Die ersten Projekt-Manager lernen online

07.10.2004 von Edgar Wang
Um die Scheiterrate von Softwareprojekten zu senken, versuchen Unternehmen, die Verantwortlichen gut auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Um Zeit zu sparen, geschieht das immer öfter per E-Learning. Allerdings sind die Anwender oft noch skeptisch.

Nach dem regelmässig von der Standish Group herausgegebenen "Chaos Report" bleiben nur ein Drittel aller Softwareprojekte innerhalb der geplanten Zeit und der vorgesehenen Kosten. Die Untersuchung bemängelt die fehlende Professionalisierung der Projektarbeit. Projektverantwortliche seien sachlich oft Experten, verfügten aber nicht über die erforderlichen Management-Kenntnisse und -Kompetenzen.

Unternehmen sind daran interessiert, die Fähigkeiten und Leistungen von Projekt-Managern und -Mitarbeitern zu steigern. Wurden nach Untersuchungen der Deutschen Gesellschaft für Projekt-Management (GPM) vor zehn Jahren fünf bis zehn Prozent der Arbeit in den Unternehmen in Projekten geleistet, so hat sich der Anteil aktuell auf etwa 30 Prozent erhöht. Die Qualifizierungsinvestitionen erreichen daher in diesem Bereich mittlerweile ein beträchtliches Ausmaß, und eine Vielzahl von Kursanbietern hat sich mit mehr oder minder ausgefeilten Trainingsveranstaltungen in diesem Markt etabliert.

Die Weiterbildung von Projekt-Managern ist jedoch schwierig -- nicht nur aufgrund der hohen fachlichen Anforderungen. Oft sind sie so stark in laufende Aktivitäten eingebunden, dass eine Freistellung zu Trainingszwecken nur unter hohem Aufwand möglich ist. Qualifizierungsmaßnahmen, die mehr leisten, als Kenntnisse zu Einzelaspekten zu vermitteln oder früher erworbenes Wissen aufzufrischen, erfordern oft einen Zeitaufwand von bis zu 14 Tagen.

Anwender sind skeptisch

In den letzten Jahren ist daher die Anzahl von E-Learning-Produkten für angehende und sich weiterbildende Projekt-Manager zusehends gewachsen. Die E-Learning-Datenbank Eldoc verzeichnet derzeit 17 Kurse zum Thema Projekt-Management, wobei das Sortiment von kostenlosen "Schnupperstudien" der Teia AG bis zu einem umfangreichen, teuren Angebot der Firma Efiport reicht -- sie bietet für knapp 3000 Euro einen Kurs von geschätzten 120 Lernstunden an.

Derart umfassende Einführungen in die Materie sind allerdings selten, denn die Produktionskosten sind enorm. Web-based Trainings (WBTs) zu Wirtschaftsthemen zu entwickeln ist für Anbieter kostenaufwändig, und sie verkaufen sich nicht von selbst, denn Anwender sind skeptisch: Zu Online-Kursen greifen sie eher bei MS-Office-Trainings, als sie bei der Vermittlung von Management-Wissen einzusetzen.

Über das größte Repertoire von derzeit 40 Projekt-Management-Kursen in Englisch, Deutsch und einer Vielzahl anderer Sprachen verfügt Skillsoft, das weltgrößte unabhängige E-Learning-Unternehmen, dessen Kurse als direkte Vorbereitung auf die Prüfung des Zertifizierungspartners Project Management Institute (PMI) genutzt werden können. Seit dem vergangenen Jahr bietet auch Thomson Netg englischsprachige Kurse mit einer geschätzten Gesamtlerndauer von 40 Stunden an und brachte die deutschen Versionen vor kurzem auf den Markt. Die seit 2002 vorliegenden WBTs von Webacad sind von etwas kleinerem Umfang. Alle drei Unternehmen gehören zum Netzwerk der "Registered Education Provider" des PMI.

Die Post realisierte vier Referenzprojekte

Der systematische Einsatz von E-Learning bei der Weiterbildung von Projekt-Managern steht in den Unternehmen noch ganz am Anfang. Bei Deutsche Post World Net (DPWN) geht allerdings eine Qualifizierungsmaßnahme in die Verstetigungsphase, in der Online-Elemente eine wesentliche Rolle spielen.

Die Post organisierte im vergangenen Jahr den breit angelegten Betriebsversuch "Online-Lernen", um verlässliche Erfahrungen für eine konzernweite Einführung von E-Learning zu sammeln. Anstatt mit einem großen aufwändigen Rollout zu starten, wurden vier Referenzprojekte mit typischen Themen, aber unterschiedlichen Zielgruppen, Lernzielen und Lernszenarien realisiert. Auf die Implementierung eines Lern-Management-Systems und die Entwicklung eigener Inhalte wurde verzichtet. Zum Einsatz kamen Standard-WBTs von Skillsoft und dessen sofort verfügbare ASP-Plattform, die über das DPWN-Portal www.dpwnacademy.com zugänglich war.

In einem Teil des Betriebsversuchs wurden Projekt-Manager zu "Project Management Professionals" (PMP) weitergebildet. Die Teilnahme war freiwillig, das Interesse jedoch über alle Erwartungen hoch: Die Qualifizierungsmaßnahme verzeichnete mehr als 200 Teilnehmer. Ziel war der Ausbau des Methoden-Know-hows sowie die Vorbereitung auf die externe PMP-Zertifizierung nach den Richtlinien des Project Management Instituts, die bereits von den ersten Teilnehmern erfolgreich abgelegt wurde.

