Personalisiert, interaktiv, in Echtzeit und mit lokalem Bezug - so ist gute Werbung im Internet. Vor allem aber empfindet der Adressat sie nicht als Belästigung, sondern als Bereicherung seines Alltags. Sie springt ihn nicht mehr heimtückisch aus dem Hinterhalt an, sondern lässt sich von ihm entdecken.
Das Stichwort heißt "Inbound Marketing"; das ist die Übertragung des Pull-Prinzips in die Werbewelt. Die Botschaft wird nicht gewaltsam in den Online-Markt gedrückt, sondern so bereitgestellt, dass der Konsument sie sich gern selbst abholt. Dazu muss er allerdings erst einmal angelockt werden. Und das leisten nur Inhalte, die ihn persönlich interessieren, beispielsweise Pop-Musik oder Sport.
Facebook, Youtube, Twitter & Co.
Wer über "Marketing 2.0" spricht, denkt automatisch an Facebook, Youtube und Twitter. Diese Sozialen Netzwerke sind ideale Plattformen, um neue Konsumentengruppen da abzuholen, wo sie sich ohnehin befinden. So hat Beiersdorf für das hundertjährige Jubliläum seiner Marke Nivea eine aufwändige Facebook-Kampagne rund um die Pop-Sängerin Rihanna gestartet.
Aber dieses Prinzip funktioniert nicht nur bei den Herstellen von Konsumartikeln. Auch die Anbieter abstrakter Dienstleistungen haben es sich zu eigenen gemacht, wie das Beispiel der Allianz AG zeigt. Sie macht sich die Popularität des Fußballclubs FC Bayern zunutze, den sie ja bereits als Inhaberin der Namensrechte für das Heimstadion unterstützt.
Hohe Sympathiewerte für Jogi Löw
Beide Unternehmen haben auch die Video-Plattform Youtube als Werbemedium entdeckt. Sie betreiben eigene Youtube-Kanäle, doch deren Abonnentenzahlen sind überschaubar. Rund 215.000 mal angeklickt wurde hingegen ein von der Allianz hochgeladenes Kunden-Testimonial, in dem eine junge Musikerin namens Vanessa S. erläutert, warum sie seit 2007 Kundin ist.
Die sozialen Plattformen haben zudem den Nebeneffekt, dass man gar nicht selbst aktiv werden muss, wenn man interessante Inhalte zu bieten hat. Die vor zwei Jahren entstandenen Nivea-Spots mit dem Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft, Joachim Löw, wurden gar nicht von dem Konsumwarenanbieter ins Netz gestellt, aber immerhin mehr als 50.000 Mal aufgerufen. Das bringt keinen unmittelbaren Umsatz, aber hohe Sympathiewerte.
Der User-generated Content in den sozialen Netzen ist zudem eine gute Möglichkeit, dem Volk aufs Maul zu schauen. Unternehmen, die die Macht der digitalen Öffentlichkeit ernst nehmen, beobachten systematisch und kontinuierlich, was in den einschlägigen Foren über sie berichtet wird.
Keine Einbahnstraße
Social Media Monitoring heißt aber nicht nur, zu beobachten. Das Unternehmen sollte auch mitdiskutieren. Vor allem dann, wenn die Unmittelbarkeit des Web 2.0 ihre dunkle Seite zeigt. Negative Berichte und Meinung machen rasch die Runde. Da heißt es, den Ball sofort zurückzuspielen. Jedes Unternehmen, das einmal Opfer eines Shitstorm wurde, weiß: Wer die ersten Anzeichen verschläft oder falsch reagiert, kann seinen guten Ruf innerhalb von Stunden einbüßen.
Da hilft es auch nicht, wenn man - wie der Schweizer Handelskonzern Migros - die Nutzer auf eine eigene soziale Plattform lockt. Allerdings hat das den Vorteil, dass der Betreiber die dort aktiven Diskussionsteilnehmer einzeln ansprechen kann, ohne gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen. Das erleichtert das Social CRM, also die Kundenbziehungs-Pflege durch Auswerten der Informationen, die auf sozialen Plattformen hinterlassen werden.
Darüber hinaus ist eine geschlossene Community sinnvoll, wenn man die Kunden als Marketing-Partner einspannen will, beispielsweise indem man sie gezielt Vorschläge für Produkt- oder Sortimentsverbesserungen machen lässt. Migros zum Beispile verweist hier gern auf seinen "Ice Tea", der nur aufgrund der Online-Nachfrage in einer PET-Flasche angeboten wird.
Anonym geht fast alles
Mit Hilfe spezieller Monitoring- und Analyse-Tools, wie einige Business-Intellgience-Spezialisten sie bereits am Markt anbieten, lassen sich die Äußerungen der Nutzer in sozialen Netzen auch statistisch auswerten. Das ist datenschutzrechtlich so lange unbedenklich, wie es sich um anonymisierte Daten handelt.
Anders verhält es sich, wenn das Unternehmen gezielt interessierte oder auch kritische Social-Media-Nutzer ansprechen will. Hier muss jeder Netzteilnehmer gefragt werden, ob er kontaktiert werden will. Als Mittel zur Lead-Generierung empfehlen sich deshalb immer noch registrierungspflichtige Angebote auf der eigenen Homepage oder dem Internet-Auftritt eines Partnerunternehmens.
