4 Handlungsfelder

Die Internet-of-Things-Trends 2016

27.01.2016 von Werner Kurzlechner
Laut Forrester entstehen neue Software-Segmente wie Identity Orchestration oder IoT-Analyse. Kompressorenhersteller Kaeser ist Vorreiter bei Product-as-a-Service.
  • Management von Beziehungen statt Management von Transaktionen
  • Security-Herausforderungen wachsen exponentiell
  • Big Data war gestern – IoT treibt "Bigger Data"
  • Benötigt werden neue, abteilungsübergreifende Skills
Connected Car und Smart Home entwickeln sich kontinuierlich weiter. Forrester rät den IT-Chefs deshalb, ihre Enterprise-Architekten zur Zusammenarbeit mit Marketing-Teams anzuhalten.
Foto: Robert Bosch GmbH

Der Hype um das Internet of Things (IoT) wird laut Forrester Research auch 2016 andauern. Für CIOs ist das Getöse um das Internet der Dinge an sich aber nur von sekundärer Bedeutung, meinen die Analysten. Wichtig für die IT-Chefs ist demnach vor allem, dass IoT konkrete Veränderungen in den Unternehmen vorantreibe - und zwar in kritischen Bereichen wie Sicherheit, Systemarchitektur, geschäftlichen Metriken, Finanz-Reporting und Data Management über den gesamten Customer Life Cycle hinweg.

Diesen Hinweis an die IT-Chefs formulieren die Analysten Frank E. Gillett, Michele Pelino und Tyler Shields in einem Vorausblick auf 2016 mit dem Titel "IoT's Impact Inside Companies". Ein gutes Dutzend IoT-Prognosen wird darin zu letztlich vier Blöcken gebündelt, die jeweils in konkrete Empfehlungen an die CIOs münden.

1. Connected Customers wichtiger als pure Technologie

Forrester lästert über gängige Vorhersagen, nach denen bestimmt Milliarden an Geräten mit dem Internet verbunden sind, woran zwangsläufig Billionen an Dollars an wirtschaftlichem Einfluss hängen. Wichtiger als derartige den Hype beschwörende Zahlenspiele sind nach Einschätzung des Autorentrios die konkreten geschäftlichen Veränderungen, die IoT in 2016 in den Firmen bewirken kann.

So wiederhole sich bald eine Entwicklung, die es im Software-Segment mit SaaS bereits gab. Es kristallisiere sich in 2016 ein Geschäftsmodell "Product-as-a-Service" heraus, in dem Kunden für Nutzung bezahlen anstatt greifbare Dinge zu kaufen oder zu leasen. Als Vorreiter nennt Forrester hier die deutsche Firma Kaeser, die nicht mehr nur Druckluftkompressoren verkauft. Druckluft gibt es bei Kaeser inzwischen nämlich auch als Service zu einem Stückpreis je Einheit Druckluft.

"Ganz simpel, oder?", fragt Forrester. Der Vorgang an sich ist nämlich tatsächlich denkbar schlicht. Aber die Konsequenzen für den CFO sind es leider nicht. 2016 wird es laut Forrester deshalb sogar Schulungsangebote für Wall Street-Investoren geben, die die Evolution von Produkt- zu Service-Umsätzen erklären.

6 Baustellen beim Internet of Things
Sechs Baustellen beim Internet of Things
Das Internet der Dinge beflügelt die Phantasien von Anwendern, Unternehmen und Technikanbietern. Bevor die schöne neue Welt des Internet of Things (IoT) Wirklichkeit wird, müssen zunächst einige Baustellen abgearbeitet werden.
Technik
Die meisten für das Internet der Dinge notwendigen Techniken gibt es bereits. Allerdings sind gerade im Umfeld von Analytics und Datenvisualisierungssoftware noch weitere Entwicklungen notwendig. Auch hinsichtlich der Energieversorgung beispielsweise von Sensoren in Containern, die über lange Perioden hinweg ohne ständige Wartungszyklen funktionieren sollten, gibt es noch einige Probleme zu lösen.
Interoperabilität
In vielen Fällen basiert der Mehrwert von IoT darauf, dass verschiedene Systeme zusammenarbeiten und Daten austauschen. Daher sind Standards und die darauf basierende Interoperabilität eine Grundvoraussetzung für das IoT.
Sicherheit
Im IoT geht es primär um Daten – oft um sensible Daten, die aus dem Privatbereich kommen oder geschäftskritisch für Unternehmen sind. Privacy und Security müssen daher gewährleistet sein. Darüber hinaus müssen die IoT-Systeme selbst abgesichert werden, gerade wenn es sich um kritische Infrastrukturen wie beispielsweise die Energieversorgung oder Verkehrsleitsysteme handelt.
Mitarbeiter müssen fit gemacht werden für das IoT.
Das reicht vom Verkaufspersonal, das mit smarten CRM-Systemen umgehen muss, über die Mitarbeiter im Büro bis hin zu den IT-Abteilungen. Mit dem IoT infiltriert IT ein deutlich breiteres Spektrum an Geräten.
Regeln und Gesetze
Für den IoT-Einsatz braucht es in einigen Bereichen neue Regeln. Das betrifft beispielsweise den Gesundheitsbereich, aber auch den Verkehr. Hier muss der Gesetzgeber aktiv werden und den Märkten einen neuen Rahmen geben. Gleichzeitig kann die öffentliche Hand dem IoT auch selbst zusätzliche Impulse geben, beispielsweise durch die Adaption der neuen Techniken.

