Von Viag Interkom über O2 bis zu Telefónica

Die wechselvolle Geschichte von O2

09.11.2012 von Christian Merten
Telefónica Deutschland ist nicht einmal „volljährig“ und hat doch schon mehrere Eigentümerwechsel hinter sich. Ende Oktober folgte der nächste. Der spanische Mutterkonzern Telefónica SA hat knapp ein Viertel seiner deutschen Tochtergesellschaft an die Börse gebracht.

Vor gerade einmal 17 Jahren begann die Geschichte des Unternehmens, das heute als Telefónica Deutschland firmiert: 1995 gründen der deutsche Industriekonzern Viag und die British Telecommunications (BT) die Viag Interkom, zunächst als WAN-Dienstleister für Geschäftskunden. Nicht nur der Mutterkonzern Viag, sondern auch Bestandskunden der BT in Deutschland zählten zu den ersten Kunden. Bereits damals bestimmt ein Thema das Geschäft des Unternehmens, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat: die Kosten für die Anmietung von Netzinfrastruktur bei der Deutschen Telekom.

1995 gründen Viag und die British Telecommunications (BT) die Viag Interkom.
Foto: Viag Interkom

Auf 50 bis 60 Prozent beziffert Geschäftsführer Hans Jochen Weiher damals deren Anteil an den Gesamtkosten. Seine Hoffnung, das Einkaufen von Bandbreite werde günstiger, erfüllt sich nur bedingt: Zwar sinken seither die Entgelte, doch der Anteil der Deutschen Telekom am Umsatz der Mobilfunkbetreiber liegt nach einer aktuellen Studie von Dialog Consult im Auftrag des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) immer noch bei bis zu 65 Prozent.

