Peer-to-Peer im Unternehmenseinsatz

Direktverbindungen von PC zu PC

12.06.2003 von von Lars
Direktverbindungen mit Peer-to- Peer-Technik können Zeit und Kosten sparen. Die dazu nötigen Lösungen sind vorhanden. Erste Anwendungen zeigen, dass sie reif für den Praxiseinsatz sind.

Zähe Stunden auf der Autobahn, Warten in Fluren und Vorzimmern, und dann doch die Nachricht, dass der Ansprechpartner trotz Terminabsprache keine Zeit hat - das gehört für viele Versicherungsmakler zum Alltag. Bei der B+W Assekuranzmakler GmbH in Düsseldorf ist das nicht mehr der Fall. Den Vorsorgespezialisten hilft stattdessen eine einfache Computeranwendung, mit der sich zwei Rechner unabhängig von ihrem Standort direkt miteinander verbinden lassen.

„Peer-to-Peer“ (P2P) nennt sich der dezentralisierte Datenaustausch zwischen Computern. Vor allem bei den Musik- und Filmtauschbörsen im Internet - etwa Kazaa oder E-Donkey - kommt das P2P Prinzip bislang zum Einsatz. Auch die inzwischen verbotene Napster-Plattform basierte darauf. Nun ist die Technologie den Kinderschuhen entwachsen - und als Rechnerarchitektur dazu geeignet, auch Geschäftsprozesse zu unterstützen.

Computer arbeiten in einem P2P System gleichberechtigt und ohne Zentralrechner. Sie sind Server und Clients in einem, halten Daten gleichzeitig vorrätig und verarbeiten sie und greifen direkt aufeinander zu, ohne den Umweg über einen Verbindungscomputer gehen zu müssen. Dass sich mit einer solchen P2P-Architektur weit mehr anfangen lässt, als digitalisierte Madonna-Hits zu tauschen, zeigt das Beispiel B+W.

Kunden beraten ohne Präsenztermin

Die Versicherungsverkäufer aus der Rheinmetropole sind auf das Thema Betriebliche Altersvorsorge spezialisiert. Große Werbeagenturen wie Springer und Jacobi oder Scholz & Friends gehören zu ihren Kunden. Bislang erforderten die Beratung und Tarifberechnungen für die einzelnen Mitarbeiter persönliche Termine in den Unternehmen. Doch in vielen Berufsbereichen lässt das hektische Alltagsgeschäft potenziellen Kunden kaum Zeit für derartige Gespräche. Termine müssen oft trotz Vereinbarung abgesagt werden, weil plötzlich ein aktueller Auftrag abgearbeitet werdenmuss. „Feste Termine mit Menschen in Webeagenturen zu machen ist sinnlos“, sagt Versicherungsmakler Dietmar Bach, Geschäftsführer und Inhaber von B+W. „Jetzt rufen sie uns nach dem Erstkontakt stattdessen an, wenn sie Zeit haben, und sind in weniger als einer Minute auf Sendung.“

Um „auf Sendung“ zu sein, setzt B+W seit anderthalb Jahren eine P2P Anwendung namens „Netviewer“ ein. Netviewer verbindet Computer, egal wie weit sie voneinander entfernt sind, und erlaubt einem Nutzer, den Bildschirm eines anderen Computers zu betrachten.

Während Berater und Kunde miteinander telefonieren, wird - natürlich mit Einwilligung des kundenseitigen Systemadministrators - über das Internet ein winziges, 200 Kilobyte kleines Programm auf den Kundenrechner übertragen. Es erzeugt eine fünfstellige Zufallsnummer, die der Berater abliest und über das Telefon weitergibt. Wenn der Kunde sie in die Anwendung eintippt, lokalisiert die Software die Internet-Adresse des Berater-PCs. Beide Computer sind direkt miteinander verbunden und mit Datenverschlüsselung gegen unerwünschte Lauscher oder Hacker geschützt. Dieser Vorgang dauert etwa 20 Sekunden.

Reisezeiten minimiert

„Wir sehen anhand eines Ampelsystems, wann der Kunde was an unseren Bildschirm sehen kann“, erklärt Bach. „Wir zeigen eine Powerpoint-Präsentation und gehen dann in die Berechnungssoftware rein.“ Andere Bereiche des Computers, etwa E-Mail-Konten, können sowohl die Berater als auch die Kunden mit Hilfe eines Button im Menü des Programms für den Zugriff aus der Ferne sperren. „Man arbeitet, als ob man nebeneinander sitzen würde, nur dass jetzt keiner mehr reisen muss“, freut sich der Versicherungsfachmann.

