FAQs zu Itil

Die populärsten ITIL-Missverständnisse

28.04.2013 von Markus Bause
Das internationale Regelwerk IT Infrastructure Library (Itil) in der Version 3 (V3) wird in diesem Sommer sechs Jahre alt. Höchste Zeit, die populärsten Itil-Missverständnisse aufzuklären.
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Das internationale Regelwerk IT Infrastructure Library (Itil) in der Version 3 (V3) erblickte im Sommer 2007 das Licht der Welt. Einerseits war es von großer Neugier begleitet, da der Lifecycle-Ansatz ganz neue Perspektiven hinsichtlich der Nutzeneffekte für die Unternehmen versprach. Andererseits wurde es mit einer gewissen Skepsis betrachtet, da sich die Unternehmen gerade erst mittels Itil V2 von ihrer individuellen, unstrukturierten und technologieorientierten Arbeitsweise getrennt hatten.

ITIL - die häufigsten Irrtümer
ITIL - die häufigsten Irrtümer
Am 29. Juli 2011 wurde das aktuelle Refresh von Itil V3 veröffentlicht. Höchste Zeit, die häufigsten Itil-Missverständnisse aufzuklären.
Itil V4 steht unmittelbar vor der Tür.
Das ist falsch - richtig ist<br><br>In Kürze wird ein Refresh ("Itil Edition 2011) veröffentlicht.
Strategische Prozesse sind in der IT sind unrealistisch.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die Itil-Prozesse helfen dem CIO, sich als Partner des Business zu etablieren.
Der Umstieg von V2 auf V3 ist radikal.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die grundlegenden Konzepte bleiben erhalten.
Itil V3 erhöht nur die Komplexität der Prozesse.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Die Komplexität hat nichts mit der Itil-Version zu tun.
Es ist einfacher, erst einmal mit ITIL V2 zu beginnen.
Das ist falsch - richtig ist: ITIL V3 bietet so viele Verbesserungen, dass es töricht wäre, sie zu ignorieren.
Die Investitionen in Itil V2 sind definitiv verloren.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Investitionen in Prozesse und Standards lassen sich unmittelbar in V3 überführen.
Viele der V3-Prozesse sind in der Praxis überflüssig.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Nicht jeder Prozess muss nach V3 eingeführt werden, aber die Funktion muss abgedeckt sein.
Die V3-Prozesse sind unübersichtlich und schwer steuerbar.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, daran ändert auch Itil V3 nichts.
Die Standards stehen der Flexibilität im Weg.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Definierte Kompetenzen und Prozesse erleichtern die Reaktion auf Änderungen.
Der Nutzen kann die Investition nicht aufwiegen.
Das ist falsch - richtig ist:<br><br>Itil V3 hilft, die Effizienz und Qualität des IT-Service-Managements erheblich zu steigern.
ITIL V3 erfordert einen zu hohen Schulungsaufwand.
Das ist falsch - richtig ist: Die Bedeutung des ITSM ist gestiegen - und damit auch das Anforderungsprofil der Experten.

Inzwischen hat die Skepsis nachgelassen. Dennoch hält sich im Markt eine Reihe von Missverständnissen zu der neuesten Version des Regelwerks. Sie resultieren nicht zuletzt daraus, dass viele der Itil-V2-erfahrenen Praktiker noch der vorherigen Version verhaftet sind, also innerlich noch nicht den Wechsel zur Lifecycle-Sicht vollzogen haben. So wirkt Itil V3 auf sie teilweise nicht ausreichend schlüssig, unnötig komplex oder sogar irritierend.

Mit dem Refresh, sprich: der Überarbeitung, des Frameworks, sollen Praxiserfahrungen aus den vergangenen drei bis vier Jahren Einzug in die Best-Practices-Sammlung finden. Es hat einige inhaltliche Änderungen und Anpassungen gegeben. Aber im Wesentlichen bleiben die Kernaussagen unverändert, weshalb es auch keinen Versionswechsel geben wird. Die Lesbarkeit, Konsistenz und Verständlichkeit der Modelle, Prinzipien, Prozesse und Funktionen sollen allerdings deutlich verbessert werden.