Die Geschichte von O2
Telefónica Deutschland, vormals O2, ist nicht einmal "volljährig" und hat doch schon mehrere Eigentümerwechsel hinter sich. Ende Oktober brachte der spanische Mutterkonzern Telefónica SA knapp ein Viertel seiner deutschen Tochtergesellschaft an die Börse.
1995: Viag Interkom wird gegründet
Vor gerade einmal 17 Jahren begann die Geschichte des Unternehmens, das heute als Telefónica Deutschland firmiert: 1995 gründen der deutsche Industriekonzern Viag und die British Telecommunications (BT) die Viag Interkom, zunächst als WAN-Dienstleister für Geschäftskunden.
1997: Einstieg ins Mobilgeschäft
Früh entscheidet das Management, ins Mobilfunkgeschäft einzusteigen. Die Lizenz dafür erhält Viag Interkom im Mai 1997. Im gleichen Jahr ändert sich die Eigentümerstruktur zum ersten Mal: Der norwegische Telekommunikationskonzern Telenor steigt ein und übernimmt von den beiden bisherigen Gesellschaften je fünf Prozent.
Im Oktober 1998 ...
... tritt der Newcomer als vierter Anbieter nach Deutscher Telekom, Mannesmann (heute Vodafone) und E-Plus mit Mobilfunkangeboten für den Verbraucher auf den Markt.
1999: Genion und "Home Zone"
1999 zeigt Viag Interkom die Innovationsmöglichkeiten, die im Mobilfunk liegen, und bringt sein Produkt "Genion" auf den Markt: In der sogenannten Homezone werden Kunden unter einer Festnetznummer auf ihrem Handy erreichbar und können dort verbilligt über ihr Mobiltelefon auch anrufen. Die Idee dahinter: Die Kunden können so auf einen Festnetzanschluss verzichten, ohne zu Hause die höheren Kosten für Mobilfunkgespräche zahlen zu müssen.
2000: Teure UMTS-Versteigerung
Als einer von sechs Bietern beteiligt sich Viag Interkom an der Versteigerung der UMTS-Lizenzen im Jahr 2000. Wie die Wettbewerber legt das Unternehmen mehr als 8 Milliarden Euro auf den Tisch, um am aussichtsreichen Geschäft mit schnellen Datenverbindungen verdienen zu können. Doch das läuft erst spät so richtig an.
Doch erst 2005 kommen mehr ...
... multimediataugliche Handys auf den Markt, die Nachfrage nach schnellen Mobilfunkdatenverbindungen steigt. Heute sind es gerade die mobilen Datenverbindungen, die für Dynamik bei den Telekommunikationsunternehmen sorgen. In diesem Jahr, so die Marktforscher von Dialog Consult, soll das mobile Datenvolumen um rund ein Drittel auf 130,7 Millionen Gigabyte steigen, knapp 200 Megabyte pro Monat und Nutzer.
2001: mm02 an der Börse
Ein riesiger Schuldenberg von mehr als 50 Milliarden Euro lastet auf British Telecommunications. Um sich finanziell wieder Luft zu verschaffen, trennt sich das ehemalige Staatsunternehmen Ende 2001 von seinem Mobilfunkgeschäft, in das er auch den Großteil von Viag Interkom eingebracht hat, durch einen Aktiensplit. Die Aktien des neuen Unternehmens mit Namen mmO2 werden fortan in London und New York an der Börse gehandelt.
2003: UMTS startet langsam
2003 wird das Startjahr für UMTS in Deutschland. Zumindest theoretisch. Nach der Versteigerung der Lizenzen hatten sich die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, bis 2003 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS zu versorgen. O2 erweitert seinen Vertrag über das nationale Roaming mit T-Mobile um UMTS.
2004: UMTS-Karte für Notebooks
Erst 2004 beginnt die kommerzielle Nutzung der teuer ersteigerten UMTS-Frequenzen. O2 Germany bringt mit einer UMTS-/GPRS-Karte für Notebooks sein erstes UMTS-Produkt mit entsprechendem Tarif auf den Markt. Das Unternehmen investiert in seine Marke O2 und eröffnet unter anderem seinen ersten Flagship-Store in München.
2006: O2 Germany überspringt die 10-Millionen-Marke bei Kunden.
Technisch schaltet das Unternehmen gegen Ende 2006 den Turbo für UMTS an und startet HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) und ermöglicht so Megabit-Geschwindigkeiten im Mobilfunknetz.
2007: Einstieg ins Discountgeschäft mit Fonic
Der Wettbewerb um Marktanteile auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wächst. Insbesondere E-Plus erhöht immer wieder mit niedrigen Preisen für Flatrates unter seiner Marke Base den Preisdruck im Markt. O2 Germany steigt 2007 in das Discountgeschäft ein und geht mit der Marke Fonic an den Start. Im Festnetzgeschäft verschärft sich der Ton unter den Wettbewerbern.
2008 passt O2 ...
... seinen Unternehmensnamen an den Mutterkonzern Telefónica an. Die deutsche Tochter bekommt den Namen Telefónica O2 Germany. O2 bleibt die wichtigste Marke, unter der das Unternehmen seine Produkte und Services anbietet. Das Festnetz von Telefónica Deutschland gehört jetzt auch zum Unternehmen.
2009: "Kostenairbag" für O2-Kunden
Das immer dichter und für Kunden verwirrender gewordene Tarifdickicht bekämpft Telefónica O2 Germany im Jahr 2009 mit dem Tarif "O2o" und beschert der Welt das Wort "Kostenairbag". Die Leser des Telekommunikationsmagazins connect wählen O2o zur Tarif-Innovation des Jahres.
2010: LTE-Versteigerung
Im Mai des Jahres bietet Telefónica O2 Germany bei der Versteigerung der LTE-Frequenzen mit. Verglichen mit der UMTS-Auktion im Jahr 2000 bleiben die Preise niedrig: 1,38 Milliarden Euro muss das Unternehmen für seine ersteigerten LTE-Frequenzen hinlegen. Unternehmenschef René Schuster kündigt noch für Ende des Jahres den Betrieb des ersten regionalen LTE-Netzwerks an.
2010: Mobilfunk im eigenen Netz
2010 hat die ehemalige Viag Interkom es geschafft und kann ohne die Hilfe der Deutschen Telekom bundesweit Mobilfunk über das eigene Netz anbieten. Das hatte O2 bereits Ende 2008 so ausgebaut, dass das Unternehmen nach eigenen Angaben 99 Prozent der Bevölkerung erreichte. Die Kooperation mit T-Mobile endet Anfang des Jahres. Sein Festnetzgeschäft vergrößert Telefónica in Deutschland durch den Erwerb der Hansenet.
2014: Übernahme von E-Plus
Im Sommer 2014 übernimmt Telefónica O2 den Konkurrenten E-Plus und steigt damit zum größten deutschen TK-Konzern auf. Die Marke "Base" wird im Zuge der Fusion aufgegeben, insgesamt 1600 Stellen fallen bis 2018 weg.

