"Die Menschen müssen die Zeichen der Zeit erkennen"

04.10.2006 von Heike Littger
Die Wissenschaftlerin Jutta Rump erklärt, welche Eigenschaften die Beschäftigungsfähigkeit sichern. Mit Jutta Rump sprach Heike Littger.

RUMP: Über welche Kompetenzen muss eine Person verfügen, um interessant für den Arbeitsmarkt zu sein?

Jutta Rump ...

ist Professorin für internationales Personal-Management und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule Ludwigshafen sowie Vorstandsmitglied der Initiative Selbst-GmbH e. V., ein Netzwerk von Personalern und Führungskräften mit Personalverantwortung, das sich vor fünf Jahren gegründet hat, um sich über Erfahrungen mit Employability-Strategien in Unternehmen auszutauschen.

CW: Sie ist fachlich kompetent, aktiv, ergreift die Initiative, erkennt und nutzt Chancen. Sie übernimmt Verantwortung für sich selbst, lernt kontinuierlich dazu und bleibt am Ball. Sie ist fähig und bereit zur Zusammenarbeit, versetzt sich in andere hinein und hört zu. Sie behält in ungewohnten und belastenden Situationen einen klaren Kopf und geht konstruktiv mit Misserfolgen um. Sie ist offen für Neues und neugierig, weiß, was sie kann und denkt regelmäßig über sich und ihre Beschäftigungsfähigkeit nach.

CW: Mal ehrlich, wie viele Menschen verfügen über so ein ausgereiftes Profil?

RUMP: Da gibt es in der Tat nur sehr wenige. Aber das ist nicht der Punkt. Die Menschen müssen die Zeichen der Zeit erkennen und in Bewegung bleiben. Bei vielen mangelt es vor allem an Eigenverantwortung und unternehmerischem Denken, an Einfühlungsvermögen und Reflexionsfähigkeit, an Veränderungs- und Konfliktfähigkeit.

CW: Für alle, die die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden haben: Warum ist es so wichtig, an seiner Beschäftigungsfähigkeit zu feilen?

RUMP: Die Arbeitswelt wandelt sich rasant, feste Jobs auf Lebenszeit sind kaum noch denkbar, die sozialen Sicherungssysteme bröckeln. Deshalb bleibt den Beschäftigten nur ein Sicherungsanker, die eigene Kompetenz. Das betrifft die IT-Branche besonders: Sie ist sehr wissensintensiv und verändert sich extrem schnell. Zudem haben wir es hier mit komplexen Produkten zu tun - Fachwissen allein reicht nicht mehr aus. Teamgeist ist gefragt, Lernfähigkeit, Offenheit gegenüber Neuem und eine hohe Belastbarkeit.

CW: Ist Employabilitiy Privatsache oder müssen auch Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen?

RUMP: Unbedingt. Employability ruht immer auf zwei Schultern. Nur leider denken viele Unternehmen immer noch, dass eine Investition in die Mitarbeiter nicht lohnen würde: "Erst bilde ich sie aus, dann hauen sie mitsamt dem Wissen ab." Das ist Unsinn. Beschäftigungsfähige Mitarbeiter überlegen sich dreimal, ob sie das Unternehmen wechseln wollen. Weil sie sich in einem Unternehmen, das sich um sie kümmert, aufgehoben fühlen. Das verschafft Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein und - ganz wichtig - Spaß. So ein Unternehmen ist ein attraktiver Arbeitgeber - ein wichtiger Faktor gerade für mittlere und kleine Unternehmen.

CW: Aber auch Mitarbeiter sind oft skeptisch, wenn ihr Unternehmen sagt, "Wir unterstützen Euch, employable zu bleiben".

RUMP:"Nichts bleibt so, wie es ist" - Arbeitnehmer aus der IT-Branche wissen das. Das ist auf der einen Seite gut, weil sie nicht an Althergebrachtem festhalten und flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren. Auf der anderen Seite ist die Gefahr relativ hoch, dass Mitarbeiter nach der x-ten Veränderung das Gefühl haben: "Jetzt reicht's!", das Unternehmen verlassen, in die innere Kündigung gehen oder mit Anfang 40 ausgebrannt sind. Andere fühlen sich überfordert und haben Angst, unter dem permanenten Qualifizierungs- und Anpassungsdruck einzuknicken: Kann ich es mir noch leisten, zu verschnaufen? Was, wenn ich krank werde, weniger belastbar bin? Deshalb muss das Management, das Employability zur Unternehmensstrategie machen möchte, darauf achten, dass die Rahmenbedingungen für Weiterentwicklung und Wertschöpfung stimmen. Sonst gerät der Prozess schnell ins Schlingern.