Beziehungen zu Kunden managen

Üblich wird es in Bälde ebenfalls sein, dass Firmenkunden und Endverbraucher Produktverkäufer nach Sensor-Funktionen mobiler Apps befragen. Und dass Unternehmen ihre vernetzten Produkte und Prozesse auflisten - einschließlich der Anzahl an vernetzten Kunden, denen sie Dienste leisten. "Durch IoT werden sich Firmen vom Management von Transaktionen hin zum Management von Beziehungen bewegen", so Forrester. "Infolgedessen beginnen sich die geschäftlichen Metriken zu verändern."

Als Antwort auf diese Entwicklungen sollten CIOs die Bande mit Produktmanagern und den Verantwortlichen für Geschäftsprozesse knüpfen respektive verstärken. Von diesen würden nämlich die IoT-Business Cases getrieben, nicht von den IT-Chefs. "Aber am Ende wird der CIO mit der Kerninfrastruktur sowie den Anwendungen und Security-Elementen von IoT arbeiten müssen und für sie verantwortlich sein, damit unternehmensweit Konsistenz und Sicherheit geschaffen werden können", sagen die Analysten. Ohne Schulterschluss mit den genannten Abteilungen drohten isolierte Aktivitäten mitsamt technologischen Inseln ohne Sicherheit.

2. Security bei IoT noch ein Show-Stopper

Forrester malt für 2016 ein durchaus kontrastreiches IoT-Bild. Einerseits kommt das Thema definitiv im Mainstream an. Rund ein Drittel der Unternehmen wird Ende des Jahres 2016 IoT in irgendeiner Weise implementiert haben, ein weiteres Drittel eben das planen. Bleibt ein Drittel, das abstinent bleiben will. Andererseits wird, so die Forrester-Prognose, Ende 2016 die Hälfte der Unternehmen IoT-Security als Haupthemmnis bei der Implementierung nennen.

Momentan seien lediglich 37 Prozent der Entscheider in großen Firmen hinsichtlich der Sicherheit besorgt. "Das ist zu wenig", meint Forrester. "2016 wird es viele Medienberichte über Attacken auf Consumer-IoT-Geräte geben, und das wird die Sicherheitsbedenken in den Unternehmen befeuern." Zudem sei - etwa unter dem Twitter-Hashtag #NotIot - mit Widerstand gegen das Bewerben von Produkten mit dem Hype-Etikett IoT zu rechnen. Beim Taxi-Sharing-Dienst Uber etwa seien keine Sensoren außer denen im Smartphone im Einsatz, und darum biete Uber keinen IoT-Dienst an, so Forrester.

Letztlich wachsen laut Forrester durch IoT die Security-Herausforderungen exponentiell. "Stellen Sie sicher, dass der Chief Information Security Officer (CISO) am Thema dran ist", schreiben die Autoren ins Stammbuch der CIOs. "Fragen Sie nach einem Bestandsverzeichnis an IoT-Geräten, die via IP oder über alternative Verbindungsmethoden wie ZigBee und Z-Wave vernetzt sind." Darüber hinaus rät Forrester zur gemeinsamen Arbeit an Sicherheitsbewertung, Risikoquantifizierung und - falls geboten - Risikoverlagerung für jedes IoT-Objekt. Dieser Prozess bedürfe einer ständigen Verbesserung und Neudefinition.

3. Vier Trends bei der Integration von IoT

Eine Herausforderung bleibt die Integration von IoT-Daten und -Bedienungselementen in bestehende Systeme. Gefragt dafür sind neue Skills und Technologien. Forrester erwartet für 2016 wegweisende Produktentwicklungen in vier Bereichen.

IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player.
Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten.
Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit.
Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert.
Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird.
IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können.
Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann.
Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit.
SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing".
Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren.
PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.

Für den erfolgreichen Einsatz derartiger IoT-Lösungen ist laut Forrester oft ein neues Paket an abteilungsübergreifenden Skills nötig. "CIOs sollten ihre Enterprise-Architekten mit der Überprüfung und Planung der Anforderungen für neue Typen von Daten, Compliance und Datenschutz sowie von Data Governance und Anwendungsarchitektur zum Umgang mit IoT beauftragen", heißt es in der Studie.

4. Smart Home und Connected Car

IoT erreicht längst auch Endverbraucher, insbesondere im Zusammenspiel von Smart Home und Connected Car. Diese Entwicklung vollzieht sich laut Forrester schrittweise. Derzeit erregen einzelne Elemente wie intelligente Rauchmelder Aufsehen, aber das durchgängige smarte Haus aus einem Guss ist noch Zukunftsmusik. Smartphone-basierte Geräteteile im neuen Auto wird es in den kommenden Jahren immer mehr geben, aber eben nicht alles auf einen Schlag. Dennoch wird nach einer in der Studie enthaltenen Prognose in 2016 jeder dritte Erwachsene in den USA mindestens ein vernetztes Produkt in Wohnung oder Automobil haben.

Aufgabe des CIOs in diesem Prozess ist es nach Einschätzung der Analysten, die Rolle von IoT-Daten im Kundenerleben zu erfassen. Forrester rät den IT-Chefs, ihre Enterprise-Architekten zur Zusammenarbeit mit Marketing-Teams anzuhalten.