Sourcing

Drei Thesen zur Zukunft von Freelancern

03.07.2008 von Andreas Stiehler
Das bringt die Zukunft den externen IT-Spezialisten: Der Bedarf an Freelancern steigt, sie schlüpfen häufiger in die Rolle von Beratern, werden die klassischen und etablierten Beratungshäuser aber nicht ablösen.

Für die aktuelle Marktstudie "Einsatz externer IT-Spezialisten in Deutschland 2008 - Bedarf, Management und Sourcing-Strategien", hat Berlecon im Auftrag des Spezialistenrekrutierers Hays AG 160 Sourcing-Verantwortliche in deutschen Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern befragt. Die Ergebnisse der Studie liefern die Grundlage für drei Thesen zum zukünftigen Einsatz der IT Freelancer in deutschen Unternehmen.

These 1: Die Nachfrage nach Freelancern steigt

Der IT-Freelancer-Einsatz hat sich in Deutschland etabliert: So kommen laut Studie bereits heute in zirka 70 Prozent der Unternehmen externe IT-Spezialisten zum Einsatz. Und legt man den kurzfristig erwarteten Bedarf der Befragten zu Grunde, dann wird dieser Anteil bis Sommer 2009 auf über 80 Prozent ansteigen. Und nicht nur der Anteil der Unternehmen mit IT-Freelancern im Einsatz wird sich erhöhen - die Studienresultate lassen vielmehr auch erwarten, dass im Durchschnitt mehr externe IT-Spezialisten pro Unternehmen zum Einsatz kommen und sich damit der Anteil der Externen in den Unternehmen insgesamt erhöht.

Foto: Berlecon Research

Angesichts Personalmangels, Projektstau und steigenden Forderungen der Fachbereiche - also den Herausforderungen, mit denen sich viele IT-Verantwortliche herumschlagen müssen - können diese Ergebnisse kaum verwundern. Den IT-Verantwortlichen fehlt es schlicht an internen Ressourcen, um schnell und flexibel auf die steigenden Bedürfnisse des Business zu reagieren. Hochqualifiziertes IT-Fachpersonal ist dagegen rar und teuer. Zudem sind viele IT-Spezialisten nicht unbedingt darauf erpicht, in einer Festanstellung mit durchschnittlichem Gehalt zu versauern. Um Ressourcenengpässe kurzfristig zu überbrücken, bleibt IT-Verantwortlichen häufig gar nichts anderes übrig, als auf dem Markt nach IT Freelancern Ausschau zu halten.

These 2: Freelancer werden zu Beratern

Das Wachstum des IT-Freiberuflermarktes ist nicht nur auf klassische Segmente wie Programmierung oder Coding begrenzt. Die Studienresultate bestätigen vielmehr, dass sich mit zunehmender Reife des IT-Freelancer-Marktes die Einsatzfelder ausweiten und externe IT-Spezialisten zunehmend in Tätigkeitsfelder von IT-Beratern vorrücken. So meldet heute schon jedes zweite Unternehmen Bedarf an Externen für Beratungs- und Schulungsaufgaben an. Und die Anzahl der im Bereich "Schulung & Beratung" eingesetzten IT-Freelancer wird nach den Erwartungen der Befragten im Vergleich zu anderen Tätigkeitsfeldern überproportional stark ansteigen.

Der wachsende Bedarf an externen IT-Spezialisten als Wissensvermittler und Berater lässt sich auch an den Einschätzungen der Befragten zur Bedeutung verschiedener Auswahlkriterien ablesen. So stehen Soft Skills wie Beratungskompetenz und Kommunikationsstärke gepaart mit Branchen- und Prozess-Know-how ganz oben auf der Liste. Dagegen werden zertifizierte technische Spezialkenntnisse zwar vorausgesetzt, im Vergleich zu den oben genannten Kritieren jedoch als weit weniger bedeutsam eingestuft. Kurzum: Unternehmen wollen Experten, die in der Lage sind, ihr Wissen auch zu vermitteln.

Das Kalkül der Sourcing-Verantwortlichen, mit Hilfe der Externen den Wissensstand der eigenen Belegschaft zu erhöhen und die Geschäftsbereiche besser zu beraten, ist durchaus nachvollziehbar:

These 3: Freelancer ersetzen nicht etablierte IT-Beratungshäuser

IT Freelancer werden den IT-Beratermarkt beleben, nicht aber gänzlich neu aufmischen oder gar überrollen. Denn der Wegfall von Risikoaufschlägen beim IT-Freelancer-Einsatz bedeutet auch, dass die Verantwortung für den Projekterfolg und die damit im Zusammenhang stehenden Risiken bei den Unternehmen verbleiben. Das heißt, der Aufwand für Sourcing, Steuerung und Koordination der Externen muss das Unternehmen selbst tragen. Und gerade das Management der Externen - dies bestätigen die Studienergebnisse - birgt beträchtliche Herausforderungen, die von unerfahrenen Unternehmen tendenziell unterschätzt werden.

Darüber hinaus liegt der Wettbewerbsvorteil klassischer Beratungsanbieter nicht nur in den personellen Ressourcen, sondern in der Methodik bei der Umsetzung solcher Projekte. Die methodische Vorgehensweise kann bei IT-Freelancern - wenn sie nicht gerade über lange Zeit für einen Beratungsanbieter tätig waren - nicht zwingend vorausgesetzt werden. Sie ist jedoch eine notwendige Grundlage, um gerade große und risikoreiche Projekte zu stemmen.

Bei großen Projekten, die beträchtliche Risiken bergen und einen hohen Planungs- und Koordinationsaufwand erfordern, werden also klassische Beratungen als Generalunternehmer auch weiterhin die ersten Adressaten der Unternehmen sein. Dagegen ist bei kleineren, klar umrissenen Projekten, bei denen der konkrete Support durch einzelne Spezialisten im Vordergrund steht, der Einsatz hochqualifizierter IT-Freelancer durchaus eine interessante Alternative. Zumindest liefert hier der potenzielle Einsatz Externer eine gute Vergleichsbasis und gegebenenfalls auch ein Korrektiv zu den Angeboten der etablierten Player. Er sorgt damit für mehr Transparenz und Wettbewerb im Beratungsmarkt.

Fazit für IT-Verantwortliche, IT-Freelancer und Beratungen

Zur Person

Foto: Andreas Stiehler

Dr. Andreas Stiehler gehört seit Mai 2000 zum Analysten-Team von Berlecon Research. Der Senior Analyst verantwortet den Themenschwerpunkt IT-Services und Outsourcing und ist Lead-Analyst der jährlichen Marktanalyse IT-Services. Als Experte für empirische Wirtschaftsforschung ist der Diplom-Volkswirt verantwortlich für die Konzeption und Analyse der von Berlecon Research durchgeführten quantitativen Erhebungen.

Vor seiner Tätigkeit für Berlecon Research war Stiehler am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Sein Studium der Volkswirtschaft absolvierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin. Gegenstand seiner Promotion war das Thema "Spieltheorie und Experimentelle Wirtschaftsforschung”.