Die Schranke zwischen TK und IT fällt

29.08.2007
Das getrennte Management beider Seiten der Informations- und Kommunikationstechnik verschwindet, berichten die Analysten von IDC.

Einen "Paradigmenwechsel" sagt das Marktforschungsinstitut IDC voraus: Bisher behandelten IT-Anwender und -Anbieter die Kommunikations- und die Informationstechnik als zwei unterschiedliche Fachgebiete. In Zukunft werde aber die technische Entwicklung zu einer Verschmelzung der Ressorts führen. Zu dieser Prognose kommt IDC in der Studie "ICT: A Forced Marriage or Perfect Match Between Networks and Software". Autor Dan Bieler zieht einen Vergleich: "Die Netzwerk-Infrastruktur bildet das Skelett, die IT das Nervensystem der IuK-Umgebung."

In den meisten Unternehmen werde heute die Kommunikationsumgebung separat von der IT-Infrastruktur aufgebaut und gepflegt. Auch die Anbieter seien auf einen der beiden Aspekte spezialisiert. Technische Faktoren ließen aber eine Integration erwarten. Schlagworte wie Voice over IP (VoIP), Konvergenz von Sprach- und Datenübertragung oder von mobilen und Festnetzsystemen zeigten die Richtung an. Next-generation Networks (NGNs) basierten allesamt auf dem Internet Protocol, während auf der IT-Seite mit Web 2.0 ein Trend zu Integration und flexibler Organisation manifest werde. "Die Entstehung einer IP-basierenden Netzwerk-Infrastruktur bringt die Chance einer integrierten Informations- und Kommunikationstechnik", erklärt IDC-Analyst Bieler. "Das wird keine leichte Aufgabe, aber ist der Anfang einer IuK-Revolution."

IDC-Analyst Dan Bieler: "Die Netzwerk-Infrastruktur bildet das Skelett, die IT das Nervensystem der IuK-Umgebung."

Zunehmend müssten mobile Anwender in ursprünglich stationär geplante IT-Lösungen eingebunden werden. Sie benötigen jederzeit Zugriff auf Business-Anwendungen, beispielsweise ERP- und CRM-Applikationen, und ihnen zugrunde liegende Datenbanken. Dies erfordere Sicherheitslösungen, die über ein Single-Sign-on hinaus so angelegt sein müssen, dass sie den Mitarbeitern keine demotivierenden Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit unterwegs bereiten. Die einzige Lösung sieht IDC in der Verwendung offener Standards, weil nur sie eine einheitliche Grundlage für verschiedene mobile Geräte und Anwendungen bilden. IDC-Analyst Bieler folgert: "Offene Systeme sind einer der am meisten unterschätzten Treiber für die IuK-Technik."

Allerdings, so räumen die Marktforscher ein, stehen der eigentlich unausweichlichen Entwicklung bedeutende Hemmnisse entgegen. Das wichtigste ist die eingeengte fachliche Qualifikation der IT-Unternehmen und der Mitarbeiter auf Anwenderseite. Die Mitarbeiter konzentrierten sich gar auf noch engere "Kompetenzsilos" wie Server-, Datenbank-, Netzwerk- und End-User-Administration. Die Überwindung dieser Abschottungen bereite, so Analyst Bieler, "ein signifikantes Potenzial für menschliche Konflikte, das die ICT-Integration behindern kann".

Weil die Funktionsbereiche eigene Beziehungen zu Anbietern pflegen, seien die Anwenderunternehmen gefordert, "von oben" auf eine Verschmelzung der Ressorts hinzuwirken. Dies sei eine Aufgabe von CIOs und IT-Leitern. Und der könnten sie eigentlich ohnehin nicht entgehen. Denn für Anbieter mit einem integrierten Portfolio von IT- und Kommunikationslösungen seien nicht mehr einzelne Fachgebiete, sondern eine übergeordnete Ebene die idealen Ansprechpartner.

Doch auch Lösungsanbieter für das IT-Management hätten in Sachen Sprachkommunikationstechnik bisher wenig zu bieten, und die Telcos verständen kaum etwas von den Aufgaben der IT-Administratoren. Diese Einseitigkeiten setzen sich bei ihren Vertriebspartnern fort. Bisher sei, so IDC, kein Anbieter so weit, jenseits seines Stammangebots viel mehr als Einzellösungen vorweisen zu können. Die Analysten empfehlen den Anwendern, eigentlich nur eine Frage zu stellen: Versteht der Anbieter wirklich etwas von den Anforderungen der Kommunikation – beziehungsweise von Softwarelösungen und Systemintegration? Die Antwort nimmt Analyst Bieler gleich vorweg: "Nicht wirklich."

Daher rät der Marktbeobachter den Anwendern, darauf zu achten, ob IT- und Kommunikationsanbieter Allianzen miteinander eingehen. Denn es sei weniger zu erwarten, dass die Anbieter in den ihnen bisher fremden Fachgebieten aus eigener Kraft Kompetenzen aufbauten. Einzelne Defizite würden auf das IT-Management spezialisierte Firmen durch Aufkäufe zu beheben versuchen, eine für dieses Anbietersegment typische Strategie der letzten Jahre. Noch wichtiger allerdings würden immer engere Bündnisse zwischen Anbietern von Sprachdiensten und von IT-Services. Bieler: "Software as a Service (SaaS) wird einhergehen mit Communication as a Service (CaaS)."

Der Prozess zur Herausbildung eines integrierten IuK-Angebots werde sich über mehrere Jahre hinziehen. Die besseren Chancen im Wettbewerb räumt IDC dabei den bisher IT-orientierten Anbietern ein. Denn sie hätten mehr Erfahrungen mit einem Trend von Lösungen zu Services, und sie passten eher zur Einstellung vieler Anwender, wonach Kommunikation einfach ein weiterer Service sei. Allerdings warnen die Analysten davor, diesen auf die leichte Schulter zu nehmen: Sprachkommunikation sei die geschäftskritischste Anwendung überhaupt. "Unsere Sprachdienste sind ausgefallen, wir arbeiten an dem Problem", sei unter den Bedingungen einer integrierten IuK-Umgebung keine akzeptable Fehlermeldung. (ls)