VOI-Studie

Dokumente gerichtssicher gestalten

01.04.2010 von Sascha Alexander
Vermeintliche Regelverstöße können in Prozessen bösen Folgen nach sich hinziehen - wenn man sich nicht beweissicher zu wehren weiß. Unsere Schwesterpublikation CFOWorld hat ausführlich dargestellt, welche zivilrechtlichen Anforderungen zu beachten sind.

Hat die alles beweisende E-Mail eine elektronische Signatur oder nicht? Solche Fragen können vor Gericht am Ende über Wohl und Wehe entscheiden. Und es macht dabei auch einen Unterschied, ob in einem Straf- oder einem Zivilprozess verhandelt wird.

Um hier Klarheit und eine größere Rechtssicherheit zu schaffen, hat der Verband Organisations- und Informationssysteme e. V. (VOI) versucht, anhand der aktuellen Rechtssprechung die gesetzlichen Anforderungen an die Archivierung in ausgewählten europäischen Ländern zu erläutern. Heraus kam die Studie "Legal Requirements for Document Management in Europe“, welche die Vorgaben für Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Schweiz und Spanien kompakt auflistet. Der VOI vertritt die Mehrheit der Anbieter von Systemen für Enterprise Content Management und Dokumenten in Deutschland.

Welche Dokumente gelten vor Gericht?

In einem Gerichtsprozess ist der Beweiswert von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen einer grundsätzlich freien Beweiswürdigung kann ein Richter nach seiner eigenen Überzeugung entscheiden, ob er einem Beweismittel Glauben schenkt oder nicht, soweit diese Beweiswürdigung mit nachprüfbaren Argumenten begründet wird.

Dies gilt nicht nur für Zeugenaussagen welche mündliche oder auf andere Weise abgegebene Erklärungen bestätigen sollen, sondern auch für Fotokopien, Faxkopien, gescannte Dokumente und EDV-Datenträger und dessen ausgedruckten Datenbestand wie Mikrofilmreproduktionen etc. Dabei wird schriftlichen Erklärungen auf Papier (Urkunden), die dem Gericht zu Beweiszwecken vorgelegt werden, ein besonderer Beweiswert beigemessen.

Elektronische Signatur

Elektronischen Dokumenten kommt dieser besondere Beweiswert gemäß § 371 a ZPO nur zu, soweit sie mit einer qualifizierten, elektronischen Signatur versehen sind. Der Sicherheitsmechanismus elektronischer Signaturen knüpft unmittelbar beim Dokument an. Ergibt die Prüfung der Signatur des elektronischen Dokumentes nach dem Signaturgesetz, dass das Dokument vom Signaturschlüssel-lnhaber signiert wurde, so wird die Echtheit der Erklärung „vermutet“.

Soweit kein Gegenbeweis geführt werden kann, muss sich der Signierende die Erklärung als seine eigene zurechnen lassen. Selbstverständlich können auch (nach wie vor) Papierausdrucke elektronischer Dokumente im Zivilprozess vorgelegt werden, jedoch unterliegen die dann nur der freien Beweiswürdigung durch den Richter. Im Ergebnis kann durch eine elektronische Signatur die Beweiskraft erhöht und über eine Beweiserleichterung rechtliche Risiken minimiert werden.

Unterschiede zwischen Straf- und Zivilrecht

Die dargestellten Einschränkungen der freien richterlichen Beweiswürdigung für Urkunden im Zivilprozess gibt es im Strafprozess nicht. Der Tatrichter darf und muss jedes Beweismittel und seinen Wert selbst frei würdigen. Dabei muss der Strafrichter den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ berücksichtigen, so dass Zweifelsfragen stets zu Lasten des Staates gehen. Zudem ist die Person, gegen die (oder deren Organisation) ermittelt wird, nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Denn es gilt, dass niemand an der eigenen Strafverfolgung aktiv mitzuwirken verpflichtet ist.

In § 98 VwGO wird für den Verwaltungsprozess auf die Regelungen des Zivilprozesses verwiesen, die im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar sind.

E-Mails werden grundsätzlich genauso behandelt wie die sonstigen elektronischen Dokumente. Im Hinblick auf deren Beweiskraft muss man wie beschrieben zwischen E-Mails mit und ohne qualifizierter elektronischer Signatur unterscheiden.

