Drucker- und Kopierermarkt verschmelzen

16.04.2002 von Sabine Prehl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Druckerbranche gibt sich optimistisch. Vor allem von Office-Geräten, die kopieren, drucken, scannen und faxen können, erhoffen sich die Hersteller steigende Umsätze. Auch der Farbdruck verspricht enormes Wachstumspotenzial, heißt es in Fachkreisen.

Der Druckermarkt beginnt sich zu erholen. Laut Gartner Dataquest wurden im vergangenen Jahr in der Region Europa/Mittlerer Osten und Afrika (Emea) 1,4 Prozent mehr Printer als im Jahr 2000 abgesetzt. Im vierten Quartal 2001 betrug die Steigerung sogar 5,4 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der Löwenanteil der Gesamtumsätze (nach Stückzahlen knapp 80 Prozent) entfällt auf das Geschäft mit Tintenstrahldruckern. Laut IDC gingen im vergangenen Jahr weltweit 68 Millionen Tintenstrahler über die Ladentheke - 30 Prozent davon wurden an Firmenkunden verkauft.

Im Unternehmen dominiert nach wie vor die Lasertechnik: 2001 setzten die Anbieter elf Millionen Schwarzweiß-Geräte und 0,8 Millionen Farbdrucker auf Laserbasis ab. Auch der deutsche Markt für Monochrom-Laserdrucker ist mit 1,1 Millionen verkauften Geräten im vergangenen Jahr gewachsen - laut Dataquest um drei Prozent. Unangefochtener Marktführer in diesem Segment ist hierzulande Hewlett-Packard mit einem Marktanteil von 40,3 Prozent im vierten Quartal 2001 - gefolgt von der Kyocera Mita Deutschland GmbH mit knapp 20 Prozent. Die folgenden Plätze belegen Canon (11,8 Prozent), Brother (elf Prozent) und Lexmark mit 8,7 Prozent.

Große Unterschiede gibt es zwischen den Geräten der einzelnen Anbieter nicht mehr. Nach den Worten von IDC-Analyst Keith Kmetz wird es immer schwieriger, sich ausschließlich über Hardwarespezifikationen wie Geschwindigkeit oder Druckqualität zu positionieren. „Die Diskussion über Seite pro Minute und dpi ist relativ akademisch geworden“, bestätigt Michael Wesse, verantwortlich für den Geschäftsbereich Office Systems beim Kopierer- und Druckerspezialisten Xerox. Die Hersteller setzen daher verstärkt auf die Integration mehrerer Funktionen in ein Gerät, auch „Multifunctional Printing“ (MFP) genannt. Da die Produkte sowohl aus der Kopierer- als auch aus der Druckerwelt stammen, sind verlässliche Zahlen momentan schwer zu ermitteln. Doch die Branche ist sich einig, dass der Trend zur

funktionalen Verschmelzung geht.

Hintergrund ist die sinkende Bedeutung des Kopierens im Zuge der Digitalisierung. Statt Dokumente mehrfach zu kopieren und per Post oder Fax zu versenden (Print and Distribute), werden Informationen zunehmend per E-Mail verschickt und anschließend ausgedruckt (Distribute and Print). Auch durch die steigende Internet-Nutzung gewinnt der Drucker gegenüber dem Kopierer an Bedeutung. Bei Hewlett-Packard (HP) etwa entfallen nach Angaben von Produkt-Manager Oliver Doll mittlerweile nur noch zehn Prozent des gesamten Papiervolumens auf Kopiervorgänge - der Rest werde ausgedruckt. Der Druckermarktführer sieht hier die Chance, mit kopierfähigen Netzwerk-Printern, die zum Teil zusätzlich als Scanner und Faxgerät fungieren, vor allem der Kopiererbranche Marktanteile abzunehmen. Denn die klassischen Kopierer haben, so Doll, nur noch bei Nischenanwendungen wie Sortieren und Heften einen Vorsprung.

Kopierer werden zu Druckern

„Der Markt für analoge Kopierer ist praktisch tot“, bestätigt Xerox-Mann Wesse. Da die analogen Geräte keinerlei Zusatznutzen bieten, habe sich Xerox bereits seit zwei Jahren aus diesem Geschäft zurückgezogen. „Selbst wenn das Gerät ausschließlich zum Kopieren angeschafft wurde - mit einem digitalen Kopierer hat man zumindest die Möglichkeit, auch zu drucken.“ Die Mehrfachnutzung nimmt zu: Laut Gartner werden bereits heute 45 Prozent aller printfähigen Kopierer zum Drucken eingesetzt.

Xerox hat nach eigenen Angaben als einer der ersten Anbieter damit begonnen, auf Multifunktionsgeräte zu setzen. Im Wachstumssegment der zwölf bis 90 Seiten pro Minute schnellen Drucker hat das Unternehmen mittlerweile ausschließlich modular aufgebaute Produkte im Sortiment, die sich um Zusatzfunktionen erweitern lassen. „Bei uns ist jedes zweite System vernetzt und damit schon von Haus aus multifunktional“, so Produkt-Manager Wesse. „Jetzt hoffen wir, dass die Kunden auf den Zug aufspringen und ihre Systeme um die zusätzlichen Optionen aufstocken.“

Mit dem Ziel, ihre Kopierer mit Druck- und Netzwerkfunktionen auszustatten, hat auch die Kyocera Mita Corporation, die weltweit fast zwei Drittel ihrer Gesamtumsätze mit Kopiergeräten erwirtschaftet, ihre Geschäftsbereiche für Drucker und Kopierer vor zwei Jahren zusammengelegt. Das Management von Ricoh hofft ebenfalls, den Umsatz mit einer modularen Architektur seiner Produkte ankurbeln zu können: Nach dem Motto Multifunction plus Print lassen sich die Kopierer des Unternehmens mit Druck- und Netzwerkfunktionen aufrüsten.