Missverständnis Nummer 1: Itil V4 steht vor der Tür

Über Itil kursieren noch viele falsche Ansichten.
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Richtig ist: Itil befindet sich derzeit in einer Überarbeitung. In der praktischen Anwendung der vergangen Jahre hat sich der in V3 publizierte Service-Lifecycle-Ansatz bewährt. Mit der Version 3 ist Itil quasi erwachsen geworden. Nun stellt das Regelwerk dem Senior-IT-Management ein Basiswerkzeug für die systemorientierte und ganzheitliche Steuerung der IT-Organisation zur Verfügung. Trotzdem wurden einige Inhalte identifiziert, die zu verbessern sind.

Zusammenhänge, Prinzipien und Grundsätze können an vielen Stellen der Library durchaus einfacher und verständlicher erläutert werden. Unpräzise Grafiken werden durch bessere ersetzt. Konsistenz und Lesbarkeit der Bücher wird deutlich verbessert. Das gilt im Besonderen für die Publikationen Service Strategy und Continual Service Improvement. An bestimmten Punkten werden inhaltliche Ergänzungen und Korrekturen vorgenommen.

Wichtig ist aber: Es handelt sich nicht um einen Versionswechsel, denn die Kernaussagen und grundlegenden Inhalte bleiben erhalten. Somit wird Itil auch nach dem Refresh die Versionsnummer 3 tragen - beziehungsweise den Zusatz "Edition 2011". Damit behalten auch alle V3-Zertifizierungen Ihre Gültigkeit. Es wird keine Brücken- oder Update-Seminare und Examen geben. Auch die für die Itil-Expert-Zertifizierung erreichten Punkte bleiben erhalten und müssen nicht neu erworben werden.

Missverständnis Nummer 2: Strategische Prozesse sind unrealistisch

Das Topmanagement bedient sich eigener strategischer Vorgehensweisen; im taktisch-operativen Bereich haben solche Prozesse keinen Nutzen, so die gängige Sichtweise. Die aber lässt fünf Fakten außer Acht:

Zum einen zeichnen sich viele Verantwortliche in der IT aufgrund ihrer beruflichen Entwicklung durch ihre Kompetenzen in der Technik aus, doch sie verfügen bislang eher selten über eine originäre Management-Ausbildung. Die strategischen Prozesse in Itil V3 helfen diesen Managern, sich auf der Ebene der Unternehmensführung sicher zu bewegen.

Zum anderen liefern die in V3 beschriebenen Prozesse einen konsistenten Ansatz, mit dem sich die IT im Service-Management als Partner des Business ausrichten kann. So erhält sie die Chance, sich vom Erfüllungsgehilfen zum aktiven Gestalter zu entwickeln.

Auch auf der taktischen Ebene erweitern die Prozesse den Blickwinkel in Richtung Business. Beispielsweise hilft das Demand-Management dabei, Geschäftsaktivitätsmuster auf der Kundenseite zu identifizieren und die notwendigen Kapazitäten zur Bereitstellung der IT-Services zu optimieren.

Das Service-Portfolio-Management ist im engeren Sinne kein Prozess, sondern eine dynamische Methode zur Investitionssteuerung. Sie unterstützt das IT-Management darin, das Service-Portfolio strategisch, also planvoll, (weiter-) zu entwickeln.

Die strategischen Ziele schließlich sind eine notwendige Rahmenbedingung für die Entwicklung der erforderlichen Richtlinien und der Aktivitäten in vielen anderen Prozessen des Lifecycle. Das gilt etwa für Sourcing-Strategien, Definition von Märkten und Servicetypen sowie die strategische Ausrichtung der Management-Architektur.

