DMS Expo: Prozessdenken und Optimismus sollen die Branche beflügeln

26.09.2007 von Sascha Alexander
Die lange befürchtete Konsolidierung im zersplitterten deutschen Markt für Dokumenten-Management ist bisher ausgeblieben. Noch profitieren selbst kleine Anbieter von den steigenden Anforderungen bei Kunden und davon, dass Hersteller wie SAP, Microsoft oder Oracle den Markt nicht systematisch angehen. Doch wie lange noch?
Allgegenwärtig auf der DMS Expo: Prozess-Management soll künftig Dokumente in die operativen Abläufe einbinden helfen
Foto: DMS Expo 2007

Optimistisch gaben sich die Veranstalter der Konferenzmesse "DMS Expo" in Köln. Geschäftsführer Oliver P. Kurth von der Kölnmesse hoffe, an die guten Zahlen des letzten Jahres anschließen zu können. Nicht nur würden wieder rund 20 000 Besucher erwartet, sondern man habe auch die Ausstellerzahl (385) und die Ausstellungsfläche "gegen den Trend im Messegeschäft" steigern können. Alles andere als Katerstimmung herrsche laut Bernhard Zöller, Berater und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands VOI, auch bei den Anbietern. Der Markt für Dokumenten-Management-Software (DMS) sei gemessen an den Lizenzumsätzen in den letzten zwei Jahren kräftig gewachsen, wobei aktuell vor allem kleine und mittelständische Hersteller den Markt treiben. "Einige Anbieter wachsen derzeit zweistellig" (siehe auch: "Studie: Dokumenten-Management in Deutschland")

Vor allem aber wurde Zöller nicht müde zu betonen, dass eine angesichts des zersplitterten deutschen Marktes seit Jahren prognostizierte Konsolidierung nicht stattfinde. Es gebe allein 52 Anbieter mit umfassenden DMS-Lösungen am Markt, die sich trotz der wachsenden Präsenz von Herstellern anderer Märkte (Hardware/Speicher, ERP) bisher behaupten könnten. Sie profitieren davon, dass immer mehr Unternehmen aus Kostengründen eine stärkere Automatisierung ihrer Dokumentenprozesse anstrebten und aufgrund steuer- und handelsrechtlicher Vorgaben eine systematische und revisionssichere Archivierung und Bereitstellung geschäftlicher Unterlagen vornehmen müssen. Wichtige Themen und Treiber der kommenden Zeit sind die E-Mail-Archivierung, Compliance, die Prozessoptimierung/Workflow, die vollautomatische Dokumentenbearbeitung auch in komplexeren Vorgängen ("Dunkelverarbeitung"), die Rechungseingangsverarbeitung, OCR/ICR, die Arbeit mit dem neuen Archivformat PDF/A und nicht zuletzt so genannte Content-Services.


Hinter letzteren verbirgt sich – man ahnt es bereits – das Konzept einer Service-orientierten Architektur (SOA), das mittlerweile auch unter DMS-Anbietern diskutiert wird (ausführliche Informationen zu SOA finden Sie uach im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE). Aufgrund des stärkeren Fokus auf Prozesse und die Integration der Produkte (Repositories) über Web-Services wandeln sich die Aufgaben der Dokumentenverarbeitung architektonisch zu Basisdiensten, die in Unternehmensanwendungen beispielsweise die Inhalte einer Kundenakte zusammenstellen helfen. Für Anbieter ist diese Diskussion um Prozesse und Services aus zweierlei Sicht interessant: Zum einen könnten Lösungen (Beispiel: Prozessvorlage für die Rechnungseingangsbearbeitung) und Tools für ein Prozess-Management neue Umsatzquellen jenseits der immer noch vorherrschenden Archivlösungen erschließen helfen. Zum anderen kann durch die Integration in andere Anwendungen die eigene Fertigungstiefe reduziert werden, erfordert aber eventuell Nachbesserungen in puncto Produktarchitektur, etwa einen Applikations-Server als Laufzeitumgebung für die Services.

