Preissteigerungen und Finanzkrise

Die mittelständische IT-Wirtschaft muss sich warm anziehen

30.07.2008 von Diego Wyllie
Die Negativmeldungen aus den Rohstoff- und Finanzmärkten reißen nicht ab. Nach einem positiven Wachstum 2007 und bisher 2008 wird das wirtschaftliche Umfeld für den IT-Mittelstand spätestens 2009 turbulenter werden, so der VDEB Verband IT-Mittelstand e.V.

Die Konjunkturprognosen trüben sich ein. Der IWF erwartet für 2009 ein sinkendes Wachstum der Realwirtschaft. Zudem bleiben die Auswirkungen der Finanzkrise spürbar. "Die US-Wirtschaft wird in erster Linie von der Immobilienkrise in eine Rezession getrieben, die sich mit Zeitverzug auch auf die Exportnation Deutschland übertragen wird", erklärt Oliver Holtemüller, Konjunkturexperte und Professor für Makroökonomie der RWTH Aachen. Eine Studie der Creditreform belege zudem, dass für bereits ein Drittel der deutschen Unternehmen die Kreditaufnahme schwieriger geworden ist. Parallel hierzu schätzt eine Goldman Sachs-Studie den Kreditbedarf europäischer Banken auf 90 Milliarden Dollar. "Es kann kein Zweifel bestehen, wenn auch keine Kreditklemme existiert, wird die Kreditaufnahme teurer und die Bonitätsprüfung schärfer werden", ist sich Professor Oliver Holtemüller sicher. Der Trend geht an deutschen IT-Firmen nicht spurlos vorrüber.

"Gerade die deutsche IT-Wirtschaft wird durch die wirtschaftlichen Entwicklungen in eine Zange genommen", meint darauf bezugsnehmend Dr. Oliver Grün, Vorstand des VDEB Verband IT-Mittelstand e.V.. Dabei habe sich die IT-Wirtschaft in den vergangenen Jahren konsolidiert. Die Geschäftsmodelle seien nach den Börsenumwälzungen der Jahrtausendwende solider geworden. Etliche Anwendungen im Internet wurden profitabel. Laut IFO-Konjunkturtest berichteten die DV-Unternehmen von einer zufriedenstellenden Geschäftslage der vergangenen sechs Monate.

Geringe Eigenkapitaldecke der IT-Hersteller

Jetzt aber drohen die erreichten Erfolge im Strudel der verschlechterten Wirtschaftsentwicklung und der Finanzkrise unterzugehen, so Grün. Die verschärfte Bonitätsprüfung treffe auf eine im internationalen Vergleich nach wie vor beunruhigend schmale Eigenkapitalausstattung kleiner und mittelständischer Unternehmen gerade im IT-Sektor. Während die großen Global-Player der IT-Industrie über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, müssen die kleineren IT-Firmen fürchten, dass ihnen die Kredite für dringend benötigte Investitionen zu bisherigen Konditionen versagt werden.

Kreditzinsen könnten IT-Firmen in die Knie zwingen

"Die Kredite werden sich zwangsläufig verteuern", erwartet auch Doris Dreyer, die in ihrem Tagesgeschäft mit dem Problem konfrontiert wird. Sie ist Geschäftsführerin des 1993 gegründeten, mittelständischen Software-Hauses Fibunet aus Quickborn, das Systeme für die Finanzbuchhaltung und das Controlling entwickelt. Die höheren Zinsen könnten für manches Projekt und sogar Unternehmen bei ohnehin scharfer Kostenkalkulation das Ende bedeuten. Dreyer wörtlich: "Die Konzentration in der deutschen IT-Wirtschaft wird sich dann weiter fortsetzen, kleinere Unternehmen werden sterben, wie schon vorher zum Beispiel in der Foto- und Nahrungsmittelindustrie." Dadurch wiederum würde sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland vor dem Hintergrund einer verschärften globalen Konkurrenz in Zukunft verschlechtern.

Krisenanfälligkeit des IT-Mittelstands reduzieren

"Es kann aber nicht sein, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen der IT-Wirtschaft jetzt für Fehler bezahlen müssen, die an anderer Stelle geschehen sind", so VDEB-Vorstand Grün. Dies sieht auch Wirtschaftsminister Michael Glos ähnlich, der zur Wachsamkeit aufruft, um eine Kreditklemme für KMUs zu verhindern. Dies alleine aber sei nicht ausreichend, bemerkt Grün. Vielmehr gelte es jetzt endlich, die Rahmenbedingungen für die IT-Wirtschaft so zu justieren, dass ihre Krisenanfälligkeit reduziert werde. "Wir brauchen endlich eine an langfristigen Zielen orientierte Politik, die den Bedürfnissen des IT-Mittelstands gerecht wird", erklärt er.

Nicht nur die IT-Branchengrößen fördern

Dazu gehören nach Angaben des Verbands beispielsweise der Einsatz offener Schnittstellen, Beseitigung von Bildungsbarrieren, die Bilanzierung immateriellen Vermögens und die Förderung von regionalen Netzwerken und mittelständischen Forschungs-Innovations-Clustern. "Die Bevorzugung großer Unternehmen durch die Politik gegenüber dem Mittelstand muss aufhören", so Doris Dreyer. "Unternehmen wie Nokia gehen weg, wir bleiben vor Ort und schaffen Arbeitsplätze."