- Ups ersinnen innovative Möglichkeiten für Informationspräsentation, -zugriff und -analyse. Microsoft möchte vor allem den klassischen Excel-Anwendern neue, unterstützende Möglichkeiten bieten – Ende 2007 wird es voraussichtlich so weit sein. Zukünftig ist auch verstärkt mit der Marktpräsenz von Open-Source-Projekten zu rechnen.

Von einer massenhaften Versorgung der Mitarbeiter durch Informationen aus BI-Systemen sind die meisten Unternehmen dennoch weit entfernt. 29 Prozent der befragten Firmen bieten weniger als fünf Prozent der Mitarbeiter Zugang zu Berichten und weitere 26 Prozent zwischen fünf und zehn Prozent der Beschäftigten. Insgesamt ist in fast 80 Prozent der Unternehmen nicht einmal jeder fünfte Mitarbeiter Empfänger von Berichten.

Für das Ziel, sehr vielen Mitarbeitern den Zugriff auf Unternehmenskennzahlen zu ermöglichen (auch „Information Democracy“ oder „BI for the Masses“ genannt), muss also noch einiges getan werden. Entscheidend für eine zunehmende Verwendung von BI-Software ist die Unterstützung unterschiedlichster Nutzerprofile – vom Gelegenheitsanwender, der einen Bericht oder ein Management-Dashboard anschaut, bis zum „Power-User“, der täglich große Mengen Daten intensiv analysiert.

Differenzierung der Funktionen und Werkzeuge ist somit ein Schlüsselfaktor zum Erfolg einer Business-Intelligence- Landschaft. „One size fits all“ ist zum Scheitern verurteilt. Softwareanbieter tragen dieser Notwendigkeit durch Werkzeug-Suiten Rechnung, wobei ein Zusammenhalt der Werkzeuge im Hintergrund durch gemeinsame Services absolut notwendig ist, um einen inkompatiblen Wildwuchs zu vermeiden.

K.-o.-Kriterien sind Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit der Werkzeuge – aber auch eine Senkung der Kosten für Einführung und Betrieb. Neben der verstärkten Nutzung von Management-Dashboards (58 Prozent der Umfrageteilnehmer planen die Nutzung oder halten sie für langfristig sinnvoll) bietet der Einsatz von Internet-Technologie Vorteile für Entwickler und Betreiber von Lösungen.

Durch moderne Softwareplattformen und die vollständig Web-basierte Verteilung von Software mit einem Internet- Browser als Client sinken die Kosten in der Erstellung, Anpassung, Wartung und Verteilung von Software.

Foto: Buisness Intelligence im Mittelstand

Der seit sechs bis sieben Jahren laufende Umstellungsprozess von Desktop-Clients auf Web-basierte Thin-Clients hat gerade für Verteilung und Zugriff auf Berichte sehr gute Lösungen hervorgebracht. Aktuell portieren Anbieter Funktionen für die Berichtserstellung und -administration in den Internet-Browser. Software muss dabei nicht mehr mühselig auf einzelne Arbeitsplatzrechner eingespielt werden, und die zentrale Kontrolle über Benutzerrechte und Datenbereitstellung wird vereinfacht. Anwender profitieren von einer Geräteunabhängigkeit, sodass ein Zugriff oder ein Empfang von Information letztlich überall möglich ist. Auch Anwenderfreundlichkeit und Funktionalität sind inzwischen durch technische Innovation deutlich verbessert worden („Rich Internet Applications“).

Neue Add-Ins für Excel

BI verliert auch dadurch seinen Schrecken, dass neue Entwicklungen den Informationszugriff komfortabler gestalten. Die meisten großen Anbieter von BIWerkzeugen haben in den letzten Versionen ihrer Software neue oder deutlich verbesserte Add-Ins für die Microsoft- Office-Produkte Excel, Powerpoint oder auch Word integriert. Dies ermöglicht jedem Anwender, in seiner gewohnten Office-Umgebung die für ihn relevanten Informationen abzufragen.

Eine weitere Neuerung ist die Verknüpfung von Suchmöglichkeiten innerhalb von Berichts- und Analysewerkzeugen mit denen verbreiteter Suchmaschinen für Texte wie Google oder IBMOmnifind. So findet der Anwender innerhalb seiner Suchumgebung am Arbeitsplatz Berichte und Analysen mit den entsprechenden Schlagworten und kann teilweise Grafiken und Tabellen direkt in der Treffermenge anzeigen. Auch wenn noch manchmal Einschränkungen beispielsweise hinsichtlich der Sprachunterstützung bestehen, wird diese Entwicklung sicherlich Akzeptanz und Nutzung von BI in Unternehmen erhöhen.

BI-Anbieter reagieren

Die Herstellerfirmen reagieren inzwischen auf die wachsende Nachfrage mittelständischer Unternehmen – sowohl durch eine Vereinfachung und Kostensenkung ihrer Produkte als auch durch spezielle Vertriebskonzepte. Branchenkompetenz und regionale Nähe können dabei von den mittelständischen deutschen Softwareanbietern scheinbar gut dargestellt werden. Die großen nordamerikanischen Anbieter setzen häufig auf Implementierungsund Beratungspartner. SAS beispielsweise hat kürzlich angekündigt, sein reines Direktvertriebsmodell aufzugeben und den Mittelstand über Vertriebspartner zu bedienen. Cognos tut dies schon lange und kann auf ein Netzwerk von rund 100 Partner zurückgreifen. Letztlich wird auch Microsoft in den Reigen der Anbieter gegen Ende des Jahres eintreten und sicherlich für weitere Bewegung im Markt sorgen.