Veto vom CIO

Die IT sollte sich in Fusionen einmischen

02.08.2010 von Karin Quack
Das Business beschließt - die IT führt aus. Diese weit verbreitete Praxis verhindert häufig, dass eine Firmenübernahme zum Erfolg führt.

Die IT ist mitentscheidend dafür, ob eine Unternehmensfusion oder -übernahme einen Synergieeffekt erzeugt oder schlicht Geld verbrennt. Deshalb ist es wenig sinnvoll, den CIO-Bereich erst in die Diskussion einzubeziehen, wenn die Firmenhochzeit bereits beschlossene Sache ist. Diese Ansicht vertritt Dave Aron, Vice President der IT-Management-Beratung Gartner.

Seine Überzeugung gewann Aron aus einer intensiven Studie im Rahmen des Gartner-eigenen Executive Program (EXP). Hierfür beobachteten die Berater 15 Organisationen über sechs Monate - um die Ergebnisse anschließend mit den Ansichten und Erfahrungen von 1500 an dem Programm teilnehmenden CIOs zu vergleichen.

Weltweites Comeback

Mergers & Acquisitions (M&A), so der Fachbegriff, seien weltweit wieder im Kommen, hat Gartner beobachtet. Und die Bedeutung der IT für den Erfolg dieser Unternehmungen wachse in dem Maße, in dem sie immer mehr Unternehmensprozesse maßgeblich beeinflusse. Trotzdem werde sie zu wenig oder zu spät in die Entscheidungen einbezogen. "Der CIO sollte bei einer Firmenübernahme ein Veto-Recht haben", sagt Aron.

Doch in der Realität ist die IT meist weit entfernt davon, einen derartigen Einfluss ausüben zu können. "Sie wird immer noch als ein Auftragnehmer angesehen", so der Gartner-Manager.

Die fünf Phasen der Integration

Dave Aron, Gartner
Foto: Gartner

Nichtsdestoweniger sollte ein CIO offensiv an das Thema M&A herangehen, empfiehlt Aron. Viele IT-Chefs tendierten dazu, sich zurückzuziehen und erst einmal Informationen zu sammeln, wenn sie von einer bevorstehenden Fusion oder Übernahme hörten. Ein erfolgreicher CIO beginnt so früh wie möglich mit den Vorbereitungen. Er überlegt sich, wie eine Fusion vonstatten gehen könnte, wie teuer sie voraussichtlich wird, wann der beste Zeitpunkt dafür ist, welche Vorteile sie verspricht und welche Risiken sie birgt. Nur dann kann er sich in die Diskussion einbringen, bevor es für die IT zu spät ist, sprich: sie nur noch reagieren kann.

Die fünf Phasen einer Fusion

Laut Aron verläuft jede Fusion oder Übernahme in fünf Phasen:

  1. Due Diligence/Planung: Hier wird der Basisplan erstellt. Am meisten Erfolg verspicht es, so die Gartner-Empfehlung, schon jetzt die Daten zu sammeln, die später von Bedeutung sind. Wie schnell die IT-Integration abläuft, sei gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger sei es, möglichst rasch einen Plan dafür zu haben und zu kommunizieren.

  2. Willkommen/Signalsetzung: An dieser Stelle des Prozesses wird eine begrenzte Zahl von besonders sichtbaren Veränderungen institutionalisiert. Das sind beispielsweise einheitliche Mail-Adressen, Telefonnummern und Sicherheits-Badges.

  3. Initiierung: Jetzt werden die dringendsten praktischen Veränderungen umgesetzt. Welche das sind, hängt von der Art und den Zielen der Integration ab. Hier spielt die IT eine große Rolle - und nicht nur im Hinblick auf ihre eigene Integration. Eine IT-Abteilung mit einem guten Service- und Projekt-Management kann hier weit über ihren begrenzten Einflussbereich hinaus wirksam werden.

