DSL - und sonst gar nichts

29.06.2005 von Jürgen Kotschenreuther
Beim schnellen Internet-Zugang hat der Kunde hierzulande kaum Auswahl. Weil die Kabelnetze nicht in Gang kommen und die Telekom den Markt dominiert, beschränkt sich das Angebot auf wenige DSL-Dienste.

Hier lesen Sie ...

  • warum der deutsche Breitbandmarkt unterentwickelt ist;

  • wie Deutschland aufholen will;

  • was DSL noch leisten kann;

  • weshalb Breitbandkabelnetze für mehr Wettbewerb sorgen.

In Sachen Breitbandkommunikation rangiert Deutschland gemessen an der Bevölkerungsdichte in der Europäischen Union nur im Mittelfeld.

Der deutsche Breitbandmarkt ist im internationalen Vergleich unterentwickelt. Die Bundesrepublik hinkt hinter den führenden Ländern her, wie eine aktuelle Studie der EU-Kommission zeigt. Danach betrug der Anteil mit Breitbandanschlüssen versorgter Einwohner Anfang 2005 nur acht Prozent (siehe Grafik "Breitband in Europa"). Weltweit führen mit großem Vorsprung die Internet-Champions Südkorea und Hongkong vor Japan und den USA.

In der Statistik steckt Brisanz, denn ein stärker florierender Breitbandmarkt könnte Wachstum und Beschäftigung in Deutschland voranbringen. Geht es nach dem Willen der Politik, soll das Land in Sachen Broadband Access international schnellstens zur Spitze aufschließen. Dieses Ziel wurde auf dem Breitband-Gipfel in Hannover anlässlich der diesjährigen CeBIT in Gegenwart von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement beschlossen: Noch vor 2010 soll die Hälfte aller bundesdeutschen Haushalte breitbandig ins Internet gehen.

Freie Fahrt auf der letzten Meile

Dazu muss der Wettbewerb stimuliert werden. Weil die Deutsche Telekom den DSL-Zugangsmarkt aber nach wie vor stark kontrolliert und außerdem Kabelnetze noch kaum eine Rolle spielen, ist das Produkt- und Serviceangebot hierzulande immer noch sehr schwach ausgeprägt. Die Folge: Das Breitbandspektrum beschränkt sich beinahe ausschließlich auf DSL.

Die Konkurrenten der Telekom sind jedoch überzeugt, ihre Leistung erheblich steigern zu können, wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Vorleistungsprodukte des Ex-Monopolisten verbessert werden. Dies gilt insbesondere auf der letzten Meile für die Teilnehmeranschlussleitung (TAL), das Line Sharing und den Bitstream Access (siehe Kasten "Glossar").

Heute setzt der DSL-Breitbandmarkt im Wesentlichen auf der TAL der Telekom auf. Hier hat die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Ende April den monatlichen Mietpreis, den die Wettbewerber an die Telekom zahlen müssen, um knapp zehn Prozent auf 10,65 Euro gesenkt. Es wird jedoch bezweifelt, ob diese Preissenkung ausreicht, damit die Betreiber alternativer Netze verstärkt in TAL-basierende Sprach- und Datennetze investieren.

Drahtseilakt der Regulierung

Generell steht die TAL im Mittelpunkt aller Telekom-Vorleistungsprodukte und setzt ge- wissermaßen einen Maßstab: Die Preise der übrigen Zugangsvarianten orientieren sich an ihr. Dies heißt, dass zum Beispiel die Investitionsanstrengungen der Stadtnetzbetreiber nicht durch zu günstige Gebühren im Line Sharing konterkariert werden dürfen. Insgesamt ist der Regulierer gefordert, einen echten Infrastrukturwettbewerb zu gewährleisten, der in die Fläche geht, bislang ungenutzte Wertschöpfungspotenziale erschließt und Angebotsvielfalt schafft.

Glossar

• Teilnehmeranschlussleitung (TAL): Aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung ist die Telekom verpflichtet, Wettbewerbern die so genannte letzte Meile zu vermieten, das heißt die Leitung zwischen der Telefondose des Endkunden und dem Hauptverteiler (HVT) in der Ortsvermittlungsstelle der Telekom.

• Line Sharing: Die Telekom muss den Wettbewerbern Telefonleitungen im Ortsnetz nicht nur komplett, sondern auch teilweise anbieten. Durch die Aufteilung der TAL kann der Kunde über die Telekom telefonieren, den Internet-Zugang aber von einem anderen Unternehmen beziehen.

