Die Big Five organisieren sich neu

21.05.2002 von Joachim Hackmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Abnabelung der Big-Five-Consultinghäuser von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften läuft auf Hochtouren. Mit diesem Prozess einher geht eine grundlegende Marktkonsolidierung, die auch in Deutschland Auswirkungen hat.

Die fünf großen Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften der Welt - Deloitte-Touche, Pricewaterhouse-Coopers, KPMG, Arthur Andersen und Ernst&Young - verlassen sich schon längst nicht mehr allein auf das Buchprüfungsgeschäft. Sie alle unterhalten neben dem traditionellen Auditing die Standbeine Steuerberatung sowie Management-Consulting, in dessen Bereich die IT-Beratung und -