1997: Einstieg ins Mobilgeschäft

Früh entscheidet das Management, ins Mobilfunkgeschäft einzusteigen. Die Lizenz dafür erhält Viag Interkom im Mai 1997. Im gleichen Jahr ändert sich die Eigentümerstruktur zum ersten Mal: Der norwegische Telekommunikationskonzern Telenor steigt ein und übernimmt von den beiden bisherigen Gesellschaften je fünf Prozent. Knapp eineinhalb Jahre lang baut das Unternehmen sein Netz auf, zunächst mit dem Schwerpunkt auf acht Ballungszentren.

Im Oktober 1998 brachte Viag Interkom Mobilfunkangebote auf den Markt.
Foto: Norman Pogson/Fotolia.com

Im Oktober 1998 tritt der Newcomer als vierter Anbieter nach Deutscher Telekom, Mannesmann (heute Vodafone) und E-Plus mit Mobilfunkangeboten für den Verbraucher auf den Markt. Wirklich komfortabel funktioniert das bundesweite Telefonieren damals noch nicht. Um auch zwischen den Ballungszentren die Verbindung zu ihren Gesprächspartnern zu ermöglichen, nutzt das Unternehmen einen Trick: Wenn Kunden hinter ihrer PIN eine "1" eingeben, identifizieren die Mobilfunknetze sie als vermeintliche Kunden der Swisscom. So können sie über die Roaming-Abkommen des Schweizer Anbieters auch über Nicht-Viag-Interkom-Netze telefonieren.

Doch dieses Konstrukt dauert nicht lang. Im August 1998 schließt Viag Interkom einen Vertrag mit der Deutschen Telekom, der über Roaming mit deren D1-Netz für bundesweite Erreichbarkeit sorgt. Bis Ende 2009 hält diese Verbindung. Dann hat der zuletzt gestartete Mobilfunkanbieter sein eigenes Netz deutschlandweit so weit ausgebaut, dass er nicht mehr auf einen anderen Provider angewiesen ist.

1999: Genion und "Home Zone"

1999 zeigt Viag Interkom die Innovationsmöglichkeiten, die im Mobilfunk liegen, und bringt sein Produkt "Genion" auf den Markt: In der sogenannten Homezone werden Kunden unter einer Festnetznummer auf ihrem Handy erreichbar und können dort verbilligt über ihr Mobiltelefon auch anrufen. Die Idee dahinter: Die Kunden können so auf einen Festnetzanschluss verzichten, ohne zu Hause die höheren Kosten für Mobilfunkgespräche zahlen zu müssen. Lange Zeit bleib dieser virtuelle Festnetzanschluss ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens. Erst Jahre später ziehen die Wettbewerber nach. Doch mittlerweile hat sich das Unternehmen von diesem Tarifmodell verabschiedet.

2000: Teure UMTS-Versteigerung

Auch Viag Interkom nahm 2000 an der Versteigerung der UMTS-Lizenzen teil.
Foto: Fotolia, N.J. Schirado

