BPM in Theorie und Praxis

Die Illusion von Transparenz

29.02.2016 von Bernd Ruffing
BPM-Strategen versprechen vollständige Transparenz. In Wirklichkeit sind die Abläufe jedoch meist alles andere als transparent. Das kann fatale Folgen haben.
  • BPM-Werkzeuge sorgen für Transparenz im Unternehmen über Prozesse, Systeme und Betriebsmittel. Soweit die Theorie.
  • In der Praxis zeigt sich, dass es in Unternehmen an der Vollständigkeit der dafür benötigten Daten fehlt. Selbst wer bei der BPM-Einführung fleißig aufsetzt, dokumentiert und abstimmt, hat selten den langen Atem, um das auf Dauer durchzuhalten.
  • Undokumentierte Prozesse und veraltete Daten führen zu Frustation. Abhilfe schaffen standardisierte Abläufe, feste Review-Termine und Social BPM. So können alle Mitarbeiter gemeinsam an der Vollständigkeit der Informationen und damit der Transparenz feilen.

Welcher Geschäftsführer oder Manager hätte sie nicht gerne, die vollständige Transparenz über alles, was in einem Unternehmen so passiert. Nach Ansicht der Experten ist die Transparenz auch einer der vielen Vorteile, die man durch Geschäftsprozessmanagement generieren kann. Dazu gehören zum Beispiel die Dokumentation folgender Informationen:

Im Regelfall ist dies in der Theorie wie auch Praxis recht gut umsetzbar:

Beispiel: Die Prozesspyramide als Teil einer Prozessarchitektur strukturiert Geschäftsprozesse
Foto: eigenes Bild / Bernd Ruffing

In einem wesentlichen Punkt jedoch versagt die Praxis oft: Diese Informationen sorgen nur für Transparenz, wenn sie vollständig und aktuell sind. Bei näherem Hinsehen stellt man leider meist schnell fest, dass die Abläufe und zugehörigen Informationen dies nicht sind, und so nur - wenn überhaupt - eine bedingte Transparenz vorliegt. Diese fehlende Transparenz wiederum führt zu eingeschränkter Flexibilität und hohen Aufwänden.

Wer BPM implementiert, wünscht sich Transparenz.
Foto: Kritchanut - shutterstock.com

Veraltete Informationen

Am Anfang ist die Begeisterung oft groß: Bei der Einführung von Business Process Management oder entsprechenden Tools beginnt man sorgfältig, alle Prozesse aufzunehmen, abzustimmen und mit allen notwendigen Informationen zu dokumentieren. Ein Werk für die Ewigkeit, möchte man manchmal vermuten. Der Eifer lässt meist aber im Tagesgeschäft schnell wieder nach. Und auch sonst gibt es einige Faktoren, die die dokumentierten Prozesse schnell sprichwörtlich "alt aussehen" lassen:

Nicht dokumentierte Prozesse

Ein weiteres Problem, welches sich in der Regel schnell einstellt, sobald das BPM im Tagesgeschäft laufen soll: Prozesse werden gar nicht dokumentiert. Auch das kann viele unterschiedliche Gründe haben:

Fehlende Transparenz bedeutet fehlende Flexibilität

Veraltete und nicht dokumentierte Prozesse oder Ablaufinformationen führen unweigerlich dazu, dass das Streben nach Transparenz eine schier unlösbare Mission ist. Und zudem zu einem Rattenschwanz an weiteren Problemen führen kann. Denn fehlende Transparenz bedeutet zugleich, dass man in seiner Flexibilität und Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Etwas, dass man sich im heutigen Wettbewerbsdruck und in Zeiten ständig neuer Trends und Herausforderungen kaum noch leisten kann.

Nur vollständige Informationen bieten ganzheiltiche Transparenz und Flexibilität.
Foto: Lightspring - www.shutterstock.com

Dazu können veraltetet und nicht aktuelle Prozessinformationen unmittelbare finanzielle Folgen haben. Maßnahmen und Handlungen, die auf einer falschen Basis beruhen, führen eventuell zu:

Maßnahmen zur Verbesserung

All dies kann aber verhindert werden. Wie oben schon erwähnt ist erstmal die Strukturierung der Prozesse eine geeignet Maßnahme, um das Grundgerüst der Dokumentation zu bilden. Hierzu gehört ebenfalls, dass man definiert, was in welcher Form dokumentiert ist. Offene bzw. noch nicht dokumentierte Prozesse sollte man unbedingt erfassen und zur Dokumentation einplanen. Zur visuellen Darstellung lässt sich hier das altbekannte Ampelsystem bestens benutzen.

Anforderungen an BPM-Werkzeuge
Anforderungen an BPM-Werkzeuge
Ein BPM-Projekt sollte mit einer klaren Fokussierung auf den zu er-zielenden Nutzen, geplant werden; die für die Umsetzung notwendi-gen Werkzeuge sollten im Anschluss ausgewählt werden. Für die Auswahl eines geeigneten Werkzeuges ergeben sich dann wiederum folgende Anforderungen:

Definition einer Schichtenarchitektur zur Abbildung von Varianten.

Dynamisches Case-Management zur Abbildung von Vorgängen, Abhängigkeiten oder Ad-Hoc-Prozessmanagement.

Modellgetriebene Entwicklung aller Artefakte – Case, Prozess, UI, oder Regeln – für ein besseres Verständnis der zukünftigen Anwendung durch den Businessanwender.

Unterstützung und Integration aller Kanäle wie Mobile, Web, Social, POS oder CRM.

Collaboration Support für eine enge Zusammenarbeit von Business und IT.

Um die Prozesse aktuell zu halten, empfiehlt es sich, regelmäßige Review-Termine für die einzelnen Prozesse festzuhalten. Spätestens dann sollten die zugehörigen Dokumente nochmals auf Herz und Nieren geprüft werden, inkl. Betrachtung der Schnittstellen und Randprozesse.

Eine im Trend aufstrebende, aber noch selten genutzte Methode liegt im Social BPM. Dort können alle Nutzer vorhandene Prozessbeschreibungen kommentieren und Verbesserungen vorschlagen. Ist etwas nicht mehr aktuell, erfährt man es auf diesem Weg meist recht schnell.

Zusammenfassung

Die oft prophezeite Transparenz durch Business Process Management ist oft leider mehr Schein als Sein. In der Realität sind Prozesse oft gar nicht dokumentiert oder veraltet. Oder werden in Projekten überarbeitet, ohne dass die entsprechenden Prozessverantwortlichen überhaupt mitkriegen. Dadurch verschenken Unternehmen oft wertvolles Potential. Und verursachen im schlimmsten Fall sogar zusätzliche Kosten. Denn Transparenz über die eigenen Abläufe und Zusammenhänge im Unternehmen ist einer der wichtigsten Faktoren, um als Unternehmen flexibel und handlungsfähig zu bleiben. Mit ein paar einfachen Maßnahmen und Methoden erhält man vielleicht keine vollständige Transparenz, aber mit Sicherheit genügend. (sh)