Transformation mit IoT und Big Data

Digitalisierung zwischen Theorie und Praxis

02.05.2016 von Bettina Tratz-Ryan  
Digitalisierung gilt als Mantra für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Doch trotz Standards und Techniken wie Industrie 4.0, dem Internet der Dinge (IoT), Big-Data-Analysen oder Automatisierung ist die digitale Transformation in Betrieben häufig nicht mehr als ein theoretischer Ansatz. Und in der Praxis ist sie nur erfolgreich, wenn Prozesse reduziert und eine messbare Wertschöpfung generiert werden.
  • Investitionen in die Digitalisierung müssen sich auf die Wertschöpfung auswirken.
  • Im Zuge der digitalen Transformation wird Innovation durch eine neue Anwendungslogik vorangebracht.
  • Die Digitalisierung stellt bestehende Unternehmenssilos in Frage.

Die Wachstumsaussichten der deutschen Unternehmen für dieses Jahr sind im Großen und Ganzen gut, die Auftragsbücher weitgehend gefüllt. Mit der Plattform Industrie 4.0 gibt es zudem ein Standardisierungsbemühen der Industrie und Politik, digitale Systeme und Prozesse für alle Betriebe zur Verfügung zu stellen. Und darüber hinaus wurden auch die Fortschritte der öffentlichen Hand, bestehende Verwaltungsprozesse digital zu vereinheitlichen und dadurch schneller zugänglich zu machen, durch die "Digitale Agenda" angestoßen und weiter diskutiert. Trotzdem drängen sich folgende Fragen auf:

• Wie schafft die Digitalisierung den Sprung in die Praxis?

• Wie können sich Unternehmen die Digitalisierung so zunutze machen, dass es nicht nur um Technologiefähigkeiten geht, sondern die Wertschöpfung klar gesteigert wird?

Messbare Wertschöpfung

Im Rahmen einer Gartner-Umfrage aus dem Jahr 2015 zum Reifegrad der digitalen Geschäftsmodelle in Industrie und Verwaltung bestätigten 53 Prozent der befragten IT-, Bereichs- und Unternehmensleiter, dass sie die Digitalisierung generell als große Chance ansehen. Dabei hoben die Befragten vor allem Differenzierungsmöglichkeiten für bestehende und neue Kundenmärkte hervor. Chancen sehen sie außerdem in der besseren Interaktion mit Personal und Partnern sowie in der Reduzierung von Prozessen und komplexen Techniken und Dienstleistungen. Katalysatoren für diese Differenzierungsansätze sind Investitionen in Technologien wie das industrielle Internet der Dinge (IoT), Sensorik, Automatisierung und Big-Data-Analysen. Die Investitionen müssen sich jedoch messbar auf die Wertschöpfung auswirken. Solche Effekte sind dann auch in Kennzahlen darstellbar. Messen lässt sich beispielsweise der Effekt digitaler Technologien auf das Qualitätsmanagement, das Kundenmanagement und die Effizienz des Cost-to-Serve, auf das Innovationsniveau, die Agilität der Unternehmensorganisation oder auf die Ausrichtung des Portfolios nach neuen Branchengrenzen.

10 Thesen zur Digitalisierung
Zehn Thesen zur Digitalisierung
In Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Dimension Data hat Crisp Research Ende letzten Jahres die unabhängige Studie "Digital Business Readiness" umgesetzt. Ziel war es, ein Stimmungsbild deutscher Unternehmen zum aktuellen Stand ihrer digitalen Transformation zu zeichnen. Hier finden Sie Zehn Thesen, die sich aus dieser Studie ableiten lassen
1. Die digitale Transformation ist bereits in vollem Gange ...
... und hat mittlerweile sämtliche Branchen mehr oder minder fest im Griff. Dennoch steht die Wirtschaft noch am Anfang eines langen Transformationsprozesses.
2. Die digitale Transformation wird die Unternehmen ...
... in den kommenden Jahren in Gewinner und Verlierer spalten.
3. Das Gros der deutschen Unternehmen hat erkannt, ...
... welche weitreichenden Implikationen der digitale Umbruch nach sich zieht. Die absolute Mehrheit sieht sich gut bis sehr gut dafür aufgestellt. Allerdings haben nur 42 Prozent bislang eine funktionierende Digitalstrategie.
4. 39 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich als Profiteure ...
... und Gestalter des digitalen Wandels. 61 Prozent bezeichnen sich als Mitläufer und Skeptiker.
5. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Digital Excellence ...
... und der erfolgreichen Implementierung einer Digitalstrategie. So haben bereits zwei Drittel (67 Prozent) der Digital Champions (Profiteure und aktive Gestalter) ihre Strategie erfolgreich implementiert und mit der Umsetzung in die Praxis begonnen.
6. Die IT-Abteilungen sind die entscheidenden Akteure, ...
... wenn es gilt, die Strategie zu entwerfen und die Aktivitäten im Prozess der digitalen Transformation zu steuern und umzusetzen. Allerdings wirkt das Thema weit über die Grenzen der IT-Abteilung hinaus.
7. Die Kunden sind Treiber der digitalen Transformation.
Von ihnen gehen die Veränderungen aus.
8. Das Rechenzentrum ist das Epizentrum der Digitalisierung.
Für mehr als zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) ist es die alles entscheidende Basis der Digitalisierung.
9. Für eine zukunftssichere Infrastruktur ...
... sind Investitionen nötig, die über das Rechenzentrum hinausgehen.
10. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen glauben, ...
... dass sie für eine konsequente Umsetzung der digitalen Transformation professionelle Partner brauchen. Diese sollten eine hohe Kompetenz bei der IT-Integration sowie umfangreiches Prozess- und Branchen-Know-how mitbringen.