Als einer von sechs Bietern beteiligt sich Viag Interkom an der Versteigerung der UMTS-Lizenzen im Jahr 2000. Wie die Wettbewerber legt das Unternehmen mehr als 8 Milliarden Euro auf den Tisch, um am aussichtsreichen Geschäft mit schnellen Datenverbindungen verdienen zu können. Doch das läuft erst spät so richtig an. Lange brauchen alle Unternehmen, bis sie ihr UMTS-Netz aufgebaut haben und in Betrieb nehmen können. Erst 2005 kommen mehr multimediataugliche Handys auf den Markt, die Nachfrage nach schnellen Mobilfunkdatenverbindungen steigt. Heute sind es gerade die mobilen Datenverbindungen, die für Dynamik bei den Telekommunikationsunternehmen sorgen. In diesem Jahr, so die Marktforscher von Dialog Consult, soll das mobile Datenvolumen um rund ein Drittel auf 130,7 Millionen Gigabyte steigen, knapp 200 Megabyte pro Monat und Nutzer.

Größere Veränderungen in der Eigentümerstruktur kündigen sich ebenfalls im Jahr 2000 an: Viag fusioniert mit dem Energiekonzern Veba, der Anteile an E-Plus hält, zur E.On. Der neu entstandene Energieriese will aus Viag Interkom aussteigen, British Telecommunications dessen Anteile und die von Telenor übernehmen. Für Telenor wird das zu einem äußerst gewinnreichen Deal: Von 1997 bis 2000 haben die Norweger 440 Millionen Euro in Viag Interkom investiert; für ihre 10 Prozent erhalten sie von den Briten rund 1,6 Milliarden Euro. Die E.On bekommt 7,25 Milliarden Euro für ihre 45 Prozent.

Ende des Jahres 2000 übersteigt in Deutschland die Zahl der Handyverträge in Höhe von 48 Millionen die Zahl der Festnetzanschlüsse von rund 40 Millionen.

2001: Viag Interkom wird zurechtgestutzt

Anfang 2001 werden die Übernahmen wirksam. British Telecommunications ist alleiniger Eigentümer von Viag Interkom und teilt seine neue Tochter neu auf: Viag Interkom wird auf das reine Mobilfunkgeschäft zurechtgeschnitten, das Festnetzgeschäft wird in den Unternehmensteil BT Ignite eingebracht. Mit der Trennung folgt der Mutterkonzern dem auch bei anderen Telekommunikationsunternehmen vorherrschenden Trend zur Aufspaltung. Nur wenige Jahre später wird es als Nachteil angesehen, wenn ein Mobilfunkprovider seinen Kunden nicht auch schnelle Festnetzanschlüsse anbieten kann. Längst ist das Nachfolgeunternehmen Telefónica Germany zum einen durch das Netz des Mutterkonzerns Telefónica, zum anderen durch den Kauf von Hansenet wieder im Festnetz aktiv.

2001: mm02 an der Börse

Ein riesiger Schuldenberg von mehr als 50 Milliarden Euro lastet auf British Telecommunications. Um sich finanziell wieder Luft zu verschaffen, trennt sich das ehemalige Staatsunternehmen Ende 2001 von seinem Mobilfunkgeschäft, in das er auch den Großteil von Viag Interkom eingebracht hat, durch einen Aktiensplit. Die Aktien des neuen Unternehmens mit Namen mmO2 werden fortan in London und New York an der Börse gehandelt.

Technisch bringt Viag Interkom das schnelle Internet voran. Das Unternehmen reklamiert für sich, Anfang 2001 als erster bundesweit mit General Packet Radio Service (GPRS) den Datenverkehr im Mobilfunk von einfacher Modemgeschwindigkeit auf etwa ISDN-Tempo zu beschleunigen. Die Deutsche Telekom hatte ihr GPRS-Angebot bereits 2000 gestartet, allerdings nicht gleich über ihr gesamtes Netz.

2002: O2 Germany kommt

Im Jahr 2002 erhält Viag Interkom einen neuen Namen: O2 Germany heißt fortan der vierte Mobilfunkanbieter auf dem deutschen Markt. Ein absurd anmutender Streit entbrennt am neuen Namen. Die Vodafone D2 GmbH befürchtet, dass O2 mit D2 verwechselt werden könnte und setzt durch, dass O2 Germany im Namen entweder eine kleine, tief gestellte 2 oder ein kleines o verwenden muss.

