Die Reihen der IT-Töchter lichten sich

29.09.2004 von Ingo Marjan
Auf dem Markt der IT-Töchter deutscher Konzerne findet eine fundamentale Umstrukturierung statt. IT-Ausgründungen werden fusioniert, reintegriert oder an Outsourcer verkauft. Der Verbleib im Konzernverbund ist jedoch möglich und sinnvoll, wenn die IT-Töchter die eigenen Abläufe überarbeiten und die Unternehmensstrategie am Kerngeschäft des Konzern, ihres wichtigsten Kunden, ausrichten.

Die sich seit drei Jahren abzeichnende Konsolidierung im Markt der Konzern-IT-Töchter und IT-Bereiche geht in eine entscheidende Phase. Den Startschuss zum Finale gab der Thyssen-Krupp-Konzern mit dem Verkauf seiner IT-Tochter Triaton an Hewlett-Packard. Es folgten Karstadt-Quelle und die West LB, die jüngst einen Großteil der IT-Verantwortung ihren IT-Töchtern Itellium und West LB Systems entzogen, um sie den Dienstleistern Atos Origin und T-Systems zu übergeben. Zum Verkauf steht zudem RAG Informatik, IT-Ableger des Ruhrkohle-Konzerns. Andere deutsche Konzerne haben bereits gehandelt oder prüfen zumindest im Stillen alle Optionen zwischen Verkauf, komplettem Outsourcing und einer Reintegration der IT-Einheit in den Konzern.

IT-Töchter in Bedrängnis

Die Vorstände der Mutterkonzerne drücken aus gutem Grund aufs Tempo. Im Zuge der Neuausrichtung ihrer Konzernstrategie konzentrieren sie sich auf ihre Kernkompetenzen. Höchste Priorität dabei hat, was die Kosten senkt oder die Bilanz verkürzt. Beim Aussortieren der Randbereiche stehen die IT-Töchter auch deshalb schnell ganz oben auf der Agenda, weil die meisten IT-Ausgründungen die Geschäftspläne der Vergangenheit verfehlt und die umfangreichen und vom Konzern getragenen Investitionen in Marketing, Vertrieb und Unternehmensaufbau sich kaum ausgezahlt haben. In diese Überlegungen platzen die Offerten der Outsourcing-Anbieter hinein. In Akquisitionsgesprächen versprechen sie, fast jeden Wunsch nach Kostensenkung und Qualitätssicherheit zu erfüllen. Last, but not least herrscht die Hoffnung, der Dienstleister werde für die IT-Töchter strategische Prämien, sprich einen Extraaufschlag, zahlen.

Das Management der IT-Ausgründungen hat mittlerweile erkannt, dass nur die aktive Diskussion des Outsourcing-Themas weiterhilft (siehe Kasten "Chronik der IT-Töchter"). Die erste Auswertung einer aktuellen Befragung unter den Entscheidern in deutschen IT GmbHs zeigt, dass man gewillt ist, sich den Konsequenzen zu stellen.

Pro und kontra Outsourcing: Die Entscheidung bleibt schwierig: Argumente sammeln: Das Management der IT-Ausgründungen hat mittlerweile erkannt, dass nur die aktive und offensive Diskussion des Outsourcing-Themas weiterhilft. Entsprechend lassen sich Vor- und Nachteile auflisten.

Vergleichbarkeit herstellen

Der erste Schritt, die eigene IT-Tochter zukunftsfähig auch innerhalb des Konzernverbunds aufzustellen, lautet: Vergleichbarkeit schaffen. Auch wenn die IT-Ausgründungen die IT-Outsourcer als Bedrohung empfinden, ist es sinnvoll, sich mit ihnen zu messen, um das zukünftige Aktionsfeld des Unternehmens abstecken zu können. Generische Benchmarks, die den Eigenheiten der Prozesslandschaft keine Beachtung schenken, sind kaum geeignet. Als probates Mittel haben sich dagegen Benchmarking-Kreise mit Branchenunternehmen erwiesen. Die Bereitschaft der Konkurrenz, sich untereinander zu messen, ist größer, als man vermuten mag. Es bedarf nur einer neutralen Clearing-Stelle, die die Prozessvergleichbarkeit sicherstellt.