Missverständnis Nummer 3: Der Umstieg von V2 nach V3 ist radikal

Viele Unternehmen haben gerade erst V2 eingeführt. Sie empfinden den Umstieg auf V3 als eine neue schwere Herausforderung. Sie sollten jedoch Folgendes wissen:

Die grundlegenden Konzepte aus Itil V2 bleiben gültig. Dies gilt beispielsweise für Prozessorientierung, Serviceausrichtung und Kundenorientierung sowie für Themen der klassischen Support-Kette wie Incident-, Problem- und Change-Management. Deshalb handelt es sich keineswegs um einen radikalen Umstieg.

Itil V3 unterstützt die IT, indem es die zahlreichen Lücken schließt, die beim Service-Management auf der Basis von Itil 2 mühsam und aufwendig überbrückt werden mussten. Beispiele hierfür sind das Event-Management für die Anbindung vieler Aktivitäten im Rechenzentrum, das Access-Management für die Zugriffsverwaltung oder das Supplier-Management für eine einheitliche Steuerung der Lieferanten.

Darüber hinaus enthält Itil V3 eine Reihe "neuer" Prozesse, die in vielen Unternehmen schon lange Realität sind. Dazu gehören Service Validation and Testing: eine klare, von der Entwicklung und dem Deployment getrennte Verantwortung für die Qualitätssicherung. Weiter zählt dazu das Request Fulfilment; hier geht es um eine verlässliche Erfüllung der vereinbarten Serviceleistung. Darüber hinaus ist jetzt das Service Catalogue Management eingeschlossen: Der Servicekatalog als eine zentrale und in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug zu bewertende Informationsquelle kann nicht nebenbei durch den Service-Level-Manager geliefert werden.

Auf den unterschiedlichsten Ebenen bietet Itil V3 eine Vielzahl kleinerer und größerer Verbesserungen. Sie lassen sich im Rahmen einer kontinuierlichen Optimierung auch in bereits eingeführten Prozessen umsetzen.

Darüber hinaus darf die Itil-Umsetzung in die Praxis nicht von der Treue zu einer bestimmten Version geprägt sein. Buchstabengetreue Umsetzung ist kein Qualitätskriterium. Vielmehr müssen sich die Unternehmen an ihren tatsächlichen Herausforderungen, den existierenden organisatorischen Strukturen und ihrer Kultur orientieren. Man spricht hier vom Zuschneiden (Tayloring) auf die individuellen Rahmenbedingungen. Die Itil-Bücher erfüllen ja keinen Selbstzweck. Sie stellen ausschließlich eine Sammlung von Empfehlungen bereit. Was in welchem Ausmaß angewendet wird, ist eine Frage der jeweiligen Zielsetzung und Rahmenbedingungen.

Von daher gibt es in der Unternehmenspraxis auch kein Update der Umsetzung von V2 auf V3 oder auf das nun anstehende Refresh. Die kontinuierliche Verbesserung der organisatorischen Fähigkeiten einer IT-Organisation ist ein niemals endender Prozess. Er kann von Verbesserungen in der Itil-Literatur immer wieder befeuert werden. Ein neues Buch darf aber niemals der Grund für die Implementierung sein.

Missverständnis Nummer 4: V3 erhöht nur die Komplexität der Prozesse

Die Besonderheit der dritten Itil-Version steckt keineswegs in den Veränderungen oder Erweiterungen der Prozesse, sondern in der Verschiebung des Paradigmas: vom Prozessfokus über den Service-Lifecycle-Fokus zum Business-Service-Management. Die Prozesse werden dadurch instrumentalisiert, sind also nur noch ein Mittel zum Zweck und erwecken den Service-Lifecycle zum Leben. Dies ist ein wesentlicher Schritt zur nachweisbaren Wertschöpfung der IT für das Business.

Die Beschreibungen und Empfehlungen in Itil V2 waren auf die individuellen Prozesse ausgerichtet. Das Zusammenwirken der Prozesse hat sich vielfach auf Beschreibungen der einzelnen Schnittstellen beschränkt. Dies ließ viele ganzheitliche Fragen offen, insbesondere in der strategischen Perspektive.

