Netgear-CEO

Die Chinesen und Taiwaner können nur billig

12.12.2008 von Jürgen Hill
Mit Patrick Lo, CEO von Netgear, sprach CW-Redakteur Jürgen Hill über die Strategie des Netzwerk-Players im Konkurrenzkampf mit Cisco und Co.

CW: Im Vergleich zu Cisco und anderen Playern ist Netgear nur eine kleine Nummer und nicht unbedingt Innovationsführer. Wie wollen Sie in diesem Wettbewerb bestehen?

LO: Wir setzen unseren Kurs fort, Enterprise-Technik für kleine und mittlere Unternehmen (Small Medium Business = SMB) zu bezahlbaren Preisen anzubieten. Dabei achten wir auf Geschwindigkeit und leichte Bedienung - hierin unterscheiden wir uns von den großen Playern. Gleichzeitig ist das unser Differenzierungsmerkmal gegenüber den taiwanischen und chinesischen Herstellern, die immer nur den Techniktrends folgen und nur eines können: billig, billig und nochmals billig. Diese Anbieter hinken uns auf technischer Ebene zwei bis drei Jahre hinterher.

CW: Und was hat der Anwender davon?

LO: Nehmen Sie das Thema Switching. Wir bieten seit rund viereinhalb Jahren Switches mit einem Web-Interface an, von uns auch Smart Switches genannt. Zudem unterstützen unsere Smart Switches Gigabit Ethernet oder Power over Ethernet oder sind stackable. Das alles werden Sie bei den Taiwanern nicht finden.

CW: Spüren Sie bereits die Wirtschaftskrise, und was erwarten Sie für die nächsten sechs Monate?

LO: Hier müssen wir zwischen dem Consumer- und dem SMB-Markt unterscheiden. Beide Segmente haben für uns derzeit eine Gewichtung von 50 zu 50. Im Consumer-Bereich verbuchen wir bereits Einbrüche, während das SMB gut läuft.

Problemfall Consumer-Markt

CW: Warum trifft es den Consumer-Markt so hart?

Netgear CEO Patrick Lo will in den Security-Markt einsteigen.

LO: Dafür gibt es zwei Gründe. Wenn wir die USA und Großbritannien betrachten, dann spüren dort die Verbraucher die Auswirkungen der Immobilien- und Kreditkrise am härtesten. Und es ist eine alte Weisheit, dass Verbraucher, die in einer wirtschaftlich schwierigen Situation sind, weniger kaufen. Unglücklicherweise schwappt diese Welle langsam, aber sicher auch nach Frankreich und Deutschland über. Das ist ein psychologisches Problem. Erschwerend kommt aber hinzu, dass in vielen Haushalten bislang der einzige Zweck eines Netzes darin besteht, den PC mit dem Internet zu verbinden. Und dieser Markt ist langsam gesättigt. In der westlichen Welt dürften 70 bis 80 Prozent der Haushalte mittlerweile einen WLAN-Router haben. Diese Kunden werden bei der schlechten wirtschaftlichen Lage kaum auf die neuen, schnelleren 802.11n-WLAN-Router upgraden. Denn um nur ins Internet zu kommen, brauchen sie die Geräte nicht, dazu genügt auch ein 801.11g-Modell. Warum sollen sie also nicht ein Jahr warten, bis die wirtschaftliche Lage besser ist?

CW: Also haben Sie die Privatkunden für den Moment abgeschrieben?

LO: Nein, aber wir müssen für den Consumer-Bereich neue Gadgets erfinden, die eine ähnliche Anziehungskraft wie die WLAN-Router haben, wenn die Verkaufszahlen nicht weiter fallen sollen.

CW: Und womit beglückt uns Netgear?

LO: Wir haben drei Produkte in der Pipeline. Das eine ist ein neuer Network Attached Storage (NAS). Zudem wollen wir zu Weihnachten ein neues Digital Entertainment Center auf den Markt bringen, das deutlich leistungsfähiger als das existierende Modell ist. Und als drittes Gadget arbeiten wir an einer Security-Box für zu Hause, die auf Know-how basiert, das wir mit der Übernahme von CP Secure im September erworben haben. Die Box soll die Heimrechner nicht nur vor Gefahren aus dem Netz schützen, sondern den Eltern auch eine größere Kontrolle darüber geben, welche Seiten ihre Kinder ansurfen.

Krise als Glücksfall

CW: Das klingt interessant, aber zurück zum Small Medium Business. Wie sieht da die Entwicklung aus?

LO: Dort hat sich das Geschäft bislang gut für uns entwickelt. Es klingt schon fast zynisch, aber wir profitieren von der Krise in zweifacher Hinsicht. So finden Leute, die heute ihren Job verlieren, in der Regel keine neue Festanstellung mehr. Sie müssen sich also selbständig machen und eine eigene IT-Infrastruktur aufbauen. Und hierzu kaufen sie dann unsere unmanaged Switches, unsere Access Points, unsere Firewalls etc.

Ein anderes Feld, das für uns in der Krise sehr interessant ist, sind die Corporate-Kunden. Diese Unternehmen kaufen in wirtschaftlich guten Zeiten - wenn das Budget kein Problem ist - teure Geräte von Cisco oder HP. Jetzt schreiben viele Firmen ihren IT-Abteilungen einen strikten Sparkurs vor, und das Geld sitzt nicht mehr so locker. Diese Kunden werden zu Netgear kommen. Unter dem Strich werden wir im SMB-Segment von der Krise profitieren.

CW: Also ist die Wirtschaftskrise für Netgear ein Glücksfall, da Sie sonst im SMB-Markt nicht weiterwachsen könnten?