Wertschöpfungskette am Konzern ausrichten

Handlungsbedarf besteht darüber hinaus meistens darin, die eigene Wertschöpfungskette am Konzernkunden auszurichten. Dies ist die Basis dafür, der Mutter mit passenden IT-Lösungen einen Wettbewerbsvorteil im Kerngeschäft verschaffen zu können. Derzeit sind IT-Unternehmen für diese Aufgabe noch zu stark technologiegetrieben und zu wenig am Kundenbedarf ausgerichtet. In einem ersten Schritt müssen die Wertschöpfungsketten der Kunden analysiert und nach IT-Leistungen überprüft werden. Dabei lässt sich in der Regel eine Vielzahl an Leistungen entdecken, denen kein klarer Kundenbedarf gegenübersteht. Gleichzeitig werden Bedürfnisse erkennbar, die noch nicht adäquat erfüllt werden. Im zweiten Schritt muss für jede einzelne Leistung die Make-or-buy-Entscheidung getroffen werden.

Straffes Projekt-Management

Die Abläufe, die weiterhin selber betrieben werden, müssen effizienter gestaltet werden. In der Anwendungsentwicklung und dem Produkt-Management steckt viel Wissen über Kernprozesse des Konzerns, daher sollten sie im Haus verbleiben. Ein straffes Projekt-Management kann die erforderlichen Kapazitäten und Entwicklungszeiträume reduzieren helfen. Analysen in verschiedenen Unternehmen führten zu der Erkenntnis, dass zwischen 20 und 30 Prozent der Mitarbeiter in Projekte eingebunden waren, die entweder ihre Ziele schon lange verfehlt hatten oder von Beginn an überhaupt keine wertschöpfende Funktion besaßen.

Wie erfolgt die Provider-Auswahl: Der Trend weist auf mehr Wettbewerb für die eigene IT-Tochter oder -Abteilung. Völligen Schutz durch Kontrahierungszwang genießt im kommenden Jahr noch jeder fünfte interne IT-Provider.

Outsourcing gezielt einsetzen

Das selektive Outsourcing von Teilbereichen bietet sich als probates Mittel zur Effizienzsteigerung an. Doch auch bei der Fremdvergabe sollten zunächst die internen Abläufe effizient gestaltet werden, bevor sie ausgelagert werden. Funktionierende Schnittstellen zwischen internen und externen Partnern halten die Komplexität des Projektes in Grenzen. Erfolgskritisch ist darüber hinaus, dass weiterhin fachliches Know-how zur Steuerung und Beurteilung des Outsourcers im Hause verbleibt.

Vertrieb und Kunden-Management

Die Abkehr vom Drittmarktgeschäft macht den Vertrieb und das Kunden-Management keineswegs obsolet. Das mag überraschen, doch auch für die Pflege der internen Kunden sind derartige Aktivitäten von elementarer Bedeutung. Nach wie vor müssen sich die IT-Abteilungen und -Ausgründungen dem Wettbewerb um den Konzernkunden stellen. Sie konkurrieren mit externen Dienstleistern und deren professionellem Vertrieb. Ein Account- und Key-Account-Management kann nicht nur Umsatz und Kundenzufriedenheit steigern, sondern sollte auch Betreuungsintensität und -umfang systematisieren. Eine an den Kundenpotenzialen ausgerichtete Vertriebsstruktur führt nicht zum Aufbau neuer Kapazitäten, sondern zu einem effizienteren Einsatz der Mitarbeiter.

IT-Ausgründungen machen Sinn

Unter diesen Voraussetzungen geben eigenständige IT-Einheiten, die als Profit-Center organisiert sind, auch im derzeit angespannten Marktumfeld Sinn. Sie bieten dem Konzern eine gute Basis für Make-or-buy-Entscheidungen. Die Lufthansa AG hat beispielsweise ihre IT-Ausgründung LH-Systems in 18 Töchter umgewandelt, um flexibel und modular zwischen Selbstmachen und Einkaufen wählen zu können.

Fusionen und Übernahmen seit dem Jahr 2000

Der Verkauf der IT-Töchter indes wird schwieriger. IT-Outsourcer sind an den IT-Budgets des Konzerns interessiert, nicht aber an den IT-Töchtern und deren Personal. Hewlett-Packard hat für die Übernahme von Triaton noch einen Kaufpreis gezahlt, der über den Wert der IT-Konzernaufträge hinausging. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Ganz im Gegenteil: Die Konzerne werden für die Auslagerung ihrer kompletten IT-Einheiten inklusive Personal zahlen müssen. Auch deshalb steigen die Chancen vieler IT-Töchter auf eine Zukunft im Konzern.

Das enthebt IT-Töchter und -Bereiche nicht der Pflicht, eine ehrliche und fundierte Entscheidung über ihre zukünftigen Aufgaben zu treffen. Im Wesentliche werden sie darin liegen, den Konzernkunden durch eine adäquate IT-Unterstützung einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das bedeutet in den meisten Fällen: Weniger ist mehr, auch bezüglich der im Eigenbetrieb für den Konzern erbrachten Leistungen. Immerhin scheint sich diese Erkenntnis langsam durchzusetzen.