Wichtiger ist jedoch die wirtschaftliche Entwicklung: O2 Germany verlässt die Verlustzone und erwirtschaftet erstmals ein positives Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Ende 2002 zählt das Unternehmen gut 4,5 Millionen Mobilfunkkunden und bleibt Vierter im Wettbewerb - bis heute.

2003: UMTS startet langsam

2003 wird das Startjahr für UMTS in Deutschland. Zumindest theoretisch. Nach der Versteigerung der Lizenzen hatten sich die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, bis 2003 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS zu versorgen. O2 erweitert seinen Vertrag über das nationale Roaming mit T-Mobile um UMTS. Doch kaum jemand interessiert sich für den Service - auch wenn damit Übertragungsgeschwindigkeiten im Megabitbereich möglich wurden. Die Netze sind für die mobile Nutzung noch nicht ausreichend ausgebaut. Die hohen Kosten für Lizenzen und Netzausbau machen allen Mobilfunkern zu schaffen.

2004: UMTS-Karte für Notebooks

Erst 2004 beginnt die kommerzielle Nutzung der teuer ersteigerten UMTS-Frequenzen. O2 Germany bringt mit einer UMTS-/GPRS-Karte für Notebooks sein erstes UMTS-Produkt mit entsprechendem Tarif auf den Markt. Das Unternehmen investiert in seine Marke O2 und eröffnet unter anderem seinen ersten Flagship-Store in München.

Einen speziellen Tarif für das Surfen zu Hause führt O2 Germany 2005 ein. Das Unternehmen folgt damit der Logik seines Produktes Genion. Nicht per Festnetz, sondern per Mobilfunk ermöglicht das Unternehmen seinen Kunden die Nutzung des Internets und bringt einen speziellen UMTS-Router unter dem Markennamen surf@home auf den Markt.

2006: Telefonica greift zu

Ende 2005, Anfang 2006 steht bei O2 wieder ein Eigentümerwechsel an. Die spanische Telefónica S. A. übernimmt den Mobilfunkbetreiber, der aus der Zeit als Tochter von British Telecommunications nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien und Irland aktiv ist. Wert des Deals: 26 Milliarden Euro. Die Spanier kaufen dafür ein Geschäft mit 25 Millionen Mobilfunkkunden und lösen damit die Deutsche Telekom als zweitgrößten Telekommunikationskonzern in Europa nach der britischen Vodafone ab. Telefónica ist vor allem auf dem spanischen Heimatmarkt und in Lateinamerika stark gewachsen. Von den 173 Millionen Kunden des Konzerns telefonieren rund 100 Millionen mobil.

Im Festnetzbereich vereinbart Telefónica Deutschland eine Zusammenarbeit mit Hansenet, einem Telekommunikationsunternehmen, das aus der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG hervorgegangen ist und mittlerweile zu Telecom Italia gehört. Hansenet will über die Zusammenarbeit deutschlandweit eine bessere DSL-Abdeckung erreichen. Telefónica ist vor allem seit den Übernahmen der Bertelsmann-Tochter mediaways und von HighwayOne in Deutschland als Internet- und Netzwerkdienstleister mit eigenem Festnetz aktiv.

O2 Germany überspringt die 10-Millionen-Marke bei Kunden. Technisch schaltet das Unternehmen gegen Ende 2006 den Turbo für UMTS an und startet HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) und ermöglicht so Megabit-Geschwindigkeiten im Mobilfunknetz.

2007: Einstieg ins Discountgeschäft mit Fonic

Der Wettbewerb um Marktanteile auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wächst. Insbesondere E-Plus erhöht immer wieder mit niedrigen Preisen für Flatrates unter seiner Marke Base den Preisdruck im Markt. O2 Germany steigt 2007 in das Discountgeschäft ein und geht mit der Marke Fonic an den Start. Im Festnetzgeschäft verschärft sich der Ton unter den Wettbewerbern. Telefónica kritisiert die Deutsche Telekom und wirft ihr Missbrauch ihrer starken Marktposition vor allem auf der "letzten Meile" zum Kunden vor. Hansenet steigt ins Mobilfunkgeschäft ein und vertreibt unter dem eigenen Namen Services von O2.