Strategische Transformation der Organisation

So verstanden stellt Digitalisierung die strategische Transformation der Organisationskultur dar. Sie wird von einer Ansammlung smarter Technik getragen, aber beeinflusst vom Ideenreichtum vieler Akteure innerhalb und außerhalb einer Organisation. Innovation wird hierbei nicht nur von dedizierten Bereichen betrieben, sondern auch durch eine neue Anwendungslogik vorangebracht, in Zusammenarbeit mit industrie- oder unternehmensfremden Teilnehmern durch Crowdsourcing und Partner-Ökosysteme.

Der Mitarbeiter mit Startup-Mentalität ist in diesem Rahmen eine neue Qualifikation. Digitalisierung stellt bestehende Unternehmenssilos in Frage, setzt aber gleichzeitig dynamische Impulse im Markt und im Umgang des Unternehmens mit seinen Kunden. Das spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung wider, denn durch die Verbreitung von Kommunikationstechnik und selbstlernenden Informationsdiensten setzt Digitalisierung diese neuen Impulse auch im Alltag.

Dieser Fortschritt stellt neue Anforderungen vor allem an die Geschwindigkeit der bestehenden technischen oder virtuellen Digitalisierungsplattformen. Der Fokus bewegt sich weg von der Prozessabwicklung und hin zur Entwicklung von Plattformen für Collaboration und Kommunikation. Diese müssen durch Datenanalyse und die dazugehörigen algorithmischen Verfahrensmuster die Impulse, Anregungen oder Ergebnisse für die Akteure spezifisch in Informationen oder auch Collaboration-Felder umsetzen. Dabei werden verschiedene Interaktionskanäle angestrebt.

Digitale Sicherheitsstrategie erforderlich

Die funktionsübergreifende Vernetzung von Interaktionen, Collaboration-Modellen und Prozessen braucht eine digitale Sicherheitsstrategie, die nicht nur auf Cyber-Security, den Schutz vor Erpressungssoftware und IT-OT-Sicherheitsprinzipien abzielt. Vielmehr ist es nötig, durch Schulung und Gamifizierung eine digitale Sicherheitsmentalität im Unternehmen herauszubilden und die Wahrnehmung der Mitarbeiter zu steigern. Während die Gefahren der Unterlassung einer digitalen Sicherheitsstrategie theoretisch bekannt sind, gestaltet sich die Umsetzung durch die unterschiedlichen Systeme und Schnittstellen komplex. Das schränkt die Wertschöpfung durch Digitalisierung ein oder gefährdet sie gar komplett.

Ernst&Young über Digitalisierung: Chance oder Jobkiller?
Digitalisierung und ihre Auswirkungen
Die Berater von Ernst&Young üben sich in Dramatik: ob die digitale Arbeitswelt Chance sei oder „Jobkiller“, stellen sie ihrer Befragung von mehr als 1.000 deutschen Arbeitnehmern voran. Teilgenommen haben sowohl Abteilungs- und Teamleiter als auch Sachbearbeiter.
Definition
Nur knapp jeder Vierte (23 Prozent) weiß mit dem Begriff Industrie 4.0 etwas anzufangen.
Bedeutung
Diese 23 Prozent verbinden mit Industrie 4.0 vor allem Digitalisierung/Informatisierung sowie Vernetzung von Maschinen und Anlagen und intelligente, selbstlernende Systeme beziehungsweise computergesteuerte Produktion und Prozesse.
Attraktiverer Job
Die Frage, ob die Digitalisierung den Arbeitsplatz attraktiver macht, hängt vom Alter ab.
Mehr Stress - oder weniger
Die Einschätzung der Auswirkungen von Digitalisierung weichen deutlich voneinander ab. Manche Befragte verspüren mehr Stress, andere dagegen weniger.
Information
Die Befragten fühlen sich innerhalb der Unternehmen nicht gut über die anstehenden Veränderungen informiert.
Qualifizierung
Nicht alle Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Digitalisierung bereit.

Um Digitalisierung in die Praxis umzusetzen, brauchen Unternehmen eine Leitfigur und ein Team, das die strategische Reichweite und Innovation aufzeigen und durch ein Regelwerk langfristig umsetzen kann. Eine Voraussetzung dafür sind Collaboration-Modelle innerhalb der Industrie und branchenübergreifend. Bimodale Ansätze bringen eine Implementierung der Transformation in zwei Geschwindigkeiten hervor. Dabei lagern Unternehmen einen Teil der Transformation beispielsweise in Inkubatoren-Hubs aus und testen neue Geschäftsmodelle in einer separaten Unternehmenseinheit oder an einem neuen Standort. So können sie Risiken verringern, praxisorientierte Verfahren entwickeln und neue Methoden anschließend in das Unternehmen zurückführen. Technik muss diese praxisorientierten Verfahren unterstützen, und die Investitionen müssen durch eine Wertschöpfungsdiskussion bestätigt werden. Diese Diskussionen werden auch beim Gartner CIO & IT Executive Summit 2016 in München am 6. und 7. Juni geführt. (pg)