In Itil V3 werden sowohl die IT Prozesse untereinander in Beziehung gesetzt als auch die Ausrichtung an den Services und den Geschäftsprozessen stärker beleuchtet. Die vielfältigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen werden beschrieben und Empfehlungen daraus abgeleitet. Diese stringenten Beschreibungen und die Ausrichtung der IT an der Wertschöpfung waren in der Vorgängerversion allenfalls unzureichend enthalten.

Die übergreifenden und strategischen Zusammenhänge in der aktuellen Version werden oft mit "Komplexität" verwechselt. Doch diese Komplexität ist nicht durch Itil V3 entstanden. Schließlich musste der IT-Manager die anstehenden Fragen nach den strategischen Perspektiven, den ganzheitlichen Wechselwirkungen und der Ausrichtung der IT an diesen Herausforderungen auch mit Itil V2 beantworten. Der Unterschied war der, dass ihn die V2-Bücher hierbei nicht ausreichend unterstützen konnten. Durch die Itil-V3 hat sich Itil endlich als Basis eines übergreifenden Management-Systems für den CIO qualifiziert.

Missverständnis Nummer 5: Es ist einfacher, mit V2 zu beginnen

Wegen der angenommenen Komplexität von Itil V3 halten Einige es für besser, den "einfacheren Weg" einzuschlagen, indem sie zunächst Itil V2 einführen. Später könne man immer noch auf V3 umschwenken, so eine weit verbreitete Sichtweise. Aus folgenden Gründen ist das falsch:

Auch Best Practices werden schrittweise vervollständigt und optimiert. Mit jeder neuen Itil-Version erhalten die Unternehmen zentrale Informationen für die Standardisierung und Optimierung ihrer IT. Die Inhalte von V3 nicht zu nutzen ist deshalb töricht. Es bedeutet, Vorteile und Möglichkeiten für weitere Verbesserungen ungenutzt zu lassen. Die Konsequenzen werden für professionelle IT-Service-Anbieter oder IT-Abteilungen unter Outsourcing-Druck schon mittelfristig sichtbar - nämlich dann, wenn die Mitbewerber sich nach V3 ausgerichtet haben und ihre Leistungen noch standardisierter und kostengünstiger anbieten.

Die Umsetzung von Service-Management in einer IT-Organisation ist überhaupt keine Frage Itil V2 oder Itil V3. Wie schon bemerkt, sollte die Library als ein Hilfsmittel verstanden werden, das mit einer Fülle von Best Practices hilft, die Wertschöpfung der IT-Organisation für das Business sicherzustellen. Das individuelle Zuschneiden auf die Größe der IT, die vorherrschende Kultur oder die zu unterstützenden Geschäftsprozesse ist eine für den Erfolg unverzichtbare Kernaufgabe.

Missverständnis Nummer 6: Die Itil-V2-Investitionen sind verloren

Macht V3 als übergreifendes neues Regelwerk die bisherigen Maßnahmen für Itil V2 überflüssig? Selbstverständlich nicht. Vielmehr handelt es sich bei V3 um eine logische Weiterentwicklung und Fortführung der vorherigen Versionen. Inhalte und Empfehlungen von V2 sind nicht automatisch "falsch" oder "hinfällig". Sie wurden nur konsequent optimiert und vervollständigt.

Insofern sind auch die Investitionen in Itil V2 keinesfalls verloren oder überflüssig; Investitionen in Prozesse und Standards lassen sich sogar unmittelbar in V3 überführen. Zum Beispiel können bereits etablierte Prozesse wie Incident-, Problem- oder Change-Management auch in V3 verwendet werden.

Budgets, die für den Know-how-Aufbau aufgewendet wurden, sind sowieso auch rückwirkend gut angelegt. Die grundlegenden Aussagen und Hintergründe zum Thema Service-Management bleiben ja unverändert. Und das stufenweise Zertifizierungsmodell bietet die Möglichkeit, auf Basis bestehender V2-Service-Manager-Examina den Status des Itil-V3-Experten zu erreichen.