2008 passt O2 seinen Unternehmensnamen an den Mutterkonzern Telefónica an. Die deutsche Tochter bekommt den Namen Telefónica O2 Germany. O2 bleibt die wichtigste Marke, unter der das Unternehmen seine Produkte und Services anbietet. Das Festnetz von Telefónica Deutschland gehört jetzt auch zum Unternehmen.

Nach außen verstärkt das Unternehmen seine Sichtbarkeit. Es startet eine Kampagne über sein gesellschaftliches Engagement unter www.o2engagiert-fuer-morgen.de. In Berlin bekommt eine neue multifunktionale Veranstaltungshalle den Namen O2 World.

2009: "Kostenairbag" für O2-Kunden

Das immer dichter und für Kunden verwirrender gewordene Tarifdickicht bekämpft Telefónica O2 Germany im Jahr 2009 mit dem Tarif "O2o" und beschert der Welt das Wort "Kostenairbag". Damit erklärt das Unternehmen die Besonderheit seines Angebots: An einem Schwellenwert von 60 Euro werden die Kosten für Gespräche und SMS gekappt. Die Leser des Telekommunikationsmagazins connect wählen O2o zur Tarif-Innovation des Jahres.

2010: Mobilfunk im eigenen Netz und LTE-Versteigerung

2010 hat die ehemalige Viag Interkom es geschafft und kann ohne die Hilfe der Deutschen Telekom bundesweit Mobilfunk über das eigene Netz anbieten. Das hatte O2 bereits Ende 2008 so ausgebaut, dass das Unternehmen nach eigenen Angaben 99 Prozent der Bevölkerung erreichte. Die Kooperation mit T-Mobile endet Anfang des Jahres. Sein Festnetzgeschäft vergrößert Telefónica in Deutschland durch den Erwerb der Hansenet.

Im Mai des Jahres bietet Telefónica O2 Germany bei der Versteigerung der LTE-Frequenzen mit. Verglichen mit der UMTS-Auktion im Jahr 2000 bleiben die Preise niedrig: 1,38 Milliarden Euro muss das Unternehmen für seine ersteigerten LTE-Frequenzen hinlegen. Unternehmenschef René Schuster kündigt noch für Ende des Jahres den Betrieb des ersten regionalen LTE-Netzwerks an.

Anfang 2011 ändert das Unternehmen wieder seinen Namen und streicht das "O2" in der Bezeichnung. Es heißt nun nur noch Telefónica Germany. Am Markenauftritt ändert sich dadurch jedoch nichts. O2 bleibt die starke Marke im Unternehmen.

Im Mobilfunkgeschäft erweist sich weiterhin vor allem der Datenverkehr als Wachstumstreiber. Stolz bezeichnet sich das Unternehmen selbst als "Home of Smartphone", das "Zuhause der Smartphones". Neun von zehn bei O2 verkauften Handys sind Smartphones. Doch O2 wird Opfer des eigenen Erfolgs: Das Netz kann nicht überall mit der wachsenden Nachfrage mithalten. An einigen kritischen Ballungspunkten kommt es zu Engpässen; die Verbindung ins Netz ist langsam oder kommt gar nicht zustande. Enttäuschte Kunden beklagen sich bei der Service-Hotline und bekommen die Antwort, dass es sich bei ihnen um einen Einzelfall handele. Ein von ihnen öffnet daraufhin den Blog wir-sind-einzelfall.de. Die Medien greifen das Thema auf. Telefónica geht kommunikativ in die Offensive und gelobt Besserung. Die Wettbewerber halten sich überwiegend zurück, weil sie ähnliche Probleme kennen und auch befürchten. Nur die Deutsche Telekom zeigt kurzfristig Häme.