LO: Nein, denn wir haben auch sonst ein interessantes komplettes Portfolio aus NAS, Wireless, Switching, Routing und Firewalls sowie VPNs. Zudem arbeiten wir an einem neuen Standbein. Demnächst können Sie bei Netgear auch Security Appliances kaufen.

Unsere Partner übernehmen die Entwicklung

CW: Security Appliances müssen Sie aber ständig weiterentwickeln, um sie an neue Bedrohungen anzupassen. Forschung und Entwicklung zählen jedoch nicht unbedingt zu den Vorzügen von Netgear, um es höflich zu formulieren.

LO: Ja, unsere Research-and-Development-Strategie unterscheidet sich stark von Cisco oder HP. Schließlich geben wir nur vier Prozent unseres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Aber vom ersten Tag an gehörte es zur Strategie von Netgear, unsere Partner dazu zu bewegen, dass sie für uns die Entwicklung machen. Wir übernehmen das Produktdesign sowie das Projekt-Management, für den Rest sind die Partner zuständig.

CW: Und mit dieser Strategie wollen Sie in den Security-Markt?

LO: Sicher, wir bauen auf Partner, statt alles selbst zu machen. In der alten Welt gab es Sonicwall, Watchguard, Fortinet und andere, die rund um den Globus verteilte Alert-Teams aufbauten, um auf neue Gefahren zu reagieren. Das verteuerte die Produkte. Wir wählen einen anderen Ansatz und setzen auf eine offene Plattform, in die alle Partner ihre Module einbringen können. So könnten wir in Sachen Antivirus mit Sophos oder Kaspersky zusammenarbeiten und beim Thema Spam und URL-Filtering wiederum mit anderen Partnern. Wir verkaufen das dann als komplettes Security-Appliance-Paket.

CW: Sie sprachen davon, dass Unternehmenskunden in schwierigen Zeiten Ihre Produkte kaufen. Aber haben Sie nicht gerade bei aktuellen Themen wie VoIP oder Unified Communications Lücken?

LO: Sicher sind das interessante Themen, die wir uns sehr genau anschauen. Momentan fehlt uns aber das eigene Know-how. Deshalb sind wir beispielsweise Partnerschaften mit Avaya oder Mitel eingegangen. Netgear liefert die Netzinfrastruktur und die Partner die IP-Telefone sowie die entsprechenden Call-Server. Dass wir eventuell einmal eigenes VoIP-Equipment vermarkten, will ich damit nicht ausschließen.

Wir hatten schon immer Green IT

CW: Auch in Sachen Green IT ist von Netgear wenig zu hören. Warum?

LO: Wahrscheinlich sind wir keine so gute Marketing- und Hype-Company, wie wir sein sollten. Aber Spaß beiseite, seit es Netgear gibt, handelt das Unternehmen sehr umweltfreundlich. Deshalb kamen wir nie auf die Idee, dass wir jetzt grün werden müssen. Von Beginn an wurden unsere Produkte nur in Verpackungen aus Recycling-Papier- und -Pappe ausgeliefert. Im Gegensatz zu unseren Konkurrenten setzten wir nirgends Plastik ein. Zudem waren wir das erste Unternehmen, das seine Produkte komplett entsprechend der EU-Richtlinie RoHS umgestellt hatte, die die Verwendung gefährlicher Stoffe beschränkt.

CW: Und wie sieht es mit den Produkten selbst aus, etwa beim Stromverbrauch?

Laut Netgear brauchen die eigenen NAS rund 30 bis 40 Prozent weniger Strom als die Konkurrenzmodelle von Intel.

LO: Hier arbeiteten wir stets aktiv an Verbesserungen. Erst jüngst zeigte ein Test, dass unsere Switches nur die Hälfte eines vergleichbaren Cisco-Switchs verbrauchen. Und unser NAS benötigt nur 30 bis 40 Prozent des Stroms eines vergleichbaren Gerätes von Intel. In der Consumer-Welt besitzen unsere Produkte im Gegensatz zur Konkurrenz noch Ein- und Ausschalter. Unsere 11n-Modelle haben alle zwei Knöpfe: einen für die Stromzufuhr und einen, um das WLAN abzuschalten. Der Benutzer kann so aktiv Strom sparen. All das haben wir immer gemacht, deshalb müssen wir es jetzt nicht hypen wie andere Unternehmen. Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, auf den Stromverbrauch zu achten. Aber wahrscheinlich müssen wir einen besseren Job in Sachen Selbstvermarktung machen.

CW: Wenn Netgear so umweltbewusst ist, warum braucht dann noch jedes Gerät sein eigenes Netzteil? Wieso können die Komponenten nicht zentral per Power over Ethernet versorgt werden?

LO: Der Gedanke ist gut. Die Idee scheitert aber daran, dass beispielsweise ein Switch zu viel Energie verbraucht. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass ein Switch auch künftig eine eigene Stromversorgung besitzen wird, dann aber Peripheriegeräte mit Energie beliefert. So wie dies heute bereits mit den Access Points für WLANs geschieht.

CW: Sie sprechen das Thema WLAN an. Wer macht das Rennen? Die Kupfer- oder die Funknetze?

LO: Ich glaube, dass sich sowohl im privaten als auch im professionellen Umfeld auch künftig WLANs und kabelgebundene Netze ergänzen werden. Für Funk-LANs sprechen die niedrigeren Anschaffungs- und Betriebskosten. Ferner sind sie für den Anwender bequemer, da er sich mit seinem Rechner bewegen kann. Dagegen offerieren LANs auf Kabelbasis die bestmögliche Sicherheit, gepaart mit der höchsten Geschwindigkeit. Daran wird sich auch nichts ändern, weshalb beide Technologien nebeneinander existieren werden.