Dienste in einer SOA

Das Denken in Prozessen und Services wird die Strukturierung des DMS-Marktes weiter erschweren, da die Grenzen zwischen Anwendungen und Infrastruktur immer mehr verschwimmen. Auch haben sich mittlerweile Anbieter von Collaboration-Software wie Microsoft mit seinem "Microsoft Office Sharepoint Server" (MOSS), Speicherhersteller wie Hitachi, die auch gewisse DMS-Funktionen aufnehmen, Datenbankhersteller wie Oracle und vor allem durch Anbieter von Standardsoftware für ERP und CRM zu den traditionellen Anbietern hinzugesellt. DMS-Experte Ulrich Kampffmeyer sieht daher den seit einiger Zeit beworbenen Begriff Enterprise Content Management (ECM) in den eines allgemeinen Informations-Management bei Unternehmen aufgehen. Zudem würden auch bisher zu ECM gezählte Komponenten für Input- und Output-Management eigenständiger. So beliefern "Capture"-Lösungen nicht mehr nur das Archiv, sondern auch operative Systeme. Produkte für Business-Process-Management, die künftig an Bedeutung im Dokumenten-Management gewinnen werden, sind ebenfalls nicht nur für diesen Markt gedacht.

Der Druck auf die Anbieter steigt

Was bleibt sind Document-Related-Technologies, die auch künftig von den Spezialisten kommen, um elektronische Dokumente zu verarbeiten. Auch ist Kampffmeyer skeptischer, was eine Konsolidierung des Marktes betrifft. Er sieht Basisfunktionen immer mehr von den großen Anbietern von Standardsoftware abgedeckt. Bisherige DMS-Anbieter stünden unter einem zunehmenden Druck, ihre Produkte laufend für neue Aufgaben oder Branchen weiterzuentwickeln, um sich noch von der Konkurrenz differenzieren zu können (zum Markt siehe auch "Der ECM-Markt: Mit Insellösungen gegen die Datenflut"). Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei Partner und Integratoren, die durch Anwendungen wie "elektronischer Postkorb" sowie Industrie- und Prozesslösungen, dem DMS-Produkt zu einem höheren strategischen Wert für den Kunden verhelfen. Für Neueinsteiger in den Markt werde indes die Latte immer höher gelegt. Dennoch sieht Kampffmeyer sehr wohl eine Konsolidierung, nämlich die von Insellösungen bei Unternehmen. Die Migration bestehender Lösungen werde eines der Hauptthemen der Zukunft, schreibt er in seinem Newsletter zur DMS Expo.

Schlafende Hunde

Foto: DMS Expo 2007

Auch Kollege Zöller räumt ein, dass trotz aller guten Geschäfte derzeit DMS-Anbieter mehr in ihre Produktarchitekturen investieren müssen, um am Ball zu bleiben. Wichtig sei es auch, sich nicht nur auf den deutschen Markt zu verlassen, sondern verstärkt in den Aufbau des internationalen Geschäfts zu investieren, was mittlerweile viele Hersteller tun. Dass es der hiesigen Branche offenbar gut geht, liegt aber nicht nur an der gestiegenen Nachfrage, sondern auch daran, dass die genannten großen Anbieter bisher den Markt nicht wesentlich für sich vereinnahmt haben.

So werde beispielsweise seit Jahren prognostiziert, dass Microsoft den DMS-Markt umkrempeln könnte. Doch tatsächlich stehen mit dem MOSS die Collaboration-Funktionen und die eigenen Microsoft-Produkte im Focus, in die sich immer mehr DMS-Anbieter mit ihren Archivlösungen oder Erfassungskomponenten etc. einbinden können, ohne dass man sich wirtschaftlich weh tut. Ebenso sei Oracle bisher kaum in Erscheinung getreten, und auch von der SAP geht keine existenzielle Bedrohung aus, da sich die Walldorfer mit ihren umfangreichen Content-Funktionen bisher ganz auf die eigene Klientel konzentrieren. Sehr wohl, so Zöller, übertrifft die SAP aber heute schon die DMS-Anbieter beispielsweise in künftig zunehmend bedeutenden Gebieten wie Collaboration und Portal (as).