Ausdrucke gestattet

Bislang wurden in Rechtsstreitigkeiten zumeist Ausdrucke (unsignierter) E-Mails als Dokumentation elektronischer Kommunikation vorgelegt. Auch wenn es sich hierbei nicht um (unterzeichnete) schriftliche Urkunden oder ihnen gleichgestellte elektronische Dokumente mit entsprechendem Beweiswert im Sinne des Zivilprozessrechts handelt, ist ein Richter an Existenz, Inhalt und die Person des Erklärenden bereits dann gebunden, wenn der Gegner nicht bestreitet, eine Erklärung dieses Inhalts per E-Mail abgegeben zu haben.

Die qualifizierte elektronische Signatur als solche (mit Verschlüsselungsvorgaben zur Gewährleistung der Integritätsprüfung) wird im konkreten Prozess insbesondere dann besondere Bedeutung erlangen, wenn die Integrität, Existenz oder die Zurechnung zum Verfasser bestritten wird.

Erklärt eine Partei im Prozess, eine E-Mail nie erhalten zu haben, so handelt es sich um ein Zugangsproblem, das bei postalischer Briefbeförderung schon lange bekannt ist: die Beweislast für den Zugang trifft in diesem Fall den Absender.

Hier könnte eine qualifizierte elektronische Signatur nur dann Abhilfe schaffen, wenn der Empfänger automatisiert eine qualifiziert elektronisch signierte Rückmail (Antwortmail unter Beifügung des ursprünglichen Textes) absetzt, was juristisch eine sog. Empfangsbekenntnis darstellt oder sich eines "elektronischen Einschreibens" bedient.

Ausspähen und Fälschen

Erklärt eine Partei im Prozess, eine E-Mail nie versendet zu haben, so wird sie zur Plausibilisierung vortragen müssen, wie der Empfänger dennoch zu dieser Mail gekommen ist. Hier sind im Wesentlichen zwei Fälle denkbar: zum einen kann der Zugang unerlaubt benutzt worden sein (Ausspähen des Passworts durch einen Dritten etc.), zum anderen kann sich der Empfänger die E-Mail „ausgedacht“ haben (Totalfälschung). An dieser Stelle kann eine qualifizierte elektronische Signatur die Rechtsposition deutlich stärken. Für Dokumente, für welche keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten bestehen, ist unabhängig davon stets zu entscheiden, ob diese dennoch im eigenbetrieblichen Interesse elektronisch aufbewahrt werden sollten.

Die Verletzung von Aufbewahrungspflichten kann straf- und berufsrechtliche, aber auch prozessuale Konsequenzen haben. Beispiele: Die Verletzung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht kann eine Straftat nach § 283 b, § 274 StGB bzw. nach § 370 AO sowie eine Ordnungswidrigkeit wegen Steuergefährdung nach § 379 AO darstellen. Geschäftsführer oder Vorstände der betroffenen Gesellschaften kann bei der Verletzung von Aufbewahrungspflichten eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG treffen. Im Rahmen der prozessualen Konsequenzen ist § 427 ZPO zu beachten. Danach gilt der Inhalt der Abschrift einer Urkunde als bewiesen, wenn der Gegner der Anordnung, die in seinen Händen befindliche Urkunde vorzulegen, nicht nachgekommen ist.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CFOWorld. Kontakt und Anfragen zur VOI-Studie: Stefan Groß, Steuerberater, Certified Information System Auditor (CISA), Peters, Schönberger & Partner GbR, Schackstr. 2, D-80539 München, E-mail: s.gross@psp.eu;Dr. Nils C. Hallermann, Rechtsanwalt, E-mail: n.hallermann@psp.eu.

Disclaimer: Die dargestellten Ausführungen sind ohne Gewähr und sollen Ihnen die Probleme in groben Zügen überblicksweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Detailgenauigkeit näher bringen. Die vorliegenden Ausführungen sind nicht geeignet, Einzelheiten der jeweiligen gesetzlichen Regelungen und alle Aspekte der angesprochenen Themen zu beleuchten und ersetzt nicht die rechtliche und steuerliche Beratung im Einzelfall. Vor geschäftlichen Entscheidungen setzen Sie sich bitte mit Ihrem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt in Verbindung. Die gesetzlichen Regelungen können sich seit Erscheinen dieses Textes geändert haben.