Der deutsche PC-Markt

Die Kleinen kommen ganz groß raus

24.09.2008
Nach schwierigen Jahren setzen die PC-Hersteller ihre Hoffnungen auf einen neuen Rechnertyp: Günstige Mini-Notebooks sollen die Geschäfte wieder ankurbeln.

Der weltweite PC-Markt drohte in Langeweile zu versinken. Zwar entwickelten die Hersteller immer schnellere und leistungsfähigere Rechner, aber das taten sie schon seit Jahren. Die zugrunde liegende Technik galt in weiten Teilen als Commodity, die nur noch eingefleischte Fans zu begeistern vermochte. Der Markt dümpelte mehr oder weniger lethargisch vor sich hin. Bis zum Herbst vergangenen Jahres.

Da gelang Asus ein bis dato beispielloser Coup: Der taiwanische Hersteller stellte mit dem "Eee PC" ein kompaktes Mini-Notebook für gerade einmal 300 Euro vor und löste damit einen Hype aus. Selbst der Hersteller schien überrascht und konnte die Nachfrage kaum decken. Teilweise mussten Kunden Wochen, wenn nicht gar Monate warten, bis sie einen der Rechner ergattern konnten.

PC-Markt 2007 in Deutschland nach Stückzahlen (Desktops und Notebooks)

Hersteller

Marktanteil in Prozent

1. Fujitsu-Siemens

15,2

2. Hewlett-Packard

12,6

3. Acer

10,7

4. Dell

9,5

5. Medion

7,5

6. Lenovo

4,6

7. Toshiba

3,9

8. Asus

3,5

9. Apple Computer

3,1

10. Samsung

2,4

2007 verkauften Hersteller in Deutschland knapp 10,6 Millionen PCs. Quelle: Gartner

Asus profitiert von EeePC

Der Run auf den Eee PC katapultierte Asus in den Rankings der Marktforscher ein gutes Stück nach vorne. Insgesamt verkauften die Taiwaner Gartner zufolge in den ersten drei Monaten dieses Jahres in Deutschland fast 125 000 Mobilrechner. Im Vergleich zu den rund 51 500 Geräten, die im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hierzulande abgesetzt wurden, bedeutet dies eine Steigerung von 142 Prozent. Der gesamte deutsche Notebook-Markt legte im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Stückzahlen um 40 Prozent von 1,16 auf 1,63 Millionen Geräte zu. Aus den Reihen des Asus-Managements verlautete, man habe allein im ersten Quartal 2008 weltweit 700 000 Eee PCs verkauft. Im Gesamtjahr sollen es fünf Millionen werden, 2009 zehn Millionen.

Ob sich diese Hoffnungen bewahrheiten, steht allerdings in den Sternen. "Die ersten Mini-Notebooks sind weggegangen wie warme Semmeln", erkennt Meike Escherich, Principal Analyst für den Bereich Client Computing Markets bei Gartner, an. "Ich glaube allerdings nicht, dass der Hype in gleichem Umfang anhalten wird." Die Analystin begründet dies mit den technischen Limitierungen der Bonsai-Rechner: "Viel können die Minis noch nicht." Zwar könne sich dies mit neuen Plattformen wie Intels "Atom" ändern. Als Ersatz für das klassische Mainstream-Notebook könnten Rechner à la Eee PC jedoch noch nicht herhalten. Vielmehr dienten sie in den meisten Fällen als Zweit- oder Drittrechner. Nischen wie Kinder- oder Senioren-PCs, für die die Rechner ebenfalls angepriesen werden, seien keine Treiber für den Markt.

Das 100-Dollar-Notebook

Dennoch hätten die Mini-Notebooks durchaus ihre Chance, relativiert Escherich. Beispielsweise könnten sie im Business-Bereich die Personal Digital Assistants (PDAs) verdrängen. Das werde jedoch nicht innerhalb der beiden nächsten Jahre geschehen, da dazu auf der technischen Seite noch einige Fortschritte erzielt werden müssten. Auch die Preise könnten weiter in Bewegung geraten. Aus Sicht der Gartner-Analystin ist der Preisunterschied zu Standard-Notebooks nicht so groß. Für 400 bis 500 Euro sei bereits ein einfach ausgestatteter Mobilrechner zu haben. Der Markt um die Minis könnte jedoch eine zusätzliche Dynamik erfahren, wenn es den Herstellern gelänge, ein 100-Dollar-Notebook herauszubringen. Aber auch das dürfte noch einige Jahre dauern.

Der Boom rund um die neue Kompaktklasse bei den Mobilrechnern hat mittlerweile auch die anderen Anbieter auf den Plan gerufen. Vor allem Hersteller aus Fernost wie Acer, MSI und die Elitegroup haben schnell nachgezogen und bereits eigene Modelle vorgestellt. Aber auch die Großen im weltweiten PC-Geschäft wie Hewlett-Packard und Dell wollen nicht abseitsstehen und haben entsprechende Mini-Notebooks angekündigt.

Die Erwartungen sind auch bei diesen Herstellern hoch. Das Geschäft mit günstigen Kompakt-Notebooks werde in den kommenden Jahren zu einem der wichtigsten Segmente im Markt für mobile Rechner heranwachsen, sagt beispielsweise J.T. Wang, Chairman von Acer. Die Taiwaner wollen im laufenden Jahr den "Aspire One" weltweit sieben Millionen Mal verkaufen. 2009 sollen zwischen 15 und 20 Millionen Stück der Eee-PC-Konkurrenten abgesetzt werden. Die Hersteller sind zum Erfolg verdammt, beschreibt Escherich das Dilemma der Hersteller. Asus, Acer und Co. müssen große Stückzahlen erzielen, um das Geschäft profitabel zu machen. Aufgrund der relativ hohen Herstellungskosten seien die Margen niedrig.

Grundsätzlich ist der Hype um die Mini-Notebooks ein weiterer Beleg dafür, dass sich die Waagschale mehr und mehr auf die Seite der Mobilrechner neigt. Gartner zufolge wird der Desktop-Anteil am gesamten hiesigen PC-Markt bis 2012 auf rund ein Viertel abschmelzen. Im vergangenen Jahr betrug dieser Wert noch knapp 47 Prozent. Damit bleibt das Notebook-Segment der Treiber für das gesamte PC-Geschäft. Nach Einschätzung der Gartner-Analysten wird das Wachstum für den klassischen Desktop in den kommenden Jahren etwa zwischen minus sechs und plus zwei Prozent pendeln. Die Nachfrage nach mobilen Rechnern werde dagegen bis 2012 jährlich zwischen 16 und 21 Prozent zulegen.

Desktop-PCs für Nischenmärkte

Die Desktop-Anbieter müssen sich daher etwas einfallen lassen, um ihr Geschäft zu retten. "Wer heute noch einen Desktop kauft, tut dies mit einer ganz speziellen Nutzungsidee im Kopf", sagt Escherich. Beispiele dafür seien Hochleistungsrechner für Spiele oder Videobearbeitung beziehungsweise Media-Rechner für Musik oder Film im Wohnzimmer. Die Idee, den Desktop-Markt mit neuen Designs wie kleinformatigen Rechnern wieder zu beleben, dürfte aus Sicht der Analystin auf Nischen beschränkt bleiben: "Small Form Factor ist kein Massenmarkt." Die Kunden seien gerade im Lowend-Segment nicht bereit, mehr Geld zu zahlen als gewohnt. Im Highend würden die Rechner dagegen unverhältnismäßig teuer, sollten die Hersteller versuchen, die Hochleistungssysteme auch noch in kleinformatige Gehäuse zu packen.

Angesichts des nach wie vor heftigen Preiskampfes bleibt die Situation für die Anbieter schwierig - zumal sich auch andere Rahmenbedingungen geändert haben. Escherich zufolge ist das deutsche PC-Geschäft längst ein Retailer-Markt. Die Phasen des Käufer- und Herstellermarkts lägen bereits zurück. Die großen Märkte bestimmen, wer überhaupt im Regal stehen darf, welche Modelle vorne an der Tür positioniert werden, wer in die Prospekte aufgenommen wird und welche Maschinen das Personal empfiehlt. "Die Retailer sind im Moment diejenigen, die hier den Markt bestimmen", bilanziert die Analystin.

Diese Situation stellt die Hersteller vor einen schwierigen Balanceakt. Sie müssten Woche für Woche neu entscheiden, ob sie sich Marktanteile kaufen oder auf die eigene Profitabilität achten, sagt Escherich. Die Verträge mit den großen Marktketten entschieden letztendlich darüber, ob ein Quartal gut oder schlecht ausgeht. Für manche Anbieter bedeute dies eine Berg- und Talfahrt. "Verzichten sie auf einen Vertrag und lassen sich damit auf keinen Preiskrieg ein, verlieren sie Marktanteile. Wenn sie dann Angst bekommen, wird meist schnell ein neuer Deal unter Dach und Fach gebracht, und die Anteile erholen sich wieder."

Da sich Gartner zufolge außerdem das Kraftverhältnis im PC-Markt zugunsten des Consumer-Geschäfts verschoben hat, können die Anbieter Rückgänge in diesem Segment nur bedingt durch das Unternehmensgeschäft ausgleichen. "Bestand der deutsche PC-Markt vor ein paar Jahren noch zu 60 Prozent aus Geschäftsmaschinen, sind es heute gerade noch 40 Prozent", rechnet Escherich vor. Darüber hinaus seien auch die Deals mit Firmen kein Kinderspiel. "Deutschland ist ein gesättigter Markt", stellt die Analystin klar. "Für die Hersteller geht es hier nur noch um Ersatzgeschäft."

PC-Kauf auf der langen Bank

Gartner zufolge könnten die Investitionen der Firmen in neue Rechner in der zweiten Jahreshälfte beziehungsweise Anfang kommenden Jahres wieder etwas anziehen. In den vergangenen Jahren seien nicht so viele Maschinen verkauft worden, wie eigentlich auf Basis des durchschnittlichen Lebenszyklus zu erwarten gewesen wäre. Allerdings gebe es eine Reihe verschiedener Einflüsse, die das Firmengeschäft beeinflussten und nur schwer zu kalkulieren seien, warnt Escherich vor verfrühter Hoffnung. So sei beispielsweise die Testphase für Windows Vista immer noch nicht abgeschlossen. Hierfür sei mit einem Zeitrahmen von 18 bis 24 Monaten auszugehen. Dazu komme die allgemein kritische Wirtschaftslage, die vor allem den kleinen und mittelgroßen Firmen Sorge bereite. Diese Klientel schiebe den PC-Kauf gerne noch einmal auf die lange Bank. Dennoch ist die Gartner-Analystin zuversichtlich: "Alles in allem hoffe ich, dass es in diesem Segment Ende des Jahres wieder bergauf geht."

Wer davon profitieren kann, bleibt abzuwarten. Auch in der Anbieterlandschaft könnten in nächster Zukunft einige Umwälzungen anstehen. Ein Fragezeichen steht vor allem hinter Fujitsu-Siemens Computers (FSC). Gerüchten zufolge befindet sich das 1999 an den Start gegangene deutsch-japanische Joint Venture vor dem Aus. Angeblich will Siemens die Kooperation nicht weiterführen und sich aus dem PC-Geschäft zurückziehen. Der Konzern hat offenbar ein Problem mit den geringen Margen seiner Computertochter.

Im vergangenen Jahr hielt sich der in München ansässige PC-Bauer noch zäh an der Spitze des deutschen Markts. Vor allem das traditionell starke Geschäft mit Behörden und Unternehmen stützte den Hersteller, berichtet Eszter Morvay, Senior Research Analyst für die Personal Computing Group von IDC. FSC habe in diesem Bereich ein gutes Standing, bestätigt Escherich von Gartner. Viele Käufer blieben ihrem Lieferanten treu, weil sie schon in der Vergangenheit immer FSC-Maschinen gekauft hätten. Diese Verbundenheit basiere jedoch in erster Linie auf dem alten Siemens-Standbein. Sollte das wegfallen, könnte es wacklig werden, warnt die Analystin.

Mittlerweile bröckelt die FSC-Bastion im deutschen PC-Markt bereits. Laut den aktuellen Gartner-Zahlen für das zweite Quartal 2008 hat Acer dem Platzhirsch die Krone entrissen. Mit einer Wachstumsrate von 45,4 Prozent und einem Marktanteil von 12,2 Prozent setzten sich die Taiwaner an die Spitze des hiesigen PC-Marktes. Der Erfolg beruht aus Sicht der Analysten in erster Linie auf einer aggressiven Preisstrategie im Consumer-Segment. FSC verzeichnete als einziger Anbieter unter den Top Five einen Rückgang bei den ausgelieferten Stückzahlen (minus 7,6 Prozent) und musste infolgedessen auch bei den Marktanteilen Federn lassen. Mit 11,4 Prozent (Vorjahresquartal: 15,1 Prozent) reichte es nur noch für Platz zwei. Den Münchnern machte auch der schwache Dollar zu schaffen, da Importeure ihre Rechner günstiger anbieten konnten.

Angeschlagenes Unternehmen

Weitere Verfolger sind dem angezählten Joint Venture bereits auf den Fersen. Hewlett-Packard und Dell konnten ihren Absatz im Jahresvergleich ebenfalls steigern und liegen mit Marktanteilen von 11,4 beziehungsweise 11,2 Prozent nur knapp hinter FSC. HP könne nach Einschätzung von IDC-Analystin Morvay auf zwei solide Standbeine im Consumer- und im Unternehmensgeschäft bauen. Dell profitiere derzeit vom anziehenden Firmengeschäft. Auf die Spitzenposition werde es der Direktanbieter aber auch in Zukunft kaum schaffen, glaubt Escherich von Gartner. Um in Deutschland zu punkten, muss man als Anbieter in den großen Elektromärkten stehen. Es passe jedoch nicht in Dells Built-to-Order-Konzept, auf einen Schlag 100 000 gleiche Rechner zu produzieren und auszuliefern.

Achtungserfolge erzielte zuletzt auch Apple. Die US-amerikanische Kultmarke konnte im vergangenen Jahr ihren Marktanteil im deutschen PC-Geschäft im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 3,1 Prozent erhöhen. Auch Unternehmen setzen verstärkt auf Rechner mit dem Apfel-Logo. Beispielsweise hat erst kürzlich Springer verkündet, seine gesamte PC-Infrastruktur auf Apple-Rechner umzustellen. "Für ein Medienunternehmen gibt das Sinn", sagt Escherich. Allerdings werde sich Apple im Firmengeschäft mit Nischenmärkten wie Communication, Media und Entertainment zufriedengeben müssen. Finanzinstitute oder Autohersteller werden nicht komplett auf Macs umsteigen. Immerhin, so räumt die Analystin ein, gehen die Firmen heute etwas lockerer mit ihren PC-Policies um. "Wer unbedingt einen Apple-Rechner haben möchte, hat bessere Chancen, diesen Wunsch auch erfüllt zu bekommen." Große Maschinenparks aus Mac-Systemen würden aber auch in Zukunft eher die Ausnahme bleiben.

Neben weichen Faktoren wie dem Design der Rechner bestimmt auch die Geschwindigkeit, mit der Hersteller neue Techniken umsetzen können, die Dynamik im Markt. Escherich zufolge haben hier die Anbieter aus Fernost die Nase vorn. "Die technische Entwicklung wird derzeit eindeutig von den Herstellern aus Asien bestimmt und getrieben." Europäische und amerikanische Anbieter hinkten etwas hinterher.

Wie sich das auf die weitere Marktentwicklung auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Betrachtet man die Stückzahlen, zeigt der Markt ein solides Wachstum. Gartner zufolge legte das PC-Geschäft allein in Westeuropa im zweiten Quartal um 22,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 13,8 Millionen verkaufte Rechner zu.

Aber das Bild hat auch seine Schattenseiten. Die Branche sei gegenüber den negativen wirtschaftlichen Entwicklungen nicht immun, warnt Ranjit Atwal, Principal Analyst bei Gartner. Vor allem die starken Preissenkungen hätten zuletzt zum starken Stückzahlenwachstum beigetragen. "Diese Entwicklung kann die Gewinnspannen der PC-Hersteller erheblich treffen." Atwal ist sich daher sicher, dass der anhaltende Preisdruck zu einer weiteren Konsolidierung im Markt führen wird.