Verhaltener Optimismus auf der Online-Marketing-Messe in Düsseldorf

"Die Lage ist besser als die Stimmung"

31.08.2001
MÜNCHEN (sp) - Trotz der Krise der vergangenen Monate verzeichnete die diesjährige Online-Marketing-Messe in Düsseldorf regen Andrang. Auf den messebegleitenden Vorträgen übte sich die Branche vor allem in Selbstkritik. Mit neuen Vorsätzen will man jetzt den Markt vorantreiben.

Für die Online-Werbebranche ist 2001 bislang kein gutes Jahr. Abgesehen von der konjunkturell bedingten Zurückhaltung bei den Werbeausgaben hat die Krise in der New Economy auch eine allgemeine Ablehnung gegenüber dem Internet als Werbemedium ausgelöst. Zudem trüben die weiter fallenden Preise für Banner, Popups und Co. die Bilanz.

Kritische Nabelschau angesagtKrisenstimmung herrschte auf der zum zweiten Mal stattfindenden Online-Marketing-Messe jedoch nicht. Vielmehr übte sich die Branche in konstruktiver Selbstkritik und verhaltenem Optimismus. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft rechnet in diesem Jahr mit einer Umsatzsteigerung von 20 Prozent, der Deutsche Multimediaverband (dmmv) geht sogar von bis zu 30 Prozent aus. Nach den dreistelligen Wachstumsraten der vergangenen Jahre ist das zwar ein recht bescheidener Zuwachs. Doch zumindest ist wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Rund 210,5 Millionen Mark wurden den Marktforschern von AC Nielsen zufolge in der ersten Jahreshälfte in Netzwerbung investiert. Für das Gesamtjahr wird mit einem Umsatz von 300 bis 350 Millionen gerechnet. Verglichen mit den Einnahmen aus Print und Fernsehen ist das ein Klacks. Die Steigerungsrate vom ersten auf das zweite Quartal stimmt die Online-Werber jedoch zuversichtlich: Während die Umsätze aus Print- und TV-Werbung zwischen dem ersten und zweiten Quartal nur um 8,2 beziehungsweise 6,3 Prozent gewachsen sind, legte die Werbung im Netz um 11,2 Prozent zu.

Dass es sich bei der Aussage, der Internet-Werbemarkt wachse weiter, um einen "fatalen Irrtum" handelt, wie es Kongress-Teilnehmer Stefan Rabe, Vorstand des Vermarkters Interactive Media, ausdrückte, ist daher wohl etwas übertrieben. Doch der Rückgang hat die erfolgsverwöhnte Branche geschockt. Jetzt wollen die Werber aus ihren Fehlern lernen. In der Selbstkritik steht vor allem die wenig zielgruppengenaue Ansprache der Nutzer. "Wir haben unser Versprechen, den Werbekunden Zielgruppen zu liefern, nicht eingehalten", bemängelt Rabe.

Keine Chance bei ReichweiteNur wer die interaktiven Möglichkeiten des Internet nutze, könne das Potenzial der Online-Werbung ausschöpfen, forderte auch Guido Töpfer, Vorstand des Familienportals urbia.com. "Reine Reichweitenwerbung ist vergebliche Liebesmüh - da kann das Internet mit dem Fernsehen nicht mithalten."

Einig ist sich die Branche auch darin, dass Werbung im Netz nach wie vor zu wenig emotional ist und dadurch kaum zur Marken- und Imagebildung beitragen kann. Besserung versprechen hier die neuen Werbeformate - großflächige, interaktive Banner, die die gesamte Werbebotschaft transportieren können. Einer Studie im Auftrag von Doubleclick zufolge spielt die Größe des Banners eine entscheidende Rolle bei der Markenbildung - auch Flash und andere interaktive Techniken wirkten sich positiv aus.

Nachholbedarf besteht aber vor allem bei der Messung der Effizienz von Online-Werbung: Da es keine statistischen Daten über die Wirkung von Werbung beim Nutzer gab, verließen sich die Vermarkter in der Vergangenheit auf aussageschwache Größen wie die Klickrate oder einfach auf ihr Gefühl: "Früher hat man einfach gesagt: Das wird schon so funktionieren", brachte es Arndt Groth, Geschäftsführer von Doubleclick auf den Punkt. Erfolgreiche Werbung setze aber auch im Internet fundierte Marktforschung voraus. Auch urbia.com-Vorstand Töpfer forderte mehr Verantwortung im Umgang mit Zahlen: "Dass sich mit der Klickrate die Werbewirkung messen lässt, ist doch Humbug."

Allerdings ist fundierte Marktforschung teuer. Vor allem kleinere Vermarkter können sich keine repräsentativen Panels leisten. Abgesehen davon, dass viele der Sites, die heute vermarktet werden, ohnehin verschwinden dürften, wird sich der Markt auch aus diesem Grund auf absehbare Zeit konsolidieren. Laut Michael Beilfuß, Geschäftsführer des Vermarkters Adlink, kommt auf die Branche ein "brutaler Wettbewerb" zu. Von den derzeit rund 60 Vermarktern, die sich in der Szene tummeln, werde nur eine Handvoll übrig bleiben.

Die werbetreibende Wirtschaft leidet schon immer unter der Intransparenz des Marktes. Im Gegensatz zum Fernsehen, wo dem Werbekunden eine überschaubare Anzahl von Sendern zur Auswahl steht; ist es im Internet äußerst kompliziert, einen Werbeplatz zu buchen. Der Werbetreibende muss unter tausenden von Websites diejenigen bestimmen, die ein geeignetes Umfeld für seine Werbebotschaft bieten und sich dann noch für das passende Werbemittel - etwa Banner, Popup, Intersticial oder Skyscraper - entscheiden.

Online-Werbung etabliert sichAngesichts der steigenden Internet-Nutzung und der wachsenden Bedeutung der Business-to-Business-Aktivitäten im Netz, interaktivem Fernsehen und Wireless-Anwendungen wird sich der Online-Werbemarkt schon bald etablieren, so die Vision der Werber. "Internet-Werbung wird TV und Print natürlich nicht ablösen, aber sie wird an vierter oder fünfter Stelle in der Medienranglisten ihren festen Platz finden", so Doubleclick-Chef Groth.