Seit dem 1. Mai 2010 zeichnet Pörschmann bei der Deutschen Messe AG als Leiter des Geschäftsbereichs CeBIT verantwortlich für die größte ITK-Messe der Welt. Vorher war er bei IBMs Dienstleistungssparte Global Business Services tätig. Der Sprecher der Deutschen Messe AG, Hartwig von Saß, gab ebenfalls Auskunft über die kommende CeBIT 2011, die vom 1. bis 5. März 2011 (Dienstag bis Samstag) stattfindet.
CW: Messeveranstaltungen sind allgemein unter Druck: Auch die Messe in Hannover verzeichnete in den vergangenen Jahren Defizite. Braucht die CeBIT nicht jeden Euro?
PÖRSCHMANN: Man muss deutlich unterscheiden zwischen Konzern- und Veranstaltungsergebnis. Beim Konzern gibt es - wie überall - Abschreibungen, Sondereffekte, Tilgungen und dergleichen. Blicken wir auf die CeBIT steht eines ganz klar fest: Die CeBIT ist eine kerngesunde Veranstaltung - und davon gibt es im weltweiten Wettbewerbsumfeld nicht viele.
CW: Was meinen Sie mit kerngesund? Ist die CeBIT profitabel?
VON SAß: Zur Profitabilität einzelner Veranstaltungen äußern wir uns grundsätzlich nicht. Nur soviel: Wir würden nichts machen, was kein Geld bringt. Die CeBIT erwirtschaftet gute Ergebnisse.
PÖRSCHMANN: Entscheidend ist, dass wir in der Lage sind, in die Veranstaltung zu investieren, um sie für Aussteller und Besucher attraktiv zu halten. Das ist meine Definition von kerngesund: Wir sind aus eigener Kraft in der Lage, Innovationen umzusetzen und neue Themen und Trends vorantreiben.
CW: Sie reden von Quersubventionen aus anderen Veranstaltungen? Oder solchen von der Politik?
CeBIT 2011
Die CeBIT wird 2011 vom 1. bis 5. März abgehalten. Die Messeveranstalter fokussieren sich kommendes Jahr auf vier zentrale Themenfelder der ITK-Branche. "CeBIT pro" ist der Kern der CeBIT und zeigt effiziente und sichere ITK-Lösungen für Unternehmen. "CeBIT gov" präsentiert ITK-Anwendungen für die öffentliche Verwaltung und das Gesundheitswesen. "CeBIT life" macht ITK erlebbar und informiert über neue Geschäftsmodelle, die durch die veränderte Rolle des Konsumenten möglich werden. "CeBIT lab" stellt wegweisende ITK-Lösungen und präsentiert die Trends von morgen vor.
VON SAß: Es ist seit Jahren bekannt, dass es im deutschen Messewesen immer wieder auf unterschiedlichsten Wegen zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.
Quersubventionen nicht nötig
CW: Sie reden jetzt von Baden-Württemberg und hier besonders der Messe Stuttgart?
VON SAß: Es geht um die generelle Frage. Insgesamt muss das deutsche Messewesen die Frage beantworten, in wie weit ein nationaler Wettbewerb unter verzerrten Bedingungen sinnvoll ist und die starke Position Deutschlands im Messewesen schwächt.
PÖRSCHMANN: Diese Quersubventionen brauchen wir nicht. Das gibt uns Freiheiten, durch die wir uns auch nicht nach Wünschen von Dritten ausrichten müssen.
CW: Dazu fällt uns ein, dass die Messe Hannover ja vom Land Niedersachsen und der Stadt Hannover eine Finanzspritze von 250 Millionen Euro bekommen hat im Jahr 2010.
VON SAß: Das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover sind zu gleichen Teilen unsere beiden großen Anteilseigner. Sie haben sich im vergangenen Jahr entschlossen, das Grundkapital der Deutschen Messe AG um 250 Millionen Euro zu erhöhen, um damit auf der einen Seite das Unternehmen von den Lasten der Vergangenheit - insbesondere der Weltausstellung im Jahr 2000 - zu befreien und auf der anderen Seite in das Wachstum des Unternehmens zu investieren. Wir haben die Kapitalerhöhung als bilanzielles Gegengewicht für eine notwendige Sonderabschreibung auf das Anlagevermögen in Höhe von 192 Millionen Euro genutzt.
CW: Glaubt man den Wirtschaftsinstituten und den Prognosen, so wird Deutschland zur Lokomotive der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa. Spüren Sie bei der CeBIT etwas von diesem Trend ?
PÖRSCHMANN: Wir spüren eine deutliche Dynamik in den Dialogen mit den Kunden und Partnern. Die Big Player kommen alle wieder und vergrößern zum Teil ihre Präsenz. Es gibt auch Aussteller, die wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage 2010 nicht auf der CeBIT waren und nächstes Jahr wieder kommen werden.
CW: Können Sie das mit konkreten Zahlen untermauern?
