Drei Mythen von der Globalisierung im IT-Servicemarkt

25.10.2006
Die Berliner Marktforscher von Berlecon bemühen sich um einen nüchternen Ton in der Offshoring-Diskussion.
Andeas Stiehler, Berlecon: "Ein Importüberschuss gibt es - der Niedriglohndebatte zum Trotz -gegenüber Hochlohnländern wie Großbritannien und den USA."

Amtliche Statistiken, wie die Auswertung der Zahlungsbilanzen durch die deutsche Bundesbank oder Eurostat (dem Statistikdienstleister der EU) können spannend sein - finden zumindest die Marktforscher von Berlecon. Als Partner des Forschungsprojekts zur "Internationalisierung von Dienstleistern der Informationsgesellschaft" (Interdig) haben die Berliner daran mitgewirkt, amtliche Daten und Datenbanken auszuwerten, um Licht in die seit Jahren anhaltende Offshore-Diskussion zu bringen. Ergänzend betrieben sie eine Anbieterbefragung, deren ersten Ergebnisse nun zeigen, dass es gerade beim Thema "Internationalisierung von IT-Dienstleistungen" viele Mythen gibt.

Da wäre als Erstes der Mythos von den IT-Dienstleistern, die im Vergleich zu andere Servicesegmenten überdurchschnittlich stark von der Globalisierung betroffen sind, weil sich IT-Services leicht in entfernte Länder verlagern lassen. Dem hält Berlecon mit Verweis auf Zahlungsbilanzen von Bundesbank und Eurostat aus dem Jahr 2004, dass Branchen wie Transport, Finanz- oder Ingenieurdienstleistungen zum Teil deutlich höhere internationale Handelsvolumina aufweisen. "Zugegeben, der Vergleich der absoluten Handelsvolumina kann irreführend sein, da diese auch von der Gesamtgröße des Marktes abhängen", räumt Berlecon-Autor Andreas Stiehler ein. "Doch auch der Vergleich von Import- und Exportaktivitäten in den einzelnen Dienstleistungssektoren in Deutschland rangiert die IT-Services-Branche eher am unteren Ende."

Dabei beruft sich Stiehler auf eine Dienstleisterbefragung, die vom ZEW in Mannheim im Mai 2006 für Interdig betrieben wurde. Dabei gaben rund 60 Prozent der IT-Dienstleister an, Services sowohl ein- als auch auszuführen. Doch unter Architekten, technische Beratern und Planern sowie Steuerberatern und Wirtschaftsprüfer gibt es deutlich mehr international aktiven Anbieter, insbesondere was Importaktivitäten anbetrifft.

Der zweite Mythos, den Berlecon widerlegen möchte, erzählt von der großen Bedeutung asiatischer Anbieter im IT-Dienstleistungshandel mit Deutschland. Insbesondere in Indien ist in den vergangenen Jahren ein starker, auf den Export ausgerichteter IT-Servicesektor entstanden (siehe auch "Offshoring: Wo die Inder schwächeln"). Eine detaillierte Betrachtung zeigt jedoch, dass mehr als die Hälfte des grenzüberschreitenden Handels mit IT-Dienstleistungen, bei denen deutsche Unternehmen entweder als Anbieter oder Nachfrager beteiligt waren, innerhalb der EU stattfand.

Neben den EU-Ländern sind die USA der wichtigste Handelspartner für Deutschland. Nahezu ein Viertel des IT-Servicevolumens, das hiesige Firmen im Jahr 2004 importierten, kam aus den Vereinigten Staaten. Dagegen beliefen sich die Einfuhren an IT-Diensten aus Asien (inklusive China und Indien) auf weniger als zehn 10 Prozent.

Der dritte Mythos handelt von Deutschland als reinem Importland von IT-Diensten. Hohe Löhne, schlechte Ausbildung und veraltete Infrastruktur könnten keine Basis für den Export von Services sein, heißt es allenthalben.

Tatsächlich ist jedoch die Zahlungsbilanz Deutschlands bei den IT-Dienstleistungen nahezu ausgeglichen, rechnet Berlecon vor. Gegenüber Asien zeigte sich 2004 sogar ein deutlicher Exportüberschuss. "Deutliche Defizite, also ein Importüberschuss, gibt es - der Niedriglohndebatte zum Trotz - eher gegenüber Hochlohnländern wie Großbritannien, den USA und Irland", erklärt Stiehler.

Allerdings räumt der Marktbeobachter ein, dass auch die zu Rate gezogenen Statistiken einem kritischen Blick standhalten müssen. Die internationalen Daten stammen aus dem 2004 und erfassen nur Zahlungen über 12.500 Euro. Sie spiegeln also weder den aktuellsten noch den vollständigen Stand der internationalen Handelsaktivitäten dar. Um einen etwas deutlicheren Blick auf die Offshoring-Aktivitäten deutscher IT-Dienstleister zu gewinnen, veranstaltet Interdig am 10. November 2006 in Mannheim einen Workshop zum Thema. (jha)