Der Begriff "PMP" verbindet sich mit dem PMI, das seit seiner Gründung 1969 eine international einheitliche Zertifizierung zum Project Management Professional anbietet, die bislang von etwa 75000 Personen erworben wurde. Besonders stark sind die PMPs in den USA und in Asien vertreten. In Deutschland ist auch das Zertifikat "Projekt-Management-Fachmann" (PMF) verbreitet, das hier bisher rund 3000 Personen ausgestellt wurde und von der GPM vergeben wird, dem deutschen Mitgliedsverband der International Project Management Association (IPMA).

Zeitersparnis: 13 Tage

Insbesondere unter den 1400 Mitarbeitern der Deutschen Post IT Solutions GmbH, wo zuvor nur über Präsenzmaßnahmen im Projekt-Management geschult worden war, fand das Angebot ein günstiges Echo. Aus Sicht des Unternehmens lagen die Vorteile auf der Hand: Die Teilnehmer des Zertifizierungskurses absolvierten 105 Lernstunden online und konnten dazu über einen längeren Zeitraum kürzere Zeitabschnitte nutzen, in denen sie nicht aktiv in die Projektarbeit eingebunden waren. Bei einem Präsenztraining hätten sie den Kundenprojekten mindestens 13 Tage zuzüglich Reisezeiten nicht zur Verfügung gestanden.

Allerdings handelte es sich hier nicht um einen reinen Online-Kurs. Der Kick-off erfolgte mit einem dreitägigen Workshop, in der Online-Phase wurden kognitive Aufgaben mit Hilfe persönlich anwesender Trainer bearbeitet, und schließlich wurde das Erlernte durch Coaching on the Job abgerundet.

Den Teilnehmern wurde ein hohes Maß an Selbstverantwortung und Disziplin abverlangt -- der Kurs erstreckte sich über ein halbes Jahr, besonders viel arbeitende Teilnehmer brauchten noch länger. Für die Lerner war das Zertifizierungsangebot allerdings ein wichtiger Ansporn. Sven Armbruster, der erste PMP-Zertifizierte des Kurses: "Man profitiert für die eigene Arbeit, das stellt sich immer mehr heraus. Auch das Unternehmen profitiert, wenn zu den Kunden Mitarbeiter mit nachgewiesenen Topqualifikationen kommen. Man erreicht aber auch etwas für die eigene Zukunft."

Die Qualifizierung bei der DPWN ist in Deutschland bislang die größte Blended-Learning-Weiterbildung eines Unternehmens im Bereich Projekt-Management und die einzige, die einen direkten Zugang zur externen PMI-Prüfung und -Zertifizierung einschließt.

Der Trainingsmarkt für Projekt-Management scheint trotz des Rückgangs der allgemeinen Weiterbildungsausgaben der letzten Jahre stabil zu sein, denn große Unternehmen verlangen zunehmend von ihren Geschäftspartnern und Zulieferern den Nachweis internationaler PM-Qualifikationen. Die Zahl der Präsenztrainer ist jedoch begrenzt. So arbeiten in Deutschland nur etwa 100 Lehrer, die PMP-Seminare abhalten dürfen.

Ob sich die Bedeutung der WBTs für die Projekt-Manager-Qualifizierung in Zukunft vergrößern wird, ist allerdings nicht vorhersehbar. Bislang konnte im deutschsprachigen Raum neben Skillsoft offenbar nur Webacad Kunden wie UBS und den Südwestrundfunk für den Kauf von Firmenlizenzen gewinnen, wobei Großunternehmen als Nutzer dominieren. Der Kurs von Efiport, der nur an Individualkunden vertrieben wird, muss seine Entwicklungskosten erst noch einspielen.

Ein weiteres Angebot für den freien Weiterbildungsmarkt bringen die Handwerkskammern Unterfranken sowie München und Oberbayern in diesem Herbst auf den Markt. Das unter Beteiligung von Efiport und des Saarbrücker Anbieters Imc produzierte WBT ist mit 800 Euro relativ preisgünstig, im Umfang allerdings auch schmaler. Es führt entweder zu einer Zertifikatsprüfung der Handwerkskammern oder kann als Bestandteil eines umfangreichen Fortbildungslehrgangs der Wirtschaftsinformatik genutzt werden.

Präsenztrainer üben Kritik

Die in verschiedenen PMI-Chapters zusammengeschlossenen Präsenztrainer halten von einer Zunahme Web-basierender Angebote naturgemäß wenig. Wie bei anderen Themen auch, sehen sie darin eine unliebsame Konkurrenz und argumentieren mit der angeblich geringen Qualität der Online-Kurse, wobei oft Billigprodukte als Beispiel herhalten müssen.

Jürgen Theisen, Geschäftsführer von Skillsoft Deutschland, meint dagegen: "Unser Marktanteil wird zunehmen, je mehr wir Unternehmen davon überzeugen können, dass unsere Produkte in Blended-Learning-Szenarien passgenau zu international anerkannten Zertifizierungen führen." (hk)

*Edgar Wang ist freier Journalist in Bonn.