Das Grundlagenwissen über BPM und das Wissen um die konkreten Möglichkeiten von BPM-Tools vorausgesetzt, kommen Anwender in ihren Prozess-Management-Projekten bald auch zu der Frage nach den Grenzen des Monitorings ihrer Geschäftsabläufe.
In BPM-Prozessmodellen lässt sich abbilden, welche Daten für welche Kennzahlen relevant sind. Die Modelle selbst geben die Soll-Werte und die Daten aus der Prozessausführung vor. Daten aus eventuell angebundenen Drittsystemen liefern im Vergleich dazu die Ist-Werte. Insbesondere bei der Kontrolle von aktuellen Prozessdaten in Echtzeit (Monitoring) ergeben sich damit umfassende Eingriffsmöglichkeiten, um potenzielle Probleme schnell zu erkennen und zu beheben. Bei komplexen IT-Infrastrukturen muss aber auf die Verfügbarkeit der Informationen geachtet werden.
Abhängig von der Art der Analyse und dem Funktionsgrad der Software bieten BPM-Werkzeuge die folgenden Möglichkeiten der Überwachung von aktuellen Prozesswerten an:
Verwaltung und Bereitstellung von Daten aus den eigenen Prozessmodellen (Soll-Vergleichswerte);
Erfassung und Nutzung von Daten aus den im eigenen System laufenden (und abgelaufenen) Workflows (Ist-Werte);
Zugriff auf Soll-Daten aus Drittsystemen (beispielsweise aus Vorgaben im ERP-System);
Import von Ist-Daten aus Drittsystemen (beispielsweise einer Zeiterfassung oder der Dauer von Vorgängen in Drittsystemen).
Möglichkeiten des Datenzugriffs
Entscheidend ist hierbei nicht, ob das Drittsystem als Datenquelle im Unternehmen installiert ist oder über Cloud bereitgestellt wird, sondern wie der Datenzugriff erfolgen kann. Dabei werden verschiedene Möglichkeiten unterstützt:
Zugriff auf die Datenbank des Drittsystems (zum Beispiel über ODBC) - dies ist aufgrund von Einschränkungen für das Sicherheits- und Rechtemanagement aber nur selten möglich;
Zugriff auf Übergabetabellen: Das Drittsystem schreibt hier hinein, das BPM-System holt die Daten ab;
Kommunikation über Schnittstellen (wie beispielsweise Web Services), damit auch eine gute Anbindung von Cloud-Systemen möglich ist;
Zugriff auf Übergabedateien - insbesondere bei älteren Systemen, die keine Kommunikationsprotokolle oder Funktionsaufrufe unterstützen. Das Drittsystem stellt die Daten in den Formaten CSV, XML etc. bereit, damit diese dann manuell oder per Importroutine in das BPM-System eingelesen werden können. Dieses Vorgehen hat aber Probleme mit der Aktualität und ist daher eher für ein vergangenheitsbezogenes Reporting als für ein gegenwartsbezogenes Monitoring geeignet.
Erfolgt die Aufbereitung und Anzeige der Echtzeitdaten im BPM-Tool, werden die Daten dabei zumeist importiert und zumindest temporär gespeichert. Weitere Steuerungsmöglichkeiten wie Verdichtungen etc. erfolgen dann auf der Datenbasis des BPM-Tools ohne Rückgriff auf die Drittsysteme.
Alternativen zu BPM-Systemen
Zudem ist zu beachten, dass die technische Umsetzung der Auswertung nicht zwangsläufig im BPM-System selbst erfolgen muss. Zwar bieten diese zumeist eigene Analysekomponenten mit einfachen Funktionen an - wie beispielsweise eine Darstellung der Werte oder die Summenbildung -, für weitergehende Auswertung werden die Daten aber an Drittsysteme übergeben. Bei umfassenden Analysen kommen hierzu Business-Intelligence-Anwendungen (BI-Anwendungen) zum Einsatz. Es kann aber auch sein, dass die Übergabe der Prozessdaten an ein Fachsystem gewünscht ist, um dort ein Monitoring zu ermöglichen. Ein gutes Beispiel ist das Rechnungseingangsbuch in SAP-Systemen: Die Daten dazu kommen aus einem Workflow, der nicht unbedingt in SAP ablaufen muss.
Erfolgsmessung und Kennzahlen
BPM-Projekte erfordern einen nicht unerheblichen Aufwand: Es geht um Erhebung und Abstimmung der Modelle, um die Einrichtung der Workflows und das Training der Anwender - zudem muss alles ineinander greifen und als kontinuierlicher Verbesserungskreislauf stetig zur Prozessoptimierung beitragen. Das bedeutet, dass sich die Nutzung der Modelle sowohl für die Anwender als auch das Management auszahlen muss.
BPM-Systeme und -Modelle bieten verschiedene Möglichkeiten, Erfolgsfaktoren (KPIs - Key Performance Indicators) zu definieren und zu kontrollieren. Die Hinterlegung der Prüfvorschriften geschieht bereits in der Visualisierungs- und Analysephase. Die Hinterlegung von Vorgabewerten ist im Kontext einzelner Aktivitäten oder ganzer Aufgabenketten möglich. Viele Systeme offerieren zudem, die Logik zur Verarbeitung der einzelnen Rohdaten und Kennzahlen zu übergeordneten KPIs zu hinterlegen - beispielsweise als Balanced Scorecard oder mehrdimensionale Bewertungsvorschriften, welche sich aus der Kombination verschiedener Einzelkennzahlen errechnen.
