Studie

Dokumenten-Management in Deutschland

18.07.2007 von Sascha Alexander
Viele Anwender zeigen sich zufrieden mit ihren DMS-Lösungen – nicht zuletzt, weil sie angeblich pragmatisch planen.

Bisher nutzen Unternehmen ihre Dokumenten-Management-Systeme (DMS) vor allem als Archiv. Dieses untersteht typischerweise der Finanzbuchhaltung und bezieht seine Daten aus entsprechenden Fach- und ERP-Anwendungen. Doch mittlerweile setzt sich daneben die Praxis durch, ein DMS auch für die Verwaltung "lebender" Dokumente im täglichen Betrieb einzusetzen und gar den gesamten Lebenszyklus von Geschäftsunterlagen steuern zu wollen (siehe auch "Dokumenten-Management: Information optimal verwalten"). Diesen Trend sieht jetzt eine Befragung von mehr als 1000 kleinen und großen deutschen Anwenderfirmen bestätigt, die die Herstellervereinigung Verband Organisations- und Informationssysteme (VOI) unter dem Titel "Dokumenten-Management in Deutschland 2007" veröffentlicht hat (siehe Kasten "VOI-Studie").

Danach bleibt das häufigste Einsatzgebiet trotz der breiteren Nutzung von DMS-Lösungen der kaufmännische Bereich mit den Abteilungen Buchhaltung, Controlling und Rechnungsprüfung. Auf den nächsten Plätzen folgen der Einkauf, Vertrieb sowie die Kunden- und Patientenbetreuung. Themen wie die Prozessoptimierung (Wer hat welchen Vorgang? Wie lange liegt ein Vorgang?) oder die interne Informationsbereitstellung über Portale gelten hingegen seltener als eine wesentliche Aufgabe einer DMS-Lösung (siehe auch "ECM-Markt: Mit Insellösungen gegen die Datenflut"). Auch bleibt hierzulande die Marktdurchdringung mit DMS-Produkten trotz aller Fortschritte und Werbung der Hersteller gering. So geben von den 1096 kontaktierten Firmen nur 375 an, ein DMS-System im engeren Sinn oder ein DMS-ähnliches System (Groupware, Portalsoftware) einzusetzen, weitere 219 Firmen befinden sich aktuell in der Planung. Dem gegenüber hegen 400 Befragten keine DMS-Pläne und 102 Firmen haben ihr Vorhaben abgebrochen. Leider gibt der VOI wenig über die Motive der Abstinenzler und Abbrecher preis, da laut Studie angeblich viele Betroffene eine Auskunft verweigerten. So wird nur der zu hohe Kostenaufwand und ein vor allem für kleine Organisationen mit 51 bis 100 Mitarbeitern nicht erkennbarer Nutzen als Projektstopper zitiert. Große Unternehmen mit 100 bis über 3000 Mitarbeitern bemängeln außerdem, dass eine geplante DMS-Einführung organisatorisch und zeitlich zu aufwändig sei. (siehe auch "Die ECM-Branche gerät zwischen mehrere Fronten")

Schwärmende Anwender

Anwender erhoffen sich vor allem bessere Prozesse und eine Platzersparnis von einem DMS.
Foto: VOI

Laut VOI sind diese Reaktionen aber kein Grund, DMS-Lösungen grundsätzlich ihren Sinn und Nutzen abzusprechen. Im Vergleich zur Vorjahreserhebung sei die Zahl der DMS-Opponenten stark rückläufig und die Planungsquote bei Unternehmen ab 100 Mitarbeitern mit 50 Prozent unverändert hoch. Auch birgt die Studie hervorragende Neuigkeiten für die Hersteller: Unternehmen, die ein DMS im Einsatz haben, seien hoch zufrieden. So hätten 90 Prozent dieser Anwender ihr Projekt nicht nur als erfolgreich bewertet, sondern sogar ein Ergebnis erzielt, das über den eigenen Erwartungen liegt. Offensichtlich, so interpretieren die Autoren, war das Vorwissen der Anwender gut und die Anforderungen seien realistisch beurteilt worden. Selbst Firmen, bei denen kein DMS-Projekt ansteht oder ein laufendes Vorhaben gestoppt wurde, wüssten heute grundsätzlich, wozu man ein DMS vorrangig einsetzen sollte, nämlich um Dokumentenprozesse zu beschleunigen, Zugriffzeiten zu verringern und Ressourcen zu schonen (siehe auch "Wo bleibt das papierlose Büro?".

Qualitative Aussagen über den Nutzen und Erfolg der DMS-Lösungen sind dennoch rar in der Studie. Die Autoren konnten demnach lediglich aufzeigen, dass sich die Investitionen im Mittel innerhalb von 19 (DMS im engeren Sinn) bis 23 Monaten (DMS-ähnliches System) amortisieren, während Unternehmen ohne produktives DMS (abgebrochene oder geplante Projekte) den Zeitraum eher mit 27 Monaten kalkulieren.

