Die Gründerszene hadert mit den Rahmenbedingungen

28.01.2003 von Manfred Bremmer
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mehr als drei Viertel aller Unternehmensgründer, die sich dem Forum Kiedrich angeschlossen haben, würden noch einmal den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Dies ergab eine aktuelle Umfrage der hessischen Gründerinitiative bei knapp über 100 Jung-Entrepreneuren. Allerdings schätzt die Mehrheit der Teilnehmer das derzeitige Wirtschafts- und Gründerklima hierzulande als negativ ein.
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Die Befragung richtete sich an Startups in ganz Deutschland, die in den letzten sechs Jahren gegründet wurden. Die meisten der teilnehmenden Unternehmen hatten ihre Geburtsstunde nach 1998, während auf das vergangene Jahr nur zehn Prozent der Gründungen entfielen. Entsprechend hoch war die Zahl der Internet-Firmen mit knapp 15 Prozent, insgesamt stammt jedes zweite der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Informationstechnik, Medien, E-Business und Systemlösungen (Times).

Die Mehrheit der Startups bäckt gegenwärtig noch relativ kleine Brötchen: Über 60 Prozent der Firmen beschäftigten im vergangenen Jahr weniger als sechs Mitarbeiter und erwirtschafteten dabei einen Umsatz von unter 500.000 Euro Umsatz. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer haben jedoch bereits den Break-even erreicht, ein weiteres Viertel will 2003 erstmals schwarze Zahlen schreiben.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geben aktuell allerdings Grund zur Klage: So beurteilen drei Viertel der Befragten das aktuelle Wirtschaftklima als hinderlich bis extrem hinderlich. Außerdem bezeichnete die Mehrheit Deutschland als gründerfeindlich (46 Prozent) bis sehr gründerfeindlich (acht Prozent). Gegenwärtig sehen sich die Hälfte der Teilnehmer vor allem von der Investitionszurückhaltung der Kunden behindert, knapp 42 Prozent klagten außerdem über eine schlechte Kapitalausstattung. Bei ihren nächsten Investitionen nehmen zwei Drittel der Befragten die Kundenakquise ins Visier, fast die Hälfte will in Kürze ihre Marketing- und PR-Aktivitäten ausweiten. Knapp 40 Prozent gaben zudem an, Geld in die Produktentwicklung zu investieren. Apropos Finanzierung: Für 83 Prozent der Teilnehmer stellen Eigenkapital und Cashflow die wichtigsten Finanzierungsquellen dar. Fremdkapital, sei es in Form von staatlicher Förderung (26 Prozent),

Bankkrediten (23 Prozent) beziehungsweise Investments von Business Angels oder Venture-Capital-Gesellschaften, spielt dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die Befragten haben eine klare Vorstellung, was Unternehmen noch besonders erfolgreich macht: So machten drei Viertel der Teilnehmer in erster Linie eine attraktive Geschäftsidee für das Gelingen verantwortlich, gefolgt von konsequenter Kundenorientierung (69 Prozent), einer wirkungsvollen Gründerpersönlichkeit (66 Prozent) sowie einem guten Marketing- und Vertriebskonzept (64 Prozent). Als wichtige persönliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Gründer aufweisen sollte, nannten fast 70 Prozent Durchhaltevermögen, Begeisterungsfähigkeit sowie die Fähigkeit, sich in den Kunden hineinzuversetzen. Ganz anders war die Situation bei den persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich im Nachhinein als besonders hinderlich erwiesen: Hier gingen die Meinungen weit auseinander, immerhin ein gutes Drittel der Befragten sah jedoch die Verliebtheit in das eigene Produkt als größten Fehler.

Im Nachhinein vermissten knapp die Hälfte der Startups bei der Gründung branchenspezifische Netzwerke sowie ein intensiveres beziehungsweise kompetenteres Coaching und den Wissenstransfer mit erfolgreichen Unternehmen. Ihre Vorteile durch die Gründerinitiative Forum Kiedrich sahen sie primär in den Kontakt zu anderen Gründern, Mentoren, potenziellen Kunden und Business Angels. Trotz erster Erfolge haben die Firmen nach wie vor Beratungsbedarf, insbesondere was Marketing und Vertrieb anbelangt. Daneben wünschen sich die Gründer aktuell auch Hilfestellung in den Bereichen Finanzen und Strategie/Management.