Stehen auch Ist-Daten aus der Ausführung bereit, können die BPM-Systeme diese aufbereiten, um zum Beispiel regelbasiert den Status der Zielerreichung zu verdeutlichen. Ein beliebtes visuelles Mittel ist beispielsweise, den Abweichungsgrad eines bestimmten Messfaktors vom Idealzustand mithilfe einer Ampel anzuzeigen.
Anwender können die Entwicklung in Echtzeit beobachten oder sich für einen größeren Zeitraum ein Reporting erstellen lassen. Viele BPM-Tools bieten in diesem Bereich aber nur Basisfunktionen zur Arbeit mit den Daten an und nutzen für tiefere Analysen externe BI-Werkzeuge.
Den Möglichkeiten zur Erfolgsbestimmung sind aber auch Grenzen gesetzt. Nicht alle Kennzahlen basieren auf automatisch erhebbaren Daten. So lassen sich die organisatorischen Effekte eines erfolgreichen BPM-Projekts nur schwer bewerten - wie die erhöhte Motivation der Mitarbeiter oder das verringerte Suchaufkommen nach bestimmten Informationen, da nun alle relevanten Inhalte direkt der Aufgabe zugeordnet sind. Manche Werkzeuge unterstützen dies mit Umfragemechanismen.
Gerade zu Beginn eines BPM-Projekts liegt die Herausforderung der Bewertung der Verbesserung in den fehlenden Vergangenheitswerten. Wenn der Prozess bisher händisch durchgeführt wurde - beispielsweise über E-Mail-Ketten -, fehlen genaue Aussagen zu Zeitdauer und Fehlerquote der bisherigen Abwicklung.
Die Rollenverteilung in BPM-Projekten
BPM-Projekte verbinden Anwender und Systeme, sie erfordern technische und organisatorische Maßnahmen. Um aus der Vielzahl der Möglichkeiten die passenden Werkzeuge und Anwendungsformen herauszusuchen, muss das Unternehmen klar sagen, was es genau umsetzen will. Das erfordert die klare Definition der Ziele und Anwendungsgebiete, wobei die Anforderungen von Nutzern aus den verschiedenen Bereichen einbezogen werden müssen. Gut geplante Prozessmodelle können unterschiedliche Anwendungsformen unterstützen, indem sie beispielsweise auf einzelne Nutzer angepasste Sichten bereitstellen.
Den Grundstein bildet immer eine sorgfältige Rollendefinition, da diese die Anforderungsanalyse und die Planung der späteren Nutzung beeinflusst. Typische Rollen in BPM-Projekten sind:
Modellersteller (Gestaltung der Modellierungsnotation und Nutzung des Editors, Verwaltung der Prozesselemente);
Modellverwaltung (Verbindung von Teilprozesse, Gültigkeitsverwaltung, Überwachung der laufenden Workflows);
Modellnutzer (Ansicht der Prozessmodelle oder Teilnahme an Workflows);
Technische Administration (Bereitstellung der technischen Infrastruktur, Absicherung des Betriebs);
Verantwortliche für Informationen in Drittsystemen (bspw. Bereitstellung von Handbüchern oder Pflege der Schnittstelle zum ERP-System);
Verantwortliche für übergeordnete Themen (zum Beispiel für Qualitätsmanagement, Compliance zur Bewertung der Zwischenergebnisse und zur Bereitstellung der Rahmenbedingungen).
Gute BPM-Projekte sind zudem durch eine realistische Projektplanung und Erfolgserwartung gekennzeichnet. Gute Ergebnisse werden erzielt, wenn die folgenden Leitsätze beachtet werden:
Die Prozesse werden realistisch aufgenommen: Es ist alles enthalten, was für Verständnis, Steuerung und Auswertung benötigt wird - aber alles weggelassen, was dafür nicht notwendig ist und nur verwirrt;
Die Prozesse werden bei der Modellierung kritisch hinterfragt und erkannte Verbesserungspotenziale zeitnah umgesetzt;
Die Prozesse werden gelebt und kontinuierlich weiterentwickelt. Bei Workflow-Projekten erfolgt die Nutzung direkt in der Vorgangsbearbeitung; bei der Modellierung zur Visualisierung müssen die Modelle ebenfalls einen Mehrwert für den Anwender bieten - zum Beispiel schnelle Information über erforderliche Prüfschritte, die Bereitstellung der passenden Formulare etc.
Fazit
BPM-Projekte sind keine rein technischen Projekte. Die Systeme sind mächtige Werkzeuge, müssen aber richtig eingesetzt werden. Hier empfiehlt sich der Einsatz von Beratern, um den Projektstart zu beschleunigen und qualitativ zu sichern. Im laufenden Projekt müssen Anwender aber auch eigene Ressourcen einbringen, um das Wissen in der Organisation aufbauen zu können.
Wer ein BPM-Kompetenzzentrum aufbaut, kann das Wissen um das Werkzeug, die Modelle und insbesondere die Nutzung in der Organisation bündeln. Solch ein Kompetenzteam sammelt Erfahrungen zur Aufnahme, Abbildung, Abstimmung und Weiterentwicklung der Modelle und kann innerbetriebliche Best Practices herausarbeiten. Die an einem Ort gebündelte Kommunikation mit den Fachabteilungen, den Dienstleistern und der Geschäftsführung stärkt wiederum die Wissensentwicklung. So lassen sich sukzessive immer mehr Aufgaben der Modellerstellung und -weiterentwicklung selbst übernehmen.
Prozess-Management bleibt ein komplexes Thema. Die vorhandenen Werkzeuge bieten aber viele Möglichkeiten, diese Komplexität herunter zu brechen und realistische, erfolgreiche Projekte umzusetzen. Viele verborgene Verbesserungsmöglichkeiten schlummern in den eigenen Systemen - man muss diesen Schatz nur heben. (sh)