Demografischer Wandel

Die IT-Elite schrumpft

03.07.2008 von Brigitte Hirl-Höfer
Für die Bewältigung des demografischen Wandels gibt es keine Patentrezepte. Wichtig sind auf die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen zugeschnittene Personalprogramme.

Das Durchschnittsalter der arbeitenden Bevölkerung und die Lebensarbeitszeit steigen insgesamt in den meisten Industriestaaten stetig an. Die Anzahl der Erwerbstätigen schrumpft hingegen. Dies hängt unmittelbar mit sinkenden Geburtenraten und der alternden Generation der Babyboomer zusammen, die derzeit einen Großteil der erwerbstätigen Bevölkerung stellt. Weitere Faktoren verstärken diese Entwicklung: Während in Deutschland Fachkräftemangel herrscht, steigt die Zahl der Hochschulabsolventen in den Schwellenländern stetig an. Der Wettbewerb um die Köpfe zwischen den Industriestaaten und den aufstrebenden Wirtschaftsnationen wird sich in Zukunft weiter verschärfen.

Einsteiger bestehen auf guter Work-Life-Balance

Frauen, Ältere und Migranten - bislang nutzen Firmen das Können dieser Mitarbeiter zu wenig.

Zu diesen harten Fakten kommen "weiche Faktoren", die Unternehmen zum Umdenken zwingen: Der Arbeitsmarkt fordert von hochqualifizierten Arbeitskräften Mobilität und Flexibilität, und die begehrten High Potentials passen sich diesen Anforderungen an. Die Bindungszeiten an einen Arbeitgeber sinken, die Fluktuation steigt. Es zeichnet sich ab, dass die Beschäftigtenstruktur in Unternehmen in Zukunft immer uneinheitlicher wird. In generationsübergreifenden Arbeitsgruppen prallen unterschiedliche Wertesysteme aufeinander. Die Generation der geburtenstarken Jahrgänge, die Generation X oder die heute nach und nach auf den Arbeitsmarkt strebende junge Generation Y stellen unterschiedliche Ansprüche an ihren Arbeitgeber. So legen hochqualifizierte Berufseinsteiger heutzutage wesentlich mehr Wert auf Work-Life-Balance.

Das Bewusstsein für die Bedeutung des demografischen Wandels ist in keinem der fünf größten europäischen Länder so ausgeprägt wie in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie "Demographic Fitness Survey" des Adecco Instituts. 70 Prozent der deutschen Unternehmen sehen demnach im demografischen Wandel neben der Globalisierung eine der größten Herausforderungen. Allerdings seien die bisherigen Maßnahmen zur Bewältigung des Wandels unzureichend. Auf einer Skala von 100 bis 400 Punkten, die die Vorbereitung der deutschen Unternehmen auf den demografischen Wandel misst, erreichen sie durchschnittlich nur 186 Punkte.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Management-Beratung Kienbaum in ihrer Studie "Work-Life Balance im Kontext des demografischen Wandels 2007". Lediglich 40 Prozent der Personalverantwortlichen würden geeignete Instrumente kennen, die der demografischen Entwicklung langfristig begegnen und die Wettbewerbsposition ihres Unternehmens sichern. Trotz Nachfolgeplänen oder Altersstrukturanalysen bleibe das Potenzial älterer Arbeitnehmer, weiblicher Beschäftigter und von Migranten noch weitgehend ungenutzt. Auch das Thema Work-Life-Balance habe noch einen viel zu geringen Stellenwert im Bewusstsein der Personaler. Kurzum mangele es noch vielerorts an Ideen, der Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften heute und in Zukunft entgegenzuwirken, so die Autoren der Studie.

Die Besonderheiten der IT-Branche

Welche Rolle spielen die Veränderungen der Bevölkerungszahlen in den vermeintlich jungen IT-Unternehmen? Zunächst steht fest, dass auch die IT-Branche älter wird. Zwischen 1999 und 2004 ist der Anteil der über 50-Jährigen in der IT-Industrie um 78 Prozent gewachsen, ermittelte das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ). Bereits jetzt ist absehbar, dass das Durchschnittsalter der Belegschaften weiter steigt und die Heterogenität der Arbeitsgruppen zunimmt.

Darüber hinaus wird es auch für schnell wachsende IT-Unternehmen immer schwieriger, den Nachwuchs zu gewinnen und vor allem an sich zu binden. Langfristig können Unternehmen die branchenweit begehrten jungen Spitzennachwuchskräfte nur dann halten, wenn diese die jeweilige Unternehmenskultur als mitarbeiter- und werteorientiert wahrnehmen. Sie wollen nicht nur Karriere machen, sondern auch für ein Unternehmen arbeiten, mit dessen Zielen und Werten sie sich identifizieren können, und ein ausgefülltes Privatleben mit Zeit für die Familie haben. Das stellt gerade die auf Höchstleistung ausgerichtete IT-Branche vor neue Herausforderungen.

Was Microsoft für seine Mitarbeiter tut

Im Wettbewerb um die besten Köpfe muss selbst ein globales Unternehmen wie Microsoft einiges bieten, um hochqualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen und langfristig zu halten. Neben internationalen Karrierechancen, attraktiven Vergütungspaketen und zahlreichen Sozialleistungen bis hin zur individuell abgestimmten betrieblichen Altersvorsorge spielen die Unternehmenskultur, flexible Arbeitszeitmodelle und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zentrale Rolle.

So können die Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens in neue Positionen wechseln und ihr Know-how und ihre Kompetenzen erweitern. Dies wirkte sich positiv auf die Betriebszugehörigkeit aus: Nach eigenen Angaben arbeiten 25 Prozent der Mitarbeiter bereits länger als zehn Jahre für den IT-Riesen.

Darüber hinaus ermöglicht der Arbeitgeber den Angestellten, die Arbeitszeit flexibel an die jeweilige Lebensphase anzupassen - sei es im Home Office zu arbeiten oder Teilzeitmodelle in der Familienphase beziehungsweise beim Übergang zur Rente zu nutzen. Für viele Frauen ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Grund, einen Karriereweg bei Microsoft einzuschlagen: So liegt dort der Frauenanteil mit 26 Prozent über dem Branchendurchschnitt und mit vier Topmanagerinnen in der Geschäftsführungsebene sogar deutlich darüber.

Auf die Personalpolitik kommt es an

Auch wenn Flexibilität, Förderung von Vielseitigkeit in allen Facetten und eine gute Work-Life-Balance zentrale Faktoren der Mitarbeiterbindung sind - für die Bewältigung des demografischen Wandels in der Arbeitswelt gibt es keine Patentrezepte. Vielmehr muss sich das Bewusstsein, dass Menschen die wichtigste Ressource in der Wissensgesellschaft sind, auch in einer nachhaltigen Personalpolitik niederschlagen. (hk)