Die IT sucht ihre neue Rolle

22.06.2007 von Bernd Seidel
Viele Business-Manager erachten IT als Hemmnis für Fortschritte im Kerngeschäft. Wie geht die IT mit diesem Vertrauensverlust um?

Die IT hat in den vergangenen Jahren einigen Kredit verspielt. In den Augen vieler Unternehmenslenker ist sie eher Hindernis denn Hilfe für die Weiterentwicklung des Geschäfts. Die Folge: Sie wird lediglich auf Basis von Kosten bewertet. Wie kann die IT mit diesem Verständnis umgehen? Welchen Wertbeitrag kann sie liefern? Und welche Aufgaben kommen dem CIO zu? Diese Fragen diskutierten Manager von Anwenderunternehmen, Analysten und Forscher in der ersten Zukunftswerkstatt IT auf Initiative der Hamburger Alternus Gesellschaft.

Hier lesen Sie

  • mit welchen Themen sich IT-Leiter derzeit beschäftigen;

  • welche Möglichkeiten SOA eröffnet;

  • welche Vorbehalte CIOs gegenüber dem Offshoring haben.

Helmut Krcmar, TU München: "Die Zukunft lässt sich erahnen, erforschen oder aktiv gestalten. Doch eines lässt sich leider nicht vermeiden: So gut die Planung oder Vision auch sein mag, die Zukunft wartet immer wieder mit Diskontinuitäten auf, welche die Unternehmen überraschen."
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"Um den Anforderungen des Marktes nach mehr Flexibilität und Agilität Rechnung tragen zu können, müssen Unternehmen sich neu aufstellen", erklärt Helmut Krcmar, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität (TU) München, auf der Auftaktveranstaltung der Zukunftswerkstatt IT in Frankfurt am Main. Einerseits seien interne Standards wichtig, andererseits müssen man nach außen – etwa zum Kunden – eine möglichst hohe Varianz zulassen. "Dafür müssen Unternehmen eine Art "Geschäftsmodell Spagat" implementieren, denn die beiden Ziele sind widersprüchlich", so Krcmar weiter. Der Spagat wirke sich nicht nur auf das Kerngeschäft aus, sondern auch auf die IT-Organisation und –Architektur sowie auf das erforderliche Fachwissen.

Industrialisierung von Geschäftsservices

Als wichtige Themen der kommenden Jahre für IT-Strategen erachten die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt IT die Industrialisierung von Geschäftsservices und IT-Prozessen, Governance und die neue Rolle der IT. Auch der Dauerbrenner Service-orientierte Architekturen (SOA) fand den Weg auf die To-do-Liste, weil er die für den IT-Betrieb geforderten Freiheitsgrade biete. "Ziel muss sein, mit SOA die Verständnislücke zwischen Fachabteilung und IT zu schließen. Damit kann IT wieder Wettbewerbsvorteile schaffen. Sie ist dann nicht mehr Innovationsbremse, weil die IT-Umsetzung mögliche Fortschritte zu teuer macht", schilderte Wolfgang Martin, unabhängiger Analyst und Mitglied des Steering Committee der Zukunftswerkstatt. Mit SOA könne sich die IT im Sinne eines Business Alignment enger am Geschäft ausrichten und die Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen verbessern.

Mit SOA beschäftigen sich überwiegend IT-Leiter und CIOs. In der Geschäftsführung und in den Fachabteilungen findet das Thema selten Beachtung. Quelle: Wolfgang Martin Team
Foto: S.A.R.L. Martin

Die von Martin formulierten Ziele fanden unter den anwesenden Anwendern Zustimmung, doch gleichzeitig warnte das Plenum vor der Gefahr, SOA zum Schlagwort verkommen zu lassen. "Welche Relevanz und welchen Nutzen hat der Ansatz für unser Unternehmen? Ist er möglicherweise nur eine Modeerscheinung?", fragte Lothar Engelke, Geschäftsführer der IDG GmbH. IDG ist interner IT-Dienstleister für den Unternehmensverbund der Gothaer Versicherungsgruppe. Das Gros der Firmen lebe noch in einer Mainframe- oder Client-Server-Welt und habe schon alle Hände voll zu tun, etwa Release-Wechsel und Migrationen sicher und wirtschaftlich zu bewerkstelligen. "Wir filtern sehr genau heraus, was für uns nützlich ist. Wir prüfen auch, ob wir die versprochene Änderungsgeschwindigkeit überhaupt brauchen. Den Anwender interessiert SOA jedenfalls nicht", wandte Engelke ein.

Gestaltung der Geschäftsprozesse

Analyst Martin rückte den Anpassungsdruck daraufhin in Relationen: Für Unternehmen, deren Geschäftsprozesse sich nicht binnen drei bis fünf Jahren signifikant änderten, sei der Architekturansatz nicht von höchster Priorität. Allerdings bedeute das nicht, sich mit dem Thema nicht auseinanderzusetzen. SOA müsse vielmehr im Rahmen eines Architektur-Managements als Option untersucht werden.

IT-Berater Wolfgang Martin in der Zukunftswerkstatt IT: "IT kann wieder Wettbewerbsvorteile schaffen."
Foto: S.A.R.L. Martin

Letztendlich interessieren sich die IT-Nutzer allenfalls für die Gestaltung der internen Abläufe. Das muss die IT akzeptieren und als Basis für gemeinsame Vorhaben etablieren. "Ein grundsätzliches Problem bei der Gestaltung von Geschäftsprozessen ist, dass sich die Fachabteilungen oft schwertun, ihre Prozesse zu definieren", schildert Christian Nymphius, Bereichsleiter Infrastrukturmanagement bei Itergo, dem IT-Dienstleister der Ergo-Versicherungsgruppe, seine Erfahrungen. "Die IT kann diese Arbeit nicht einfach übernehmen, denn dann sind Akzeptanzprobleme programmiert."

Ein wichtiger Baustein für mehr Anerkennung der IT ist möglicherweise die Eigenwerbung: Man müsse den eigenen Wertbeitrag deutlicher darstellen, warb Thomas Lipinski, Inhaber der Alternus Gesellschaft. "Anhand praktikabler IT-Governance-Konzepte lässt sich eine verantwortungsvolle, nachhaltige und auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Organisation und Steuerung von IT-Aktivitäten und IT-Ressourcen beschreiben", empfahl er. Doch Methoden und Tools allein reichen nicht aus, um die neue Rolle der IT vom Maschinenverwalter zum Innovator zu erreichen. Dazu sind auch entsprechende Mitarbeiter erforderlich, doch die sind derzeit schwer zu verpflichten. Auch den zunehmenden Offshore-Trend beobachten die Manager mit Sorge: Die strenge Arbeitsteilung nach dem Motto: Hüben die strategischen Aufgaben, drüben die Umsetzung, sei jedenfalls schwer zu realisieren: "Man kann eine Architektur nicht vernünftig entwickeln, wenn man keine Ahnung von Programmierung hat", warnte Krcmar. (jha)

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