VOI-Studie

Im Auftrag der Herstellervereinigung VOI wurden 1096 deutsche Unternehmen telefonisch zum Einsatz von DMS-Lösungen befragt. Dabei reichte die Bandbreite von kleinen Firmen mit einem bis 25 Mitarbeitern bis zu großen Unternehmen mit 3000 und mehr Mitarbeitern. Der größte Anteil der Befragten entstammt mit 26 Prozent dem produzierenden Gewerbe, gefolgt vom Handwerk mit 12 Prozent und dem Handel mit 11,8 Prozent. Ausgewertet wurden sowohl die Antworten von Firmen ohne DMS (DMS in der Planung, DMS-Projekt abgebrochen, kein DMS geplant) und solchen mit einem DMS. Letztere Gruppe untergliedert der VOI in Anwender mit einem "DMS im engeren Sinn" (spezielle DMS- und Archivsoftware) und solchen mit einem "DMS-ähnlichen System" (Microsoft Exchange, Lotus Notes, Oracle IFS, SP Enterprise Portal, andere Portalprodukte). Die Studie lässt sich über die Website des VOI e.V. beziehen.

Top-Zahlen will die Untersuchung auch bei der Frage nach den Investitionskosten herausgefunden haben. Stolze 70 Prozent der Anwender mit DMS-ähnlichen Systemen hätten ausgesagt, dass die Kosten innerhalb der Erwartungen lagen, weitere 16 Prozent der Anwender hätten sogar besser als gedacht abgeschnitten. Diese Zahlen können Unternehmen mit DMS-Lösungen im engeren Sinn noch einmal übertreffen, schwärmt die Studie, ergab sich doch dort sogar eine Relation von 71 Prozent zu 19 Prozent. Zur Höhe der Gesamtkosten ihres DMS-Projekts hüllten sich hingegen laut VOI die meisten Befragten in Schweigen. Die Autoren konnten daher nur aufgrund der verfügbaren Zahlen einen Mittelwert berechnen, der von Beschaffungskosten zwischen 451 Euro und 2917 Euro pro Anwender ausgeht.

Noch viel Ausbaupotenzial

Darüber hinaus offenbart die Studie vor allem Quantitatives. Wo mit DMS-Lösungen gearbeitet werde, seien im Durchschnitt nur 40 Prozent der Mitarbeiter involviert, bei DMS-Systemen im engeren Sinn liege der Anteil bei lediglich 37 Prozent. Es gebe daher auch bei den Unternehmen mit produktiven Systemen noch "ein hohes Ausbaupotenzial". Hinzu kommt, dass nur etwa die Hälfte der aktiven Nutzer die Systeme nach eigenen Angaben wirklich intensiv und regelmäßig verwendet. Anwender erhoffen sich vor allem bessere Prozesse und eine Platzersparnis von einem DMS.

Abstriche sind ferner bei der Art der im DMS beherbergten Datentypen zu machen. So konnte sich durchschnittlich nur etwa die Hälfte aller Befragten (Firmen mit und ohne DMS aller Größen) vorstellen, durch eine entsprechende Lösung ihre bisherige Dateiablage komplett zu ersetzen, wobei Firmen ohne DMS optimistischer sind. Laut VOI sind bei diesem Thema subjektive Befindlichkeiten Befinden im Spiel. Es sei aber auch grundsätzlich zu fragen, ob es der Sinn eines DMS sein soll, beliebige Dokumente dort abzulegen, statt sich auf solche mit einer gewissen Verbindlichkeit zu konzentrieren. Allerdings gibt es diesbezüglich offenbar noch einigen Klärungsbedarf und Misstrauen seitens der Unternehmen. So würde laut Studie durchschnittlich nur ein Drittel der Befragten einem DMS alle Arten von Dokumenten ohne Einschränkungen anvertrauen. Vor allem wenn es um schutzwürdige Inhalte wie Personalakten, Geschäftsberichte oder Verträge geht.

Herstellerpopularität

Die diesjährige Studie des VOI befragte 376 Anwender nach den von ihnen eingesetzten DMS-Produkten, wobei Mehrfachnennungen erlaubt waren. Dabei zeigte sich, dass der hiesige Markt in der Stückzahl deutlich von deutschen Anbietern dominiert wird, aber auch stark zersplittert ist. Am häufigsten wurde über alle Firmengrößen hinweg der Anbieter Easy AG mit seiner Produktlinie "Easy Enterprise" genannt. Er kann laut Studie insgesamt einen Anteil von 12,5 Prozent für sich verbuchen. Auf den weiteren Plätzen folgen dicht beieinander die Docuware AG mit dem Produkt "Docuware", die Saperion AG mit "Saperion", Ixos (Open Text) mit der "eCon Soulition Suite" und dvelop mit dem "d3 System". Den größten Anteil haben indes "sonstige DMS-Produkte", die rund 35 Prozent aller eingesetzten Lösungen ausmachen. Dennoch zeige sich laut VOI im Vergleich zu früheren Umfragen eine gewisse Konzentration im Markt, die zur Herausbildung eines gewissen Kerns an etablierten Produkten führe.

Allerdings ergibt sich bei einer Aufschlüsselung der befragten Firmen nach Mitarbeiterzahl eine teilweise andere Verteilung. So nannten beispielsweise Großunternehmen mit über 3000 Mitarbeitern neben den "sonstigen DMS-Lösungen" als häufigste Produkte die von Filenet (IBM), dvelop und Ixos. Zudem bezieht die Studie neben den herkömmlichen DMS-Systemen auch DMS-ähnliche Systeme ein (Groupware, Portale). In dieser Kategorie dominieren nicht näher genannte Portal- und Intranet-Lösungen mit über 18 Prozent, gefolgt vom "SAP Enterprise Portal" mit 4,3 Prozent, das laut VOI erstmals in der Statistik auftaucht. Auf den "Microsoft Sharepoint Portal Server" und "IBM Lotus Notes" entfielen 3,2 Prozent beziehungsweise 2,1 Prozent der DMS-ähnlichen Systeme.