VON SAß: In konkreten Zahlen können wir dies derzeit nicht darstellen. Von Anmeldezahlen können wir noch nicht sprechen. Dazu ist es noch zu früh.
PÖRSCHMANN: Wir erleben aber in den Gesprächen: Die Ideen, die Belebung, die wieder da ist. Wir beobachten auch einen Kampf um attraktive Plätze, um es freundlich auszudrücken. Das macht uns hoffnungsvoll. Für eine belastbare Indikation ist es aber noch zu früh. Wir sind aber sehr zuversichtlich, von der Dynamik des Marktes profitieren und die positiven Gespräche auch in eine CeBIT-Beteiligung ummünzen zu können.
Fehlgeleitete Größe Ausstellerzahlen
CW: Trotzdem werden Sie auch gemessen an den Besucher- und Ausstellerzahlen .
PÖRSCHMANN: In der Tat bewerten die Medien nach diesen beiden Kriterien den Erfolg. Aus unserer Sicht greift das viel zu kurz: Neben dem wirtschaftlichen Ergebnis ist doch die entscheidende Frage, ob unsere Kunden mit unserer Leistung und ihrem Gegenwert zufrieden sind. Außerdem: Wenn man schon auf die Ausstellerzahlen schaut, muss man auch bedenken, dass sich der Markt in den vergangenen Jahren stark konsolidiert hat. Nehmen Sie das Beispiel Hardware-Hersteller: Deren Zahl hat sich im Vergleich zu vor zehn Jahren auf ein Fünftel reduziert. Entsprechend sind weniger Aussteller aus diesem Segment hier. Und insofern ist die Ausstellerzahl auch eine fehlleitende Größe.
CW: Welche Größe ist dann für Sie als Messeverantwortliche relevant?
PÖRSCHMANN: Eine relevante Größe ist die Frage nach dem Marktanteil. Wir wissen, dass der Marktanteil der CeBIT gestiegen ist. Aus dieser Position werden wir kraftvoll wachsen.
CW: Es gibt allerdings Konkurrenzveranstaltungen wie etwa den Mobile World Congress in Barcelona, die IFA in Berlin oder die Consumer Electronics Show , die ähnliche Themen aufgreifen wie die CeBIT. Die sind thematisch fokussierter und deshalb für Aussteller interessanter.
PÖRSCHMANN: Natürlich gibt es immer auch neue Veranstaltungen. Wichtig ist die Gesamtbetrachtung. Insgesamt werden aber mehr Veranstaltungen im ITK-Bereich eingestellt oder verschoben als neue kreiert. Konkret: Allein in den vergangenen drei Jahren sind im ITK-Bereich 60 Veranstaltungen eingestellt worden.
Sie haben Recht, manche neuen Veranstaltungen werden als ähnlich angesehen wie die CeBIT. Barcelona, also der Mobile World Congress, die IFA in Berlin und die CeBIT werden gern in einem Atemzug genannt. Diese Veranstaltungen verfolgen aber völlig unterschiedliche Ziele. Die eine Veranstaltung ist ein Hospitality-Treff für Top-Executives , die andere fokussiert auf das nationale Ordergeschäft und das allgemeine Publikum. Für uns entscheidend ist der ROI aus Kunden- und Besuchersicht. Konkreter: Was bringt einem Besucher die CeBIT? Da schlägt unsere Veranstaltung jede andere in der Welt. Wir bieten zum Beispiel den geringsten Entscheider-Kontakt-Preis auf der CeBIT und die höchste Entscheiderdichte.
CW: Eine andere Rechnung sagt allerdings, dass die CeBIT für die Aussteller sehr teuer ist etwa in puncto der Kosten pro Quadratmeter Ausstellungsfläche.
PÖRSCHMANN: Das wundert mich. Der Wert der CeBIT resultiert ja aus dem breiten Portfolio, gepaart mit der Vor- und Nachbereitung durch unsere Kunden. Wir wissen, dass wir diesbezüglich weit über allen anderen Veranstaltungen platziert sind - zumindest solchen, die die gleiche Industrie ansprechen. Der reine Vergleich der Kosten der Ausstellungsfläche sagt nichts über den Wert einer Veranstaltung aus.
VON SAß: Außerdem gehören zu solch einer Betrachtung neben den Ausstellungskosten auch weitere Posten. Nehmen Sie das Beispiel Hotelkosten: Diesbezüglich hat sich Hannover in den vergangenen Jahren sehr positiv verändert. Wenn Sie einmal vergleichen, was man etwa in anderen Städten zu Messezeiten für kleine Zimmer zahlen muss, da ist Hannover mittlerweile mehr als konkurrenzfähig. Mit dem niedersächsischen Hotel- und Gaststättenverband haben wir Vereinbarungen getroffen, nach denen wir mehr als 3000 Hotelzimmern zu sehr fairen Konditionen anbieten können. Auch diesen Vergleich brauchen wir nicht zu scheuen.