Die Suche nach einer Lösung, mit der sich die Reisezeiten verringern lassen, begann Dietmar Bach, um den Kostendruck in den Griff zu bekommen. „Wir sind früher oft rausgefahren zumklassischen Wohnzimmergespräch“, sagt er. „Aber die Provisionen sind dafür zu gering geworden.“ Eine kurze Recherche über die Suchmaschine Google brachte ihn auf die Spur der Netviewer GmbH aus Karlsruhe. B+W entschied sich, das Zusammenspiel des Netviewer-Produkts mit den Firewalls und anderen Anwendungen von über einem Dutzend Kunden zu testen. Ergebnis: Nur mit einem einzigen Unternehmen ließ sich keine Direktverbindung herstellen.

Eine Lizenz für einen Netviewer-Arbeitsplatz kostet 2500 Euro. Derzeit hängen drei Arbeitsplätze am direkten Draht zum Kunden, die B+W-Mitarbeiter im Wechsel nutzen. Verträge werdenwerden gemeinsam mit dem Interessenten als digitale Formulare im PDF-Format ausgefüllt, die dann vom Kunden ausgedruckt und unterschrieben werden. Das neue System arbeitet so effizient, dass B+W sich derzeit voll auf die Netzbeziehungen konzentriert. „Man kann schlecht sagen, was der Einsatz der Peer-to-Peer-Software spart“, resümiert Bach. „Aber früher kam ein Mitarbeiter auf ein bis zwei Kundengespräche am Tag. Heute erledigen wir vier bis fünf Teleberatungen täglich. Wir merken an unserer Geldbörse, dass der Umsatz besser geworden ist.“

Lange galten Peer-to-Peer-Anwendungen als unsicher - gerade weil bei den Direktverbindungen zentrale Server fehlten, die Nutzer authentifizieren, Sicherheitsüberprüfungen vornehmen oder Datenpakete auf Viren untersuchen können. Auch die Tatsache, dass ein ortsentfernter Nutzer direkt auf dem Computer eines anderen Daten im schlimmsten Fall manipulieren oder vernichten kann, stand P2P im Geschäftseinsatz lange im Weg. Doch die Anbieter von P2P-Software haben, sofern sie sich auf Geschäftskunden spezialisieren, nachgebessert - wohl wissend, dass gerade bei Finanzdaten, wie sie im Versicherungswesen anfallen, Datenintegrität und Vertraulichkeit geschäftskritisch sind.

Verschlüsselung gibt Sicherheit

Zur Übertragung des Bildschirminhalts wird im Falle B+W ein eigenes, speziell für den Netviewer entwickeltes Datenformat verwendet. Dieses ist nicht öffentlich bekannt. Zusätzlich werden die aufschlussreichen Bildschirmansichten, welche die Berater den Kunden zeigen, nicht als Screenshots übertragen, sondern mit einem speziellen Algorithmus getarnt.

Verschlüsselung ist eine Antwort auf die Sicherheitsanforderungen von P2P Technologie im Unternehmenseinsatz. Eine weitere sind Zwitternetze, wie sie das Münchner P2P-Softwareunternehmen Jatelite oder der bislang bekannteste P2P-Anbieter Groove Networks offerieren. Entgegen der reinen Lehre vom serverlosen Netz kommt bei besonders hohen Sicherheitsanforderungen doch wieder ein Zentralrechner zur Überprüfung der Nutzer ins Spiel. „Sicherheitsprobleme bekommt man beim Serverbasierenden P2P schnell in den Griff“, erklärt Siegfried Steiner, Chief Technology Officer von Jatelite. „Ein entscheidender Vorteil gegenüber klassischen Client-Server-Lösungen ist aber, dass jeder Partner trotzdem die Hoheit über seine eigenen Daten behält.“

Anwendungen fernsteuern

Derart sichere Unternehmensanwendungen helfen der Peer-to-Peer-Technologie, ihr durch die Internet-Tauschbörsen geprägtes Image als Eldorado für Raubkopierer langsamabzulegen.

Das Desktop-Sharing wie bei B+W ist aber nur eine Möglichkeit, die Stärken der Serverlosen Netze zu nutzen. Die Scholz.msconsulting GmbH nutzt P2P-Software auch als Support-Werkzeug für eine eigene CRM-Software. Vertriebsleiter Frank Stefan Scholz: „Wir können im Problemfall online beim Kunden sehen, was auf dem Bildschirm der Anwender los ist, und notfalls deren Anwendungen fernsteuern.“ Durch den direkten Bildschirmblick lassen sich zudem Mitarbeiter schulen. Die Berater sparen jährlich Reisekosten für 50 bis 60 Fahrten quer durch Deutschland.

*Lars Reppesgaard ist freier Journalist im Redaktionsbüro Druckreif in Hamburg.