Ein Aushängeschild der eigenen Technik und Produkte

Die Konzernzentrale von NEC: Der "intelligente" Wolkenkratzer

09.11.1990

TOKIO - Auch bei den langweiligsten Konferenzen werden die NEC-Manager künftig nicht mehr in Ruhe schlafen können: Zur neuen, "intelligenten" Konzernzentrale in einem der Hochhäuser Tokios, das als Schaufenster für die neueste NEC-Technologie dient, gehört auch ein High-Tech-Konferenzraum. Und dort befindet sich vor jedem Platz ein eingebautes Terminal mit einem hochempfindlichen akustischen Mikrofon, das sogar die leisesten Schnarchtöne auffängt und verstärkt.

Das Gebäude wurde in den letzten drei Jahren auf einem ehemaligen NEC-Fabrikgelände errichtet. Im Mai dieses Jahres öffnete der "Superturm" seine Pforten für die Geschäftswelt. Mit 43 Stockwerken, davon vier unterirdischen, ist das Gebäude das siebthöchste im Tokioter Stadtgebiet; auf einer Gesamtfläche von 145 100 Quadratmetern arbeiten 6000 Angestellte. Die Baukosten betrugen 600 Millionen Dollar und eine weitere Milliarde Dollar wurde für die Ausstattung des gesamten Gebäudekomplexes mit einem intelligenten Informationssystem ausgegeben.

6000 Terminals und 8000 Telefonanschlüsse

Das Gebäude wurde gewissermaßen als Denkmal und Aushängeschild für die neuesten NEC-Produkte konzipiert: Ein 600 MBit/Sekunde schnelles Glasfasernetzwerk ist in der Lage, bis zu 6000-Terminals und 8000 Telefonanschlüsse miteinander zu verbinden. Gesteuert wird dieser Kommunikationsverbund durch einen universell einsetzbaren Großrechner der mittleren Leistungsklasse, den Acos 3400. Die von NEC selbst produzierten Notebook Laptops PC98 fungieren dabei in vielen Abteilungen als Arbeitsplatzterminals. NEC taufte das intelligente Gebäudesystem, das im Grunde nichts anderes als ein komplettes Büroautomationssystem ist, "Super Aladdin II".

Zeitersparnis bei Overhead-Folien

Aus der Fülle der NEC-Technologien verdienen das interne Kabel-TV-Netzwerk, das Neuigkeiten aus dem Konzernalltag per Satellit an Verkaufsbüros im Binnenland und in Übersee übertragen kann, sowie der High-Tech-Konferenzraum besondere Beachtung.

Das Konferenzzentrum, Entscheidungsraum genannt, sieht eher wie eine sterile und schmucklose Nasa-Kontrollzentrale aus. Jeder der 42 Plätze ist mit einem eingebauten Farbterminal ausgestattet, das in der Lage ist, Fernsehübertragungen, Videoaufnahmen, Overhead-Folien oder Börsentendenzen aus Datenbanken sowie Informationen darzustellen, die über ein spezielles Eingabetablett per Lichtgriffel geschrieben werden. Auf beiden Seiten des Terminals sind Mikrofone installiert. Laut NEC gestatten diese elektronischen Geräte, die Vorbereitungszeit für Besprechungen erheblich zu verkürzen; so ergibt sich zum Beispiel eine Zeitersparnis von 50 Prozent beim Einsatz von Overhead-Folien.

Verständnisprobleme sind ausgeschlossen

Der einfarbig gestaltete Raum - an seinen grauen Wänden sucht man vergeblich nach Kunstwerken - verfügt über eine hervorragende Akustik, so daß zumindest Verständnisprobleme während einer Konferenz ausgeschlossen sind. Am Ende des rechteckigen Tisches wurde ein 150-ZoII-Bildschirm für jeden Anwesenden deutlich sichtbar an der Wand montiert.

Bei der Nutzung des Raumes wurde auch an ältere NEC-Vorstandsmitglieder gedacht. "Die Systeme in diesem Raum können segmentweise ein- und ausgeschaltet werden. So ist die Bedienung auch für ältere Mitglieder der Führungsetage denkbar einfach," sagt Nobuhiko Nakamura, stellvertretender Leiter des NEC-Sekretariats.

Bereits seit 1983 setzt NEC eine frühere Version des "Aladdin"-Systems für Mailboxfunktionen und elektronische Nachrichtendienste der gesamten Firma ein. Bei "Super Aladdin" wurden weitere Features integriert, so zum Beispiel der "elektronische Aktenschrank", Sekretariatsdienste, der Zugang zum internen Kabel-TV-Netz und auch Reservierungs- und Buchungsdienste.

Ein Terminal pro Arbeitsplatz

Bis Mitte des Jahres hatte NEC zirka 2000 PCs mit der Aladdin-II-Software ausgerüstet, im Jahre 1993 sollen dann alle 6000 Terminals darüber eingebunden und vernetzt sein. Damit wäre ein betriebsinternes Verhältnis von einem Terminal pro Arbeitsplatz realisiert.

Die Desktop-Rechner im Ausstellungsraum laufen momentan unter dem Betriebssystem OS/2, das zu den unter MS-DOS arbeitenden Laptops, die ebenfalls im Netz integriert werden sollen, nicht kompatibel ist. Alle Terminals werden durch das Glasfaser-Backbone-Netz mit dem Host-Rechner verbunden. Auf jeder Etage zweigt das LAN mit Hilfe von Glasfaserkopplern in ein sternförmiges Netz auf Ethernet-Basis ab.

NEC hat neue Telefonsysteme mit LCD-Bildschirmen entwickelt, die unter der "Aladdin"-Telefondienst-Software einsetzbar sind. Das Programm hilft dem Angestellten bei der Suche nach Telefonnummern im firmeninternen elektronischen Telefonbuch, das zirka 35 000 Einträge enthält.

Der Anrufer kann außerdem aus einer Anzahl von Kurznachrichten eine passende Nachricht auswählen (zum Beispiel "Bitte rufen Sie mich zurück"), die er beispielsweise seinem Kollegen zukommen läßt, sollte dieser zur Zeit des Anrufs nicht erreichbar sein.

Der Anwender kann auch Daten über das Telefon abrufen; allerdings ist nicht vorgesehen, die Telefone mit den Arbeitsplatzterminals zu vernetzen, wie Mikio Hayashi, zuständiger Leiter für Systeme in der Verwaltungsabteilung Bürosysteme betont.

Die Installation von 2000 Aladdin-Telefonen für die Chefetage will NEC noch bis Jahresende realisiert haben und hofft, bis zum Jahr 1993 jeden Arbeitsplatz in der Zentrale mit einem solchen System ausstatten zu können.

Individuelle Trainingsprogramme

Das Gebäude selbst ist von einem großzügig angelegten Park mit 280 Bäumen umgeben, der 65 Prozent des gesamten Areals ausmacht. Es gibt mehrere Restaurants und eine firmeneigene Cafeteria. In der obersten Etage befinden sich eine elegante Empfangshalle mit Blick auf Tokio; hier sollen offizielle Veranstaltungen stattfinden. Die NEC-Mitarbeiter haben die Möglichkeit, einen Fitneßraum zu nutzen, in dem individuelle Trainingsprogramme für jeden Teilnehmer per Computer ausgearbeitet werden. Auf jeder Etage kann man darüber hinaus mit einem Blick auf einen mit Dachsensoren verbundenen Bildschirm feststellen, ob es draußen regnet oder nicht. Dies ist vor allem für die Angestellten in den oberen Etagen des Gebäudes von Vorteil, da sich die augenblickliche Wetterlage von dort aus oft nur schwer einschätzen läßt.

Jede Etage hat ein eigenes Steuerungssystem

Jede Etage verfügt zudem auch über ein eigenes Steuerungssystem für die Beleuchtung wie auch für die Klimaanlage. Wenn um 20 Uhr die Beleuchtung automatisch abgeschaltet wird, können die Arbeitssüchtigen, die trotz Unterstützung durch eine fortschrittliche Büroautomatisierung bis spät in die Nacht arbeiten wollen oder müssen, die Beleuchtung über ihr Terminal einschalten.