• Bitstream Access: Dieses Verfahren stellt eine zur TAL und Line Sharing komplementäre Zugangsvariante dar. Der Zugang erfolgt auf höherer Netzebene via ATM- und IP-Schnittstelle. Bitstream Access würde dem Provider die direkte Kontrolle über die Endkundenbeziehung und die flächendeckende Vermarktung eigener innovativer Dienste über das DSL-Netz der Telekom ermöglichen, ist in Deutschland aber noch nicht verfügbar.

Bei dem Telekom-Produkt Line Sharing werden die Preise in Kürze ebenfalls neu festgelegt. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), in dem sich die alternativen TK-Anbieter zusammengeschlossen haben, drängt auf eine kräftige Senkung des Entgelts, damit die Nutzung dieses Vorleistungsprodukts wesentlich rentabler wird. Insgesamt würde dies, so die Organisation, zu einer höheren Nachfrage nach Breitbandanschlüssen führen. Ähnlich wie bei der TAL würde eine Line-Sharing-Preissenkung Investitionen fördern und Infrastrukturwettbewerb stimulieren - allerdings mit Fokus auf die Datenkommunikation.

Brüssel fordert Bitstream Access

Ebenfalls große Hoffnung setzen die Wettbewerber in den Bitstream Access. Dieses Vorleistungsprodukt ist jedoch in Deutschland von der Reg TP noch nicht zugelassen, während es im europäischen Ausland längst Standard ist. Dieses Manko wird als einer der Hauptgründe für die geringe Verbreitung des Breitbands gesehen.

Der Bitstream Access stellt auf höherer Netzebene eine ATM- beziehungsweise IP-Schnittstelle zur Verfügung. Dadurch eröffnet sich den Anbietern die Möglichkeit, direkt über das DSL-Netz der Telekom - also ohne Infrastrukturinvestitionen - eigene Breitbanddienste wie beispielsweise Bildtelefonie oder Videokonferenz flächendeckend anzubieten. Zwar trägt Bitstream Access nicht zur Schaffung neuer Breitbandinfrastrukturen bei, Experten erwarten aber von dieser Zugangsvariante eine stärkere Verbreitung von Breitbanddiensten. Kein Wunder also, dass VATM-Präsident Gerd Eickers vom Regulierer eine schnelle Zulassung des Bitstream Access fordert. Kritik am Fehlen dieses Vorprodukts musste sich die Reg TP auch schon von der EU-Kommission gefallen lassen.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass auch Zugangsalternativen wie Breitbandkabel, Powerline Communications (PLC) und Fiber-to-the-Home (FTTH) sowie Satellit und Wireless Local Loop (WLL) beachtliche Beiträge zur gesamten Breitbandversorgung leisten können. Der Löwenanteil entfällt auf Breitbandkabelnetze.

Wettbewerb durch Kabelnetze

Vorbilder in diesem Marktsegment sind die USA, Kanada, die Niederlande und die Schweiz. Dagegen surfen in Deutschland nur wenige Haushalte über ihr TV-Kabel im Internet. Dabei wären hier Innovation und Wachstum möglich, weil die Kabelnetze durch ihre Kapazitäten für anspruchsvolle interaktive Multimedia-Anwendungen prädestiniert sind.

Unschlagbarer Vorteil der Kabelnetzbetreiber ist, dass sie nicht wie die DSL-Mitbewerber der Telekom von Vorleistungsprodukten auf der letzten Meile abhängig sind. Der direkte Zugang zu Massenmärkten über die eigenen Netze verschafft ihnen Autonomie in der Produktgestaltung. Während die DSL-Liga viel Aufwand in höhere Bandbreiten steckt, um über Internet-basierende Daten- und Sprachangebote hinaus auf höhere Wertschöpfungsebenen der multimedialen Kommunikation zu gelangen, gehen die Kabelnetzbetreiber einen anderen Weg. Sie versuchen, die großen Bandbreitenreserven zu nutzen, um ihre Medien in Richtung Personalisierung und Interaktivität auszubauen. Szenarien von Personal Video Recording (PVR) und High Definition Television (HDTV) über Push-Video-on-Demand bis hin zu Real-Video-on-Demand und interaktivem Fernsehen werden hier diskutiert.

Auf dem Weg zu neuen Multimedia-Dimensionen müssen die Kabel-Provider aber noch einige Vorarbeit leisten: Zu den Aufgaben zählt, die Netze rückkanalfähig zu machen, die Bandbreiten weiter zu steigern und neue Anschlussbereiche zu erschließen. Auf der Tagesordnung stehen ferner Kooperationen mit Inhaltsanbietern. (pg)