Ein Glücksfall für das Unternehmen ist es, wenn aus Interessenten Twitter-Follower oder App-Abonnenten werden. Denn sie haben explizit zugestimmt, mit Informationen versorgt zu werden. Das funktioniert selbstredend nur, wenn der Abonnent tatsächlich für ihn relevante oder zumindest unterhaltsame Informationen erhält. Niemand will auf Dauer mit Werbebotschaften über das Handy bombardiert werden.
Cookies als Werbehelfer
Diesem Bombardement sind die Konsumenten im Web schon zur Genüge ausgesetzt. Eleganter als pauschale Banner- und Pop-up-Werbung ist dabei ein Phänomen, das im Fachjargon Online Behavioural Advertising heißt. Es führt dazu, dass beispielsweise auf der Site des Sport-Magazins "Kicker" plötzlich ein Paar Gucci-Schuhe auftauchen, die dem ähneln, das man sich gerade erst auf der Online-Shopping-Seite "Yoox" angeschaut hat. Dahinter verbirgt sich ein Link, der von den Ergebnissen der spanischen Fußball-Liga direkt in die erste Liga der italienischen Schuhmode führt.
Dafür, dass der Nutzer den Klick-Impuls kaum widerstehen kann, sorgt die Personalisierung des Angebots. Sie wird über das automatisierte Auslesen von Cookies erzielt. Die darin gespeicherte Historie der Seitenaufrufe liefert Anhaltspunkte für die Bereitstellung der "richtigen" Werbe-Links. Der Nutzer kann sich dagegen wehren, indem er Cookies blockiert oder die Liste der Seitenaufrufe alle fünf Minuten löscht. Allerdings wird diese Art der Werbung ja kaum als Störung empfunden.
Verführung zum Scannen
Umstritten sind hingegen "Social Plugins" wie beispielsweise der "Like-Button". von Facebook. Denn das Drücken dieses digitalen Knopfs löst eine Datenübertragung an das jeweilige Unternehmen aus, die sich durchaus einer Benutzer zuordnen lässt - ohne dass dieser etwas davon merkt.
Ein ganz neues Phänomen des Marketing 2.0 ist die Lokalisierung des Nutzers. Immer häufiger greift der Konsument ja über sein Smartphone auf das Internet zu. Und mobile Endgeräte lassen sich leicht lokalisieren. Umso mehr, wenn der User sich zu erkennen gibt, weil er beispielsweise an einem Gewinnspiel teilnehmen möchte.
Einige Anbieter machen von dieser Möglichkeit der Location-based Services schon Gebrauch. Sie verführen beispielsweise die Handy-Eigner in einem geografischen Gebeit, einen QR-Code von einem Webeplakat zu scannen. Die so gewonnenen Informationen lassen sich dann nutzen, um das lokale Marketing zu steuern.
CW-Kommentar: Was geht, wird auch gemacht.
Gehören Sie auch zu den Leuten, die so einen Aufkleber am Briefkasten haben? "Bitte keine Werbung einwerfen" steht da drauf. Trotzdem finden sich unter Rechnungen und Postkarten immer wieder auch Einladungen zur den "Informationsvorträgen" eines Anlageberaters oder Hochglanzkataloge für Mode und Möbel. Es hift erfahrungsgemäß auch wenig, in jedem Shopping-Portal im Internet das Opt-out-Kästchen anzuklicken, um ungebetene Kontaktaufnahme zu verhindern.
Außerdem Hand aufs Herz: Studieren Sie wirklich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bevor Sie den "Kaufen"-Button drücken? Zwar muss nach derzeitiger Rechtsauffassung in den AGBs explizit verzeichnet sein, welche Daten der Website-Betreiber sammelt, wie er sie verwendet - und wie sich der Nutzer dagegen wehren kann. Aber wer prüft das, wenn er gerade dabei ist, ein Schnäppchen zu machen?
Mit der Rechtsprechung ist das ohnehin so eine Sache. Im Ausland ansässige Betreiber scheren sich noch immer oft einen feuchten Kehricht um das hiesige Bedürfnis nach Datenschutz und Privatsphäre. Vielleicht ändert sich das mit der neuen EU-Datenschutzverordnung, die 2014 für alle EU-Staaten verbindlich werden und auch Unternehmen von außerhalb der EU, also auch Google, Facebook und Co., an die Kandare nehmen soll. Aber bevor wir auf andere zeigen, sollten wir uns an die eigene Nase fassen.
So findet sich trotz rechtlicher Bedenken gegen Social-Plugins der Facebook-Daumen auf immer mehr Unternehmensseiten, auch solchen aus Deutschland. Marketiers sind in dieser Hinsicht deutlich unempfindlicher als Informatiker. Im Falle der Datenschutzverletzung drohen nicht nur hohe Geldstrafen, sondern auch Gewinnabschöpfung und Schadenersatzforderungen. Aber um die geltend zu machen, muss ein Staatsanwalt erst mal nachweisen, woher der Gewinn im Einzelnen kommt und wer in welcher Weise geschädigt wurde. Und da fehlt es oft am Kläger. In Ermangelung von Präzedenzfällen gilt deshalb: Was geht, das wird auch gemacht.