Partnerland Türkei
CW: Anderes Thema: Das CeBIT-Partnerland ist im Jahr 2011 die Türkei. War die Wahl des Landes politisch begründet? Wollte man ein Zeichen setzen, dass die Türkei als in Europa integriert angesehen wird?
PÖRSCHMANN: Die ITK in der Türkei wächst überdurchschnittlich. Sie wächst auch schneller als das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Die ITK-Industrie der Türkei wird unterschätzt. Für die Türkei ist die ITK-Industrie ein treibendes Element. Zudem ist die Türkei als Tor zum eurasischen Markt sehr wichtig.
VON SAß: Dahinter stecken keine politischen Gedanken oder Ansätze. Diese Wahl ergibt sich aus der guten Zusammenarbeit zwischen CeBIT und Bitkom, also dem Spitzenverband der ITK-Industrie.
CW: Die CeBIT hat in der Vergangenheit immer mal wieder gependelt zwischen einer zunehmenden "Konsumierisierung", wie Gartner das nannte, und einer Konzentration auf Business-Kunden. Wie sieht das 2011 aus?
PÖRSCHMANN: Diese Konsumerisierung ist ein Weltmarkttrend. Die Rolle des Konsumenten in der Wertschöpfungskette ändert sich. Diesem Trend müssen wir in der Ausgestaltung und Ausrichtung der CeBIT Rechnung tragen.
CW: Themen wie iPad und iPhone zeigen, wie sehr Konsumententhemen Einzug halten in die Geschäftswelt. Spiegelt sich das in den Themenschwerpunkten der CeBIT wider? Eines der vier Hauptthemen (siehe Kasten "CeBIT 2011") lautet ja "CeBIT life". Das soll nach Ihren eigenen Aussagen die ITK erlebbar machen und über neue Geschäftsmodelle informieren, die durch die veränderte Rolle des Konsumenten möglich werden.
PÖRSCHMANN: Die Aufteilung in die vier Kernthemen erfolgt aus dem Blickwinkel der Anwender, das ist die Logik. Bei der CeBIT Life ist es ebenso, wir wollen damit den kompetenten Konsumenten erreichen, der mitten in der digitalen Wertschöpfungskette steht.
Überragendes Thema Cloud Computing
CW: Daneben hatte die CeBIT sich immer auch ein Kernthema gegeben, vergangenes Jahr etwa die "Connected Worlds". 2011 soll es die Wolke sein, Cloud Computing .
PÖRSCHMANN: Das überragende Thema sehen wir in "Work and life with the cloud", wobei die Betonung auf "with" liegt. Wir nennen es bewusst nicht "Cloud Computing", da es sich nicht nur um ein technisches Phänomen handelt. Vielmehr führen Cloud-Angebote zu umfassenden Struktur- und Geschäftsmodellveränderungen im weltweiten ITK-Markt. Jeder Marktteilnehmer in der ITK-Industrie ist davon betroffen. Auf verschmelzen berufliche und private ITK-Nutzung immer stärker. Das Thema Cloud hat ja schon lange im privaten Bereich Einzug gehalten. Fotos, Videos und private Daten speichern die Menschen in der Cloud. Im professionellen Segment kommen natürlich noch ganz wesentliche Fragen hinzu wie Datensicherheit und -Lokalisierung oder Leistungsmessung, um nur wenige Aspekte zu nennen.
CW: Wie bringen Sie den Messebesuchern das Thema Cloud nahe?
PÖRSCHMANN: Das Thema ist auf dem gesamten Messegelände präsent. In vielen Themen wie Netze, Infrastruktur, Hardware und allen weiteren findet sich das Thema Cloud wieder.
CW: Wird es eine gesonderte Cloud-Computing -Halle geben?
PÖRSCHMANN: Es wird keine Cloud-Computing-Halle geben. Es wird keine Cloud-Computing-Halle geben. Versuchen Sie mal eine Wolke einzusperren. Cloud Computing findet auf dem gesamten Gelände statt. Jeder Aussteller wird seinen Teil des Themas darstellen.
CW: Aber Cloud Computing ist ja sehr komplex, setzt sich aus vielen schon allein technisch schwierigen Aspekten zusammen. Hinzu kommen neue Lizenzierungsmodelle. Das gesamte Thema ist also nicht leicht vermittelbar. Wie will das die CeBIT 2011 hinbekommen?
PÖRSCHMANN: Unsere Aufgabe als CeBIT-Veranstalter ist es, die gesamte Breite der Facetten von Cloud Computing auf dem Gelände zu organisieren und darzustellen, die Diskussionen und den kritischen Dialog zu befeuern.
VON SAß: Wir haben das Topthema Work and Life with the Cloud mit der Industrie entwickelt. Dort ist die Bereitschaft sehr groß, sich kreativ der Umsetzung anzunehmen. Wenn man sich an die Messeauftritte der Unternehmen in der Vergangenheit erinnert, sind wir sicher, dass das Thema Cloud in all seinen Facetten sehr verständlich dargestellt werden wird. (jm)