Welcher Ansatz der bessere ist - die Ausstattung von Kopierern mit Print- und Netzwerkfunktionen oder die Erweiterung von Abteilungsdruckern um Kopierfähigkeiten - wird je nach Hersteller unterschiedlich ausgelegt. So pocht der Druckergigant HP auf seine IT-Kompetenz: „Die Einbindung eines Printers ins Netz ist eine heikle Angelegenheit - das können wir mit unserer Erfahrung besser als ein Kopiereranbieter“, behauptet Produkt-Manager Doll.

Gute Qualität bieten alle Geräte

Kopiererspezialisten wie Ricoh oder Xerox, die seit Jahren auch im Druckergeschäft aktiv sind, weisen solche Behauptungen zurück. Entscheidend für die Produktqualität ist laut Xerox-Mann Wesse nicht das IT-Knowhow - das könne man heute bei jedem Anbieter voraussetzen -, sondern die Produktstrategie. So sei ein Office-Gerät, das von vorneherein als MFP-System konzipiert wurde, in der Regel schneller, produktiver und bedienfreundlicher als etwa ein Kopierer, in den nachträglich eine Druckkarte gesteckt wurde. Zum Beispiel sei HPs Kombigerät „Mopier“ damals gefloppt, weil die Einheiten zum Drucken und Scannen nicht aufeinander abgestimmt gewesen seien.

Nach Ansicht von Malcolm Hancock, Principal Analyst bei Gartner, bieten die meisten der heutigen Systeme gute Qualität - unabhängig davon, ob es sich um ein Mehrfachfunktionsgerät auf Drucker- oder auf Kopiererbasis handle. Der einzig relevante Unterschied liege in der jeweiligen Sourcing-Strategie des Kunden. Gemeint ist, dass geschlossene Kopierer traditionell nicht über die IT-Abteilung gekauft, sondern über den wenig IT-erfahrenen und kostenbewussteren Einkauf geleast werden. Bei netzwerkfähigen Kopiersystemen oder Multifunktionsgeräten sei das anders. Automatisch würden hier mehr Personen in den Entscheidungsprozess einbezogen, was zu Kompetenzkonflikten führen könne.

Was die Geräte selbst angeht, sind laut Hancock Funktionalität und Bedienungsfreundlichkeit die entscheidenden Kriterien - egal ob die Basis ein Drucker oder ein Kopierer ist. Ähnlich sieht es Herbert Uhland, Marketing-Leiter bei der Ricoh Deutschland GmbH: „Bei uns beruhen die Produkte auf derselben Technologie - und das wird bei den anderen Herstellern nicht anders sein.“ Es komme vielmehr darauf an, eine möglichst breite Produktpalette anzubieten, um auf die unterschiedlichen Einsatzgebiete, Qualitätsanforderungen und Preisvorstellungen reagieren zu können. Auch beim Druckerhersteller Lexmark steht das Thema Investitionssicherheit im Vordergrund: „Der Anwender braucht skalierbare Systeme, die es ihm ermöglichen, bestimmte Funktionen je nach Bedarf nachzurüsten“, so Regine Mudrack, Leiterin Produkt-Marketing und Kommunikation.

Die Vorteile der Integration verschiedener Funktionen liegen auf der Hand. Abgesehen vom geringeren Platzbedarf der Multitalente ergeben sich durch die Nutzung von Synergieeffekten für die Anbieter kürzere Entwicklungszeiten und für die Kunden qualitative Verbesserungen gegenüber den auf einzelne Funktionen beschränkten Geräten. Aber auch das Einsparpotenzial gilt als schlagendes Argument: Den Analysten von Gartner zufolge kann der Umstieg von mehreren spezialisierten Geräten auf ein einziges Multifunktionsprodukt vor allem kleinen und mittleren Unternehmen viel Geld sparen. Durch eine gemeinsame Netz-Schnittstelle und Benutzeroberfläche etwa lassen sich die Ausgabegeräte leichter ins Netz einbinden und verwalten.

Einsparmöglichkeiten ergeben sich auch durch einheitliches Verbrauchsmaterial und Zubehörkomponenten wie Papierkassetten oder Sorter. „Der Bestellvorgang ist einfacher und damit billiger, bei der Wartung des Geräts braucht man nur noch einen Servicepartner“, rechnet Lexmark-Expertin Regine Mudrack vor. „Und schließlich spart man auch am Schulungsaufwand.“

Der in der Branche erwartete Siegeszug der Alleskönner wird für die Hersteller jedoch nach Einschätzung von Analysten zu einer Kannibalisierung ihres Druckergeschäfts führen. Mittelfristig sind herkömmliche Office-Printer zwar weiter gefragt, da das Druckvolumen kontinuierlich ansteigt. „Auf Dauer werden sie aber von den Multitalenten abgelöst werden“, ist auch Xerox-Mann Wesse überzeugt. Dagegen will Lexmark auch in Zukunft zusätzlich zu den Multitalenten reine Abteilungsdrucker anbieten. Herbert Uhland von Ricoh glaubt ebenfalls, dass beide Ansätze auf Dauer Bestand haben: „Es gibt nach wie vor viele Bereiche, in denen das Ausgabegerät ausschließlich zum Drucken eingesetzt wird - da wäre ein Multifunktionsgerät ja völlig überdimensioniert.“