E-Procurement

Digitale Einkaufshilfen zur Miete

30.01.2006 von Lars Reppesgaard
Während für Großunternehmen der elektronische Einkauf längst zum Alltag gehört, tun sich viele kleine und mittelständische Unternehmen beim E-Procurement noch schwer. On-Demand-Lösungen könnten Abhilfe schaffen.

Obwohl die meisten mittelständischen Firmen um die Einsparpotenziale durch den Einsatz von digitalen Einkaufshilfen wissen, setzt laut Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) nur jedes zweite Unternehmen auf die Beschaffung über das Netz. Die Gründe für die Zurückhaltung: knappe Budgets, erwartete Probleme bei der Software-Einführung oder eine unsichere Kosten-Nutzen-Analyse. On-Demand-Lösungen sollen die Hürden für die Mittelständler senken, die bislang hohe Installations- und ungeahnte Folgekosten bei der digitalen Modernisierung des Einkaufs befürchten.

Für Raimund Schlotmann, Geschäftsführer des Anbieters von Einkaufssoftware Onventis GmbH in Stuttgart, geht das On-Demand-Konzept aber über die alte Idee des Application Service Providing (ASP) hinaus. "Während die ASP-Modelle von Hosting-Anbietern getragen werden, sind bei On-Demand-Angeboten die Softwarehersteller die treibende Kraft", erklärt er. Gemietet werden keine abgespeckten dürren Skelettanwendungen, wenn selbst komplexe Spezialsoftware von den Herstellern als Lösung auf Abruf codiert und mit flexiblen Preismodellen verzahnt wird.

Die Marktforscher von IDC erwarten, dass durch das Modell, "Software auf Abruf" (on demand) zu verkaufen, in Deutschland bis zum Jahr 2009 etwa 182 Millionen Euro umgesetzt werden. Beim Branchenverband BME glaubt man, dass die neue Generation von Mietmodellen vor allem dazu beitragen kann, dass sich auch IT-skeptische Unternehmen mit der digitalen Beschaffung auseinander setzen. Sinnvoll wäre das, denn allein die 55 Unternehmen, die der Verband im Sommer 2005 befragte, könnten 177 Millionen Euro mehr erwirtschaften, würden sie sämtliche Möglichkeiten des E-Procurement nutzen.

'Mietlösungen sind für KMU erste Wahl.' Professor Ronald Bogaschewsky, Uni Würzburg

Doch gerade Mittelständlern fehlen Geld und Know-how, um umfangreiche Einkaufs-Suiten zu implementieren, zu pflegen und ihren vollen Funktionsumfang auszunutzen. "Für den Mittelstand sind sicherlich Mietlösungen das Mittel der Wahl, da eigene Installationen und Katalog-Hosting unter Berücksichtigung der Investitionen und des Pflegeaufwands sich oft nicht amortisieren dürften", sagt der Betriebswirtschaftsprofessor Ronald Bogaschewsky von der Universität Würzburg, ein Vorstandsmitglied des BME.

Allerdings definieren nicht alle Anbieter den Begriff "on demand" gleich. Intershop versteht beispielsweise darunter vor allem ein Abrechnungsmodell für seine mächtige Online-Handels-Suite Enfinity. Kunden wie Bofrost zahlen nur für die Transaktionen, die sie tatsächlich über die Softwareplattform aus Jena generieren. Onventis bietet einen Mix aus einzeln zu mietenden Softwaremodulen, Hosting-Angeboten und Preismodellen an.

Verschiedene Definitionen

Bei Kunden wie Jörg Stolz, Leiter Einkauf und Materialwirtschaft bei der Reifenhäuser GmbH & Co. KG, rennen die Unternehmen mit den Mietangeboten in jedem Fall offene Türen ein. "Das On-Demand-Modell ist für uns als Mittelständler betriebswirtschaftlich das Vernünftigste", sagt er. Der permanente Kostendruck im Maschinen- und Anlagenbau hatte zur Folge, dass Einkauf und Materialwirtschaft bei der 1000 Mitarbeiter starken Firmengruppe aus Troisdorf mit einer Minimal-Mannschaft arbeiten.

Eine große Software-Suite kam deshalb nicht in Frage. Stattdessen hatten sich die Beschaffer ursprünglich bei insgesamt fünf unterschiedlichen Webshops angemeldet. Der Vorteil: Mehr als ein Internet-Browser war nicht nötig, um dort einzukaufen. Der Nachteil: Das Werkzeug kam von einem Anbieter, die Transportboxen von einem anderen, das Büromaterial von einem dritten und so weiter. Das bedeutet, dass sich die Einkäufer bei fünf Anbietern einloggen mussten und zu lernen hatten, wie man fünf unterschiedliche Oberflächen bedient.

Was zu beachten ist

Wenn eine Einkaufsabteilung sich für eine On-Demand-Lösung im Bereich des E-Procurement interessiert, steht am Anfang ein Vokabelabgleich: Was versteht der jeweilige Anbieter unter dem Begriff, welche Arbeiten nimmt er einem ab?

Neben dem Bereitstellen einer gehosteten Anwendung können darunter auch die automatische Pflege von Katalogen und ein nutzungsabhängiges Preismodell Teil des Angebots sein. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die hauseigene IT-Abteilung bei der Planung mit ins Boot zu holen. Selbst wenn die Hausinformatiker mit der Implementierung und Nutzung des externen Einkaufssystems nichts zu tun haben, können sie fachliches Know-how beisteuern. Und hausinterne Irritationen werden durch das frühe Einbeziehen der IT ebenfalls elegant vermieden.

Onventis stellte die Softwaremodule bereit, die erforderlich sind, um die strategischen Partner und Lieferanten mit Hilfe von digitalen Katalogen unter einer einheitlichen Oberfläche an das digitale Bestellwesen anzubinden. Die Kosten für die Nutzung orientieren sich an der Anzahl der Benutzerlizenzen, das System wird von den Stuttgartern vorgehalten und fortlaufend aktualisiert - etwa wenn neue Lieferanten in die Beschaffungslandschaft von Reifenhäusern eingebunden werden müssen. 100 Mitarbeiter nutzen heute die E-Procurement-Lösung.

Im Bereich der C-Teile und Werkzeuge reduzierte Stolz damit die Zeit für den Prozessdurchlauf um mehr als die Hälfte. Sein Team spart so 3000 Stunden im Jahr, er selbst hat den Rücken frei, um sich um strategische Aufgaben wie das Identifizieren neuer Lieferanten zu kümmern.

Lars Reppesgaard ist freier Journalist in Hamburg.