Zehn Tipps für Existenzgründer Von Claudia Erben, Geschäftsführerin der Gründerinitiative Forum Kiedrich GmbH

1. Die Zeit der gründlichen Planer ist gekommen. Wer am Markt erfolgreich sein möchte, benötigt neben einer tragfähigen Geschäftsidee und zupackendem Gründergeist solide fachliche Fähigkeiten. Dazu gehört nicht zuletzt betriebswirtschaftliches Know-how. In Bereichen, in denen der Gründer selbst nicht sattelfest ist, muss Verstärkung an Bord, und sei es durch Berater.

2. Die Persönlichkeit zählt. Ein Gründer muss mit seiner gesamten Person hinter seiner Idee stehen und andere, Kunden wie Mitarbeiter, von seinem Unternehmen überzeugen können.

3. Hände weg von riskanten, aufwändigen Produktentwicklungen. Gerade im internationalen IT-Markt gibt es für ein junges Unternehmen kaum noch Chancen, die richtigen Produkte sowie die erforderlichen Vertriebskanäle auf die Beine zu stellen. Das Gegenteil gilt für Dienstleistungen. Sie haben zwar kein sprunghaftes Wachstum, erfordern aber auch weniger Investitionen.

4. Jede Gründung ist mit einem bürokratischen Hürdenlauf verbunden. Für den Aufwand mit Finanz- und Gewerbeämtern, mit Steuerberatung und eventuell Vertragsanwalt, mit Notariat und Vermieter sollten Jungunternehmer mindestens zwanzig Prozent Arbeitsaufwand in den ersten drei Monaten einplanen.

5. Fremdfinanzierungen sollte man nach Möglichkeit meiden. Die Suche nach Investoren, die Vorbereitung der Präsentation oder das Umschreiben von Business-Plänen nimmt viel Zeit in Anspruch. Diese investiert man besser in die Strategie- und Produktentwicklung sowie in den Vertrieb und den parallelen Aufbau der Marketing-Strategie. Ohnehin sollte ein Unternehmen langfristig so strukturiert sein, dass es sich über die eigene Geschäftstätigkeit finanziert. Unternehmen, die mit ihren Aufträgen wachsen, können wirtschaftlich schwere Zeiten in der Regel leichter überstehen.

6. Oberste Priorität ist es, zahlende Auftraggeber zu finden. Marketing, Akquisition und Vertrieb sollten deshalb eine zentrale Stelle im Unternehmen und im Bewusstsein der Gründer einnehmen. Gründer müssen die Frage „Warum sollte der Kunde gerade mein Produkt, meine Dienstleistung haben wollen?“ konkret beantworten können.

7. Der Wert schaffende Kundennutzen muss im Mittelpunkt der gesamten Geschäftsidee stehen. Leider ist dies oft noch immer nicht selbstverständlich. Gerade im IT-Bereich sind viele Gründer technikverliebt und stellen die technologischen Features in den Vordergrund, die aber für die Mehrzahl der Anwender heute selbstverständlich sind. Was zählt, ist der Mehrwert fürs Geschäft.

8. Bei der Akquisition braucht sich ein Gründer im Bereich innovativer Technologien nicht auf die unmittelbare Umgebung beschränken. Die Erfahrung zeigt: Regionale Nähe ist, sieht man einmal von Ausschreibungen einer Kommune ab, für die wenigsten Auftraggeber zwingende Voraussetzung. Was zählt, ist Präsenz, wenn der Auftrag erteilt wurde. Das ist kein Aufruf zur raschen Internationalisierung. Wer sein Büro in den USA eröffnen will, sollte sein Unternehmen im Heimatmarkt gefestigt haben.

9. Der Internetauftritt ist ein unverzichtbares Marketinginstrument. Hier gehören die wesentlichen Vertriebsaussagen hin und hier sollte jedes Testimonial eines Kunden abgebildet werden. Die Aussagekraft zeigt sich daran, ob die Web-Präsenz das Profil des Unternehmens widerspiegelt, und die Kunden mühelos auf die gewünschten Informationen zugreifen können.

10. Networking ist das Gebot der Stunde. Über ein Netzwerk lassen sich gezielt Kontakte in jede Richtung knüpfen. Auf diese Weise können sich Aufträge ergeben; Türen öffnen sich, die ohne Empfehlung verschlossen blieben. In einem Netzwerk lernt man nicht nur potenzielle Finanziers, sondern viele andere Gründer kennen. Erfahrungsaustausch, Kooperation und gegenseitige Hilfe sind besonders in der Anfangsphase unersetzlich.