DSAG fordert klare SAP-Roadmap

19.09.2006
Die Deutschsprache SAP-Anwendergruppe verlangte auf ihrem diesjährigen Jahreskongress in Leipzig von der SAP eine klare Roadmap für alle Softwarekomponenten bis 2012 sowie Aussagen zur Service- und Supportstrategie.

Klare Aussagen bezüglich des Produkt- und Servicefahrplans sind für die Anwender deshalb wichtig, da sich die SAP-Lösungen in einem enormen Wandel befinden. Je mehr sich der Hersteller Service-orientierten Architekturen (SOA) zuwendet, bei denen Prozesse modelliert statt programmiert werden, desto mehr verändern sich die Kernmodule des ERP-Systems. Mit Letzterem ist die Grundlage des aktuellen Hauptprodukts "Mysap ERP 2005" gemeint, die "ERP Central Component" (ECC), der technische Nachfolger von R/3.

SAP hatte unlängst angekündigt, Mysap ERP 2005 entgegen ursprünglichen Planungen bis 2011 stabil zu halten und neue Funktionen statt über neue Releases in Form von Enhancement Packages an die Kunden auszuliefern (siehe auch: Update: SAP verabschiedet sich von Upgrade-Roadmap für Mysap ERP). Was nach 2011 geschieht, ist noch nicht bekannt. Fest steht nur, dass es ein neues Major-ERP-Release geben soll. Dieser Zeitraum wurde unter anderem gewählt, da SAP die Standardwartung für R/3 4.7, dem letzten Release dieser Software, im Jahr 2011 auslaufen lässt. Dann so das Kalkül der Walldorfer, sollten alle Kunden auf Mysap ERP 2005 umgestiegen sein und wären somit vorbereitet für die nächste Softwareinnovation.

Zudem verlangen die Anwender klare Begrifflichkeiten, was die neue Technik anbelangt. In diesem Zusammenhang habe SAP seine Kunden in der Vergangenheit eher irritiert statt Klarheit zu schaffen. So kritisieren die DSAG-Verantwortlichen die seit Einführung des Begriffs "Enterprise SOA" grassierende Begriffsverwirrung durch den Hersteller. Viele Fachtermini sowie neue Rollen von IT-Experten wie etwa "Solution Architect" oder "Business Analyst" seien für die Firmen kaum greifbar. Unklar sei vielen auch, welche Aufgabe welches Produkt der SAP hat. Wann zum Beispiel sollten Entwickler auf das "Netweaver Developer Studio" zurückgreifen und wann auf das ebenfalls zur Anwendungsentwicklung gedachte "Composite Application Framework"?

Der DSAG-Vorstandsvorsitzende Alfons Wahlers appellierte jedoch auch an die eigenen Mitglieder. In Bezug auf die Umsetzung von Service-orientierten Architekturen hätten SAP-Kunden Nachholbedarf (siehe auch: DSAG beklagt mangelnde Umsetzung in Sachen SOA). Er verweist auf eine eigens dafür organisierte Mitgliederbefragung, nach der sich nur sechs von 100 Unternehmen eine SOA-Strategie zugelegt hätten. Modernisierungen ihrer IT wie etwa der Wechsel von R/3 auf Mysap ERP 2005 vollzögen die meisten nur deshalb, weil die Wartungsgebühren für das Altprodukt stiegen und sie neue Funktionen benötigten, nicht jedoch, weil sie SOAs realisieren wollten.

Der SAP-Vorstandssprecher Henning Kagermann versprach in seiner Keynote, den ERP-Kern weiterzuentwickeln. "Die Kernprozesse werden erweitert, ein Upgrade wird für den Anwender problemlos möglich sein", so der Vorstandssprecher des Softwarekonzerns. Die Standardwartung von Mysap ERP 2005 laufe bis Dezember 2011. Damit ermunterte Kagermann die mehrheitlich noch R/3 nutzenden Zuhörer, das Wartungsende des Release R/3 4.6C zum Anlass zu nehmen, auf das neue Produkt umzusteigen.

Mysap ERP 2005 sei die Plattform, mit der SAP-Kunden Geschäftsprozesse bauen könnten, lockte Kagermann seine Zuhörer. Sie seien in der Lage, Stück für Stück in die Service-orientierte Welt hineinzuwachsen. "Geschäftsprozessplattformen zu verwenden, sind SAP-Anwender gewohnt", so der Firmenchef. Er meint damit R/3-Nutzer, die eigene Funktionen entwickelt und den Softwarestandard modifiziert haben. Dies ging jedoch mit Problemen in punkto Wartbarkeit und Release-Fähigkeit einher, da R/3 dafür nicht gedacht war. Mit Mysap ERP 2005 und Netweaver würden sie ebenfalls in die Lage versetzt, auf Basis einer Plattform eigene Prozesse zu entwickeln, wobei diese Innovationen auf einer höheren Ebene in Form von Modellierung stattfänden. Daher sei ERP 2005 vor allem als SOA-Einstieg für SAPs Bestandskunden gedacht.

Damit auch der Mittelstand für SOA gewonnen werden kann, will SAP zum Jahresende eine Hosting-Lösung einer Geschäftsprozessplattform frei schalten. Während Firmen dieser Größenordnung SAP-Produkte wegen ihrer Komplexität bislang oft gemieden haben, soll die Hosting-Plattform diese Berühungsängste ausräumen.

Es bleibt jedoch problematisch, SOA im Unternehmen zu etablieren, da bisher nur die Techniker davon sprechen, mahnte Wahlers. Die ebenfalls einzubindenden Fachbereiche durchdringen die Konzepte noch nicht (siehe auch: DSAG: "Fachbereiche kennen SOA nicht"). "Zu technisches Denken birgt das Risiko, Chancen zu verpassen", so Wahlers. "Enterprise SOA bleibt ein IT-Thema, aber wir müssen anders an die Fachbereiche herantreten." Die Fachanwender wollten, dass die IT neue Geschäftsprozesse rasch umsetzt - an Service-orientierten Architekturen seien sie gar nicht interessiert. Die IT-Experten im Unternehmen hätten künftig jedoch nicht mehr nur interne Kunden (Fachbereiche), sondern müssten sich auch mit externen Klienten auseinandersetzen. Dazu zählen Lieferanten und Kunden, mit deren IT-Prozessen sich die Firma verschalten muss.

Verändern werde sich Kagermann zufolge jedoch auch die Art, wie Software entwickelt wird. Während in der Autoindustrie die Fertigungstiefe durch Einbindung von Zulieferern immer weiter verflache, würden IT-Abteilungen der Unternehmen noch immer größtenteils alles selbst entwickeln. Künftig werde aber auch hier die Industrialisierung Einzug halten. Voraussetzung sind jedoch Standards. Der SAP-Chef meint damit allerdings mehr als technische Spezifikationen wie XML. Darüber hinaus seien vor allem semantische Standards für Geschäftsobjekte erforderlich, die allen Beteiligten, also internen wie externen Partnern, verständlich sind. (fn)