Skype-Manager im Interview

"Die Walled Gardens drohen zurückzukommen"

29.03.2010 von Manfred Bremmer
Skype-Mobile-Chef Russ Shaw erklärt im CW-Gespräch, warum sich Mobilfunker bei Missachtung der Netzneutralität ins eigene Fleisch schneiden.

CW: Skype auf dem Smartphone ist grundsätzlich eine gute Idee. Allerdings haben die Nutzer nach wie vor mit Restriktionen zu kämpfen, da die Anwendung häufig nicht gestattet und blockiert wird.

Shaw: Das stimmt nur teilweise. In den USA haben wir erst kürzlich eine Partnerschaft mit Verizon bekannt gegeben. AT&T hat im August 2009 Voice via UMTS freigegeben. Was Europa anbelangt, hat die EU-Kommission eine klare Meinung zu Netzneutralität und offenem Internet. Allerdings sehen wir noch keine Bemühungen der Mitgliedsländer, dies umzusetzen.

CW: Hierzulande scheinen die Mobilfunkanbieter ja prinzipiell nichts gegen die Skype-Nutzung zu haben - wenn auch, wie bei Vodafone und T-Mobile, nur gegen Aufpreis?

Shaw: Das ist nicht fair. Die Kunden geben bereits so viel Geld für ihren Mobilfunkvertrag aus. Untersuchungen zeigen zudem, dass es sich dabei um die aktivsten und damit einträglichsten Kunden handelt. …

CW: Die meisten von ihnen haben eine Flatrate und reizen diese bis zum Anschlag aus. Die Netzprobleme des exklusiven iPhone-Anbieters in den USA, AT&T, sprechen doch für sich.

Shaw: Die Carrier haben ein Problem mit ihrer Preisstruktur. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es nur eine sehr kleine Gruppe ist, die exzessive Nutzung betreibt. Wir sehen, wo der Trend hingeht, nämlich zu einer IP-Evolution. Daher wird der Druck auf die Carrier weiter steigen.

CW: Wie werden die reagieren? Glauben Sie, dass eine Mehr-Klassen-Gesellschaft kommt, in der etwa Business-Nutzer dafür zahlen, dass ihre Daten bevorzugt weitergeleitet werden?

Shaw: Das eher nicht. Möglicherweise müssen sie aber für eine bestimmte Bandbreite zahlen, wie wir es aus der DSL-Welt kennen. Man darf nicht vergessen, dass wir gerade einmal zwei Jahre mobiles Internet zurückblicken und mit neuen Technologien ganz andere Möglichkeiten kommen.

CW: Bislang haben die Carrier Chancen zur Differenzierung nur begrenzt wahrgenommen.

Shaw: Die Zukunft wird zeigen, wer sein Netz gut ausgebaut hat. Es wäre jedoch falsch, den Kunden zu benachteiligen und die Schuld an der schlechten Netz-Performance anderen zuzuschieben.

CW: Zumindest Telefónica scheint die Zeichen der Zeit mit dem Kauf des VoIP-Anbieters Jajah erkannt zu haben.

Shaw: Das stimmt. Skype wäre aber effektiver gewesen - allerdings auch etwas teurer als die für Jajah gezahlten 200 Millionen Dollar.

"Trotz Skype-Nutzung gehen Sprachumsätze nicht zurück"

CW: Viele Carrier befürchten, dass ihre Sprachumsätze einbrechen, wenn sie die Skype-Nutzung freigeben.

Shaw: Wir können anhand eines konkreten Beispiels beweisen, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Beim britischen Carrier 3 zeigte sich bei einer Untersuchung des Nutzerverhaltens, dass die Sprachumsätze trotz Skype nicht zurückgehen. Es kann auf jeden Fall keine Lösung sein, bestimmte Anwendungen zu blockieren. Damit drohen wir nach fünf oder sechs Jahren 'Freiheit' wieder in die Walled-Garden-Situation zurückzufallen, bei denen die Kunden nur auf bestimmte, vom Carrier ausgewählte Netzinhalte zugreifen können.

CW: Ein anderer Ansatz, der in der Industrie diskutiert wird, ist es, die Verantwortlichen für das verstärkte Netzaufkommen, also Google, aber auch Skype, zur Kasse zu bitten.

Shaw: Das wäre der falsche Weg. Die Carrier wollen sich doch mit ihrem Angebot vom Wettbewerb abheben. Um Smartphones zu verkaufen, haben sie mit der Erfahrung des Mobile Internet geworben. Kunden mögen Firmen wie Skype, weil sie durch die Möglichkeit der ständigen Erreichbarkeit stark zum Nutzererlebnis beitragen.