Missverständnis Nummer 7: Viele V3-Prozesse sind in der Praxis überflüssig

Auf Herz und Nieren geprüft: die IT-Service-Management-Prozesse
Foto: Fotolia/Gina Sanders

Itil V3 ist durch eine zu große Komplexität mit einer Vielzahl an Prozessen gekennzeichnet, die in der Praxis oft gar nicht benötigt werden. So denken einige IT-Manager. Tatsächlich hat die Zahl der Prozesse gegenüber V2 deutlich zugenommen. Dabei wird aber gern vergessen, dass in V2 nur ein kleiner Ausschnitt des Service Lifecyle abgedeckt war. Und selbst innerhalb dieses Ausschnitts mussten Lücken gefüllt werden, beispielsweise die Anbindung des Monitoring über ein Event-Management. Die Tatsache, dass V3 diese Prozesse mitbetrachtet, macht das Framework vollständiger.

Nicht alle Organisationen werden alle Prozesse als eigenständige Disziplinen einführen müssen. Das galt schon zu Zeiten von Itil V2. Doch sollten die Aspekte, die in den Prozessen behandelt werden, abgedeckt sein.

Dazu ein Beispiel: Ob mit oder ohne Capacity-Management - die Entwicklung der Kapazitätsanforderungen und der Kapazitätsauslastung muss überwacht, analysiert sowie in der Infrastruktur und den Services umgesetzt werden. Wenn ein neuer Service konzipiert werden soll, ist die Frage nach der Anzahl der erwarteten User und Transaktionen zu beantworten; die Antwort muss sich zudem in den Vereinbarungen mit Kunden und Lieferanten widerspiegeln. Capacity-Management bietet hierfür einen strukturierten Ansatz.

Missverständnis Nummer 8: Die V3-Prozesse sind schwer steuerbar

Nach Ansicht Vieler schafft die Komplexität von Itil V3 schwierige und aufwändige Projektbedingungen, die erhebliche Erfolgsrisiken in sich bergen und die Ressourcen des Unternehmens zu stark belasten. Aber kein Unternehmen wird alle Prozesse auf einmal einführen. Es war schon immer eine gute Idee, das Prozess-Framework des Unternehmens kontinuierlich wachsen zu lassen. So ist die Einführung eines Service-Management-Ansatzes - egal ob auf Basis von Itil V2, Itil V3 oder eines anderen Frameworks - mit einer Reise vergleichbar. Auch hier kommt es mehr auf den kulturellen Wandel und die Entwicklung der Menschen an als auf die Route, sprich: die schlichte Definition und Verkündung neuer Prozesse.

Typischerweise beginnen Projekte mit den operativeren ("anfassbaren") Prozessen des Service Support, und sie gehen erst dann zu den eher taktischen, strategischen Prozessen der Service Delivery über. Daran ändert auch die Anwendung von Itil V3 nichts. Service Operation und Service Transition bieten viele Konzepte für Unternehmen, die am Anfang ihrer Reise stehen und kurz- oder mittelfristige Verbesserungen erreichen wollen. Die meisten Unternehmen werden also sicherlich zunächst die Prozesse angehen, die auch früher am Anfang der Einführungen standen.

Die Frage, ob ein Projekt komplex oder einfach ist, wird nicht nur durch das zu bearbeitende Thema bestimmt. Sie liegt vor allem in der Verantwortung des Projektleiters, der den Auftrag planvoll strukturieren, in Arbeitspakete gliedern und zielgerichtet steuern muss. Für die Projektsteuerung stehen bewährte Management-Methoden wie Prince 2 bereit. Der konsequente Einsatz dieser Best-Practice-Methoden ermöglicht es, die Prozesse von Itil V3 den individuellen Anforderungen anzupassen, schrittweise in das Unternehmen einzuführen und weiter zu optimieren.