2012: Börsenpläne für Telefonica in Deutschland

2012 bringt die nächste große Änderung für Telefónica in Deutschland. Nicht nur der Start der mobilen LTE-Angebote erweitert das Geschäft, auch mit der Beteiligung an der konzernweiten Start-up-Initiative Wayra zeigt das Unternehmen seinen Willen, in Wachstumsfelder vorzudringen und diese zu fördern. Ausweiten will das Unternehmen sein Geschäft auf jeden Fall im Bereich Bezahldienste. So pusht das Unternehmen mittlerweile das gemeinsame Bezahlsystem mpass, an dem neben Telefónica auch die Deutsche Telekom und Vodafone beteiligt sind. Und für ihre elektronische Geldbörse Wallet, in der Telefónica mehrere unterschiedliche Bezahlfunktionen digital zusammenfassen will, hat sie die Dortmunder Volksbank als Partner gewonnen.

Vor allem aber trifft die Konzernmutter in Spanien eine Entscheidung, die zu einer erneuten Änderung in der Eigentümerstruktur des Unternehmens führt: 23 Prozent der deutschen Tochtergesellschaft bringt der Konzern an die Deutsche Börse. Mit dem Börsengang kommt übrigens ein neuer Name ins Spiel. Er wird eingedeutscht. Das Unternehmen heißt jetzt Telefónica Deutschland. Einnahmen von fast 1,5 Milliarden Euro bringt der Börsengang. Mit ihnen soll vor allem die hohe Schuldenlast der Telefónica SA verringert werden. Nach Angabe der Banken war das Interesse am Börsengang groß und die Aktien mehrfach überzeichnet. Investoren lockte das Unternehmen unter anderem mit einem attraktiven Dividendenversprechen und dem starken Umsatzwachstum der letzten Jahre. Der Aktienkurs steigt gleich am ersten Tag von 5,60 Euro um 4,2 Prozent auf 5,84 Euro. „Der Appetit auf unsere Aktien ist überwältigend, und wir sind hocherfreut", kommentiert René Schuster, der Chef von Telefónica Deutschland, den ersten Börsentag.

Getrübt wird die Freude allerdings durch die große Aufregung, die am Tag des Börsengangs als Reaktion auf Pläne einer Telefónica-Tochter in Großbritannien entsteht: „Telefónica Dynamic Insights“ will mit ihrem Produkt Smart Steps Informationen an Geschäftskunden und Behörden verkaufen: Beispielsweise darüber, wieviele Menschen – möglicherweise unterteilt nach Altersgruppen, Geschlecht oder anderen Merkmalen – sich wo wie lange aufgehalten haben. Doch für deutsche Kunden ist das nichts, entscheidet Telefónica Deutschland nach dem negativen Medienecho nur zwei Tage später. „Datenschutz und Kundenzufriedenheit haben bei Telefónica oberste Priorität. Nach dem Feedback unserer Kunden haben wir uns nun allerdings entschieden, Smart Step in Deutschland nicht einzuführen“, verkündet ein Telefónica-Sprecher.

Die ersten Geschäftszahlen, die das Unternehmen als börsennotierte Firma veröffentlicht, können sich sehen lassen: Im dritten Quartal 2012 steigt der Umsatz im Jahresvergleich um 4,1 Prozent auf gut 1,3 Milliarden Euro. Und auch bei den Kundenanschlüssen legt das Unternehmen um 4,1 Prozent zu, auf 25,32 Millionen. Wie erfolgreich René Schuster mit seiner Mannschaft von Telefónica Deutschland die Wachstumsgeschichte des Unternehmens fortschreiben kann, wird sich zeigen. Der Wettbewerb auf dem deutschen Markt ist hart.

Einen großen Teil der eigenen Einnahmen wird Telefónica Deutschland auch weiterhin an den größten Wettbewerber in Deutschland, die Deutsche Telekom, für die Nutzung von deren Leitungen zahlen müssen. Der Ausbau von LTE- und Glasfasernetz sowie die Erweiterung der Datenkapazitäten im UMTS-Netz werden hohe Investitionen erfordern. Die Preise für klassische Telekommunikationsservices sinken. Neue Erlösmodelle müssen her. Die Herausforderungen wird das Unternehmen nur erfolgreich meistern, wenn es die Wandlungsfähigkeit seiner noch jungen Geschichte bewahren kann. (wh)