  4. Integration: Aron unterscheide zwischen drei Arten des Zusammenschlusses Der Stand-alone-Ansatz geht davon aus, dass - abgesehen von den Finanzen und dem Management - weiterhin zwei unterschiedliche Organisationen bestehen. Der Absorptionsansatz bedeutet, dass ein Unternehmen dem anderen seine eigene Kultur überstülpt.

    Der Best-of-Breed-Ansatz, bei dem jeweils die beste Vorgehensweise fortgesetzt wird, ist aus IT- und Business-Sicht der schwierigste. Der CIO sollte Einspruch erheben, wenn sich die Art der Integration während des Prozesses als die falsche herausstellt, empfiehlt Aron.

  5. Ernte: Ob die Fusion oder Übernahme ein Erfolg ist, hängt auch davon ab, welche Ziele angepeilt wurden: Ging es um Kostenersparnis, Umsatzsteigerung oder die Akquise von Know-how beziehungsweise einer bestimmten Marke? Nun ist es an der Zeit, zu analysieren, ob und inwieweit das jeweilige Ziel erreicht wurde. Nur daraus lassen sich Lehren für die nächten M&A-Aktivitäten ziehen.

Kommentar: Von wegen Veto-Recht!

Karin Quack, COMPUTERWOCHE-Redakteurin

"Herr Wiesinger, Frau Dr. Hartnagel möchte Sie in ihrem Büro sprechen" - "Worum geht es?" – "Das hat sie mir nicht gesagt. Aber ich denke, es dreht sich um die Übernahme von Obreiter & Hundstag." Richtig, ein C-Level-Kollege hatte gestern beim Mittagessen etwas von einer möglichen Fusion gesagt – unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Aber Wiesingers Assistentin war ja immer außergewöhnlich gut informiert.

Die Vorstandsvorsitzende erwartete ihn bereits. "Herr Wiesinger, ich weiß, dass Sie sehr gut vernetzt sind. Sie kennen sicher auch den CIO von Obreiter & Hundstag." – "Herrn Pfeifer? Ja, wir arbeiten zusammen in einer Arbeitsgruppe des CIO Circle. Außerdem kennt man sich halt innerhalb einer Branche. Wieso fragen Sie?" – "Nehmen wir mal an, wir wollten mit Obreiter & Hundstag fusionieren. Wie schwierig wäre die Integration der Informationstechnik?" – "Ahem, ich nehmen an, Sie wollen eine ehrliche Antwort." – "Selbstverständlich, Herr Wiesinger, Sie wissen doch, wie ernst wir die IT nehmen."

Und so sagte er ihr, worüber Pfeifer schon seit langem klagte. Dass die IT-Systeme bei O&H durch schlampig geplante Fusionen völlig heterogen und viel zu dezentral organisiert waren. Dass es hier einen harten Schnitt brauchte: konsolidieren, harmonisieren, virtualisieren – das ganze Programm. Dass das viel Geld kosten würde – und sicher nicht ohne größere Spannungen abginge.

"Nun, wenn das so ist, Herr Wiesinger, dann werden wir von der Fusion wohl absehen. Unter diesen Umständen scheint sie mir wenig erfolgversprechend."

Grrrrrrrr, oh nein, dieser vermaledeite Wecker! Schon wieder 5:30. Und dabei hatte er gerade so schön geträumt. Das erste Meeting war für 7 Uhr angesetzt. Wegen dieser O&H-Geschichte. Damit hatten sie ihn doch glatt überfahren. Hätte er eher Bescheid gewusst, hätte er seine Bedenken anmelden können. Oder auf jeden Fall die notwendigen Bedingungen für den Erfolg vorbringen. Aber wer fragt schon den IT-Chef nach seiner Meinung, wenn es ums Geschäft geht? Na ja, besser nicht darüber nachdenken, sondern schnell unter die Dusche. Seit gestern abend war die Fusion beschlossene Sache. Und um 9 Uhr erwartete der Vorstand sein Konzept zur IT-Integration. Pfeifer würde auch dabei sein.