Missverständnis Nummer 9: Die Standards behindern die Flexibilität

Das Flexibilität für jedes Unternehmen wichtig ist, steht außer Frage. Doch ein zu großes und unkontrolliertes Maß an Veränderungen hat auch seinen Preis. Itil V3 stellt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Flexibilität und Kontrolle, Risiko-Management und Steuerung bereit. Damit lassen sich Veränderungen gezielt vornehmen, ohne die Verfügbarkeit der IT und somit des Unternehmens zu gefährden und einzuschränken.

Das Regelwerk stellt klare Rollen und Verantwortlichkeiten heraus, so dass Aufgaben und Kompetenzen eindeutig zugewiesen werden können. Auch für sich ändernde Anforderungen sind Prozesse definiert, mit deren Hilfe die Änderungsanträge gestellt, bewertet, genehmigt und kontrolliert eingeführt werden können. Mit standardisierten Prozessen und eindeutigen Ansprechpartnern kann die IT auf Anforderungen des Business schnell und effizient reagierten.

Das Business ist daran interessiert, dass die IT Anforderungen nicht nur rasch, sondern auch zuverlässig plant und erfüllt. Zuverlässigkeit bedeutet vor allem, dass aus den Änderungen keine ungeplanten negativen Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse resultieren. Das lässt sich nur durch eine Steuerung der Änderungswünsche regeln. Mit anderen Worten: Flexibilität wird durch Itil V3 erst plan- und steuerbar.

Ein weiterer positiver Effekt, den eine konsequente Umsetzung der Itil-Empfehlungen hat, ist der Wechsel vom ungeplanten zum koordinierten Ressourceneinsatz. Die Methoden und Modelle in Itil stellen weitgehend sicher, dass im Rahmen von Veränderungen in proaktive Aktivitäten wie Risiko-Management investiert wird. Wer auf diese, zunächst bürokratisch erscheinenden Aktivitäten verzichtet, provoziert ungeplante Ausfälle und einen nicht kalkulierten Ressourceneinsatz zur "Entstörung". Mittel- und Langfristig lassen sich durch Itil also auch messbare Kosteneinsparungen erzielen.

Missverständnis Nummer 10: Der Nutzen wiegt die Investition nicht auf

Die Ausrichtung auf IItil V3 beruht in der Regel auf einer strategischen Entscheidung. Sie wird getroffen, weil der Markterfolg eines Unternehmens zunehmend von der Leistungsqualität, Reaktionsfähigkeit und Flexibilität der IT-Service-Strukturen und- Fähigkeiten abhängt. Unter diesem Vorzeichen ist diese Investition zukunftsorientiert.

Die Unternehmen stehen hierzulande wie international in einem intensiven Qualitätswettbewerb. Wenn sie im IT-Service-Management Schwächen zeigen, geht das zu Lasten der Marktchancen. Dadurch steigen die Anforderungen an ITSM, also müssen die Methoden und Prozesse präzise gestaltet werden. Dies ist sicher nicht ohne Aufwand zu bewerkstelligen, führt aber im Gegenzug zu höherer Effizienz und Qualität mit einem schnellerem ROI bei den Projekten.

Dank seines Service-Lifecyle-Ansatzes hat Itil V3 in Sachen Effizienz und Leistungsqualität mehr zu bieten als V2 - bei reduzierten Risiken. Insofern können ITSM-Vorhaben, die V3 einbeziehen, mit einer durchaus positiven Investitionsbilanz aufwarten.

Die auf Itil V3 ausgerichteten Unternehmen profitierten sowohl in der Wirtschaftskrise als auch in der gerade angebrochenen Boom-Phase von einer deutlich reaktionsfähigeren Organisation und günstigeren Bedingungen im Financial-, Supplier- oder Service-Level-Management.

Die IT ist ein hoch komplexes System, bestehend aus sozialen Strukturen und Technologien. Die Abhängigkeiten zwischen diesen Elementen nehmen weiter zu. Alle Bestandteile wie Daten, Infrastrukturen, Prozessen und Organisationseinheiten werden zunehmend vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig. Diese Komplexität zu beherrschen ist eine der wesentlichen Herausforderungen, die das IT-Senior-Management heute meistern muss. Itil V3 bietet eine Grundlage für das systemübergreifende Management, das zur Beherrschung der Komplexität notwendig ist.

Missverständnis Nummer 11: Itil V3 verlangt hohen Schulungsaufwand

Die Zeiten, in denen eine sechswöchige Schulung reichte, um aus einem IT-Mitarbeiter einen "Service-Manager" zu machen, sind vorbei. Ursache dafür ist jedoch weniger die Itil-Version 3 als die mittlerweile geschäftskritische Bedeutung des Service-Managements. Die Anforderungen sind einfach gestiegen. Der erhöhte Schulungsaufwand ist insofern nur eine Antwort auf die veränderten Bedingungen und zukünftigen Erfordernisse.

Mit der neuen Version ist Itil "erwachsen" geworden. Die höhere Komplexität verlangt Spezialisten mit breitem und tiefem Know-how. Und das lässt sich nicht in den aus V2-Zeiten bekannten, relativ kurzen Schulungszeiten erreichen.

Durch eine Itil-V3-Ausbildung der Mitarbeiter erhalten die Unternehmen eine Kompetenzbasis ganz neuer Dimension. Insofern investieren die Firmen in ihre eigene Zukunft. Denn künftig wird die Qualität im ITSM noch stärker als bisher vom Einsatz des innovativen Mitarbeiterwissens geprägt.

Eine höhere Qualität in der IT-Service-Organisation drückt sich auch in einer höheren Qualität der Kunden- und Benutzerorientierung aus. Die wiederum erhöht die Akzeptanz der IT-Organisation im Unternehmen.

Ausbildungsschema für Itil V3 ist ein karrierebegleitendes Programm. Seine "Intermediate"-Module bieten die Möglichkeit, gezielt die Fähigkeiten und das Know-how aufzubauen, die für den aktuellen Einsatz im Unternehmen erforderlich sind. Durch die unterschiedliche Ausrichtung im "Lifecycle Stream" und im "Capability Stream" ist sogar eine Schwerpunktbildung möglich.

Fazit: Die Potenziale werden erst bei differenzierter Betrachtung offenbar

Markus Bause: "Viele Praktiker haben den Wechsel von V2 auf V3 innerlich noch nicht vollzogen."
Foto: Serview

Der Charme der aktuellen Itil-Version zeigt sich - wie häufig bei komplexeren Ansätzen - vielfach erst bei genauerem Hinsehen. In der differenzierteren Beschäftigung mit der aktuellen Ausführung des Regelwerks wird jedoch schnell deutlich, wie sich vielfältige Quick-win erzielen lassen. Vor allem aber hilft Itil, die zwingend erforderliche Basis für ein Business-orientiertes Service-Management zu legen, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden kann. Und darin liegt der nachhaltige Nutzen.

Itil ist heute viel mehr als nur eine Ansammlung von Prozessen. Es bildet die Basis für ein umfassenden Management- System. Dieses besteht nicht nur aus Prozessen, sondern auch aus Grundprinzipien, Modellen und Funktionen. Die Prozesse sind letztendlich nur das Bindeglied zwischen den Fähigkeiten. Somit stellt Itil mit seinem ganzheitlichen Ansatz eine Blaupause für die organisatorischen Fähigkeiten dar, die eine erfolgreiche IT-Organisation benötigt.

Zudem entpuppen sich die hier beschriebenen Missverständnisse mehr und mehr als Einstiegsschwierigkeiten. Die nun anstehende Überarbeitung des Regelwerks wird sich erklärtermaßen nicht auf die Ausrichtung oder die fachlichen Aussagen der Library auswirken. Doch Handling, Lesbarkeit, Verständlichkeit der beschriebenen Modelle und Anwendbarkeit werden signifikant verbessert. Und damit wird auch die Einstiegshürde niedriger. (qua)

8 Fehler beim IT-Service-Management
Das sollten Sie bei ITSM vermeiden
Sie lassen sich von billiger Software blenden und denken nicht voraus: Über die acht häufigsten Fehler von CIOs beim Service Management.
1. Lastenhefte sind nicht zukunftsorientiert:
In der Regel beschreiben Lastenhefte den aktuellen Funktionsbedarf einer ITSM-Lösung. Da IT-Organisationen die vorhandene IT-Landschaft jedoch laufend durch technologische Innovationen und neue Prozesse erweitern, muss die Entscheidung für ein ITSM-Tool in die Zukunft gerichtet sein und auch mögliche neue Anforderungen für die nächsten zwei bis drei Jahre erfassen.
2. IT-Betriebskosten werden unterschätzt:
Bei Business-Applikationen werden Folgekosten von Beginn an in die Projektplanung einbezogen. Immerhin machen sie rund ein Viertel der Implementierungskosten aus. Nicht so bei ITSM-Software. Insbesondere der Personalbedarf für den laufenden Betrieb wird unterschätzt. IT-Organisationen von Konzernen brauchen in der Regel ein Team von vier bis fünf Mitarbeitern. Auch Outsourcing kostet Geld.
3. ITSM-Tools sind keine Out-of-the-Box-Systeme:
Um Werkzeuge für das IT-Service-Management sinnvoll zu nutzen, müssen diese ständig mit Daten aus den Business-Systemen gefüttert werden, die zugleich laufend zu pflegen sind. Ebenso wichtig ist die Betreuung der Schnittstellen zwischen den ITSM-Tools und den angeschlossenen IT-Systemen. Oft sind das mehr als 100.
4. All-in-One-Ansatz statt:
IT-Verantwortliche wollen in der Regel alle Anforderungen an das IT-Service-Management durch integrierte ITSM-Produkte eines Herstellers abbilden. Die Vorzüge: einfache Implementierung und direkte Integration, geringere Projektkosten und weniger Bedarf an Spezial-Know-how. Diese Vorteile werden jedoch mit erheblichen Leistungseinschränkungen erkauft, weil kein Werkzeug ein Top-Spezialist auf jedem Gebiet sein kann.
5. Die Auswahl von ITSM-Tools erfolgt emotional statt rational:
CIOs führen zwar die klassischen Schritte bei der Evaluierung von ITSM-Werkzeugen durch - Erstellung des Anforderungsprofils, Ausschreibung, Proof of Concept mit ausgewählten Anbietern. Die Entscheidung für ein Tool erfolgt jedoch meist aus dem Bauch heraus, etwa nach dem Look-and-Feel der Benutzeroberflächen.
6. Unternehmen tappen in die Preisfalle:
Erfahrungsgemäß machen die Softwarekosten nur ein Drittel der gesamten Aufwendungen aus. Zwei Drittel der Kosten - meist Summen in sechsstelliger Höhe - verschlingt die Projektrealisierung mit internen oder externen Ressourcen. Letztere können IT-Verantwortliche durch geschicktes Verhandeln und unter Nutzung des Wettbewerbs der Anbieter um 50 bis 70 Prozent gegenüber dem Listenpreis reduzieren.
7. Investitionssicherheit wird zu wenig beachtet:
Unternehmen beziehen in die Auswahl des künftigen ITSM-Lieferanten kaum Aspekte wie Weiterentwicklung der ITSM-Lösung und Investitionssicherheit ein. Das könnte sich später einmal rächen. Wichtige Bewertungskriterien, die Aufschluss über die Zukunftssicherheit einer Lösung geben, sind zum Beispiel die Größe der Entwicklungsmannschaft, das F&E-Budget sowie Fusions- oder Übernahmeprozesse beim Hersteller.
8. Tool-Gläubigkeit statt Prozessorientierung:
In der Praxis tritt beim ITSM die Prozesssicht häufig in den Hintergrund. Stattdessen dominieren funktionale und technische Aspekte. Effizienzsteigerungen lassen sich jedoch nur durch optimierte Prozesse, die durch ITSM-Lösungen angemessen unterstützt werden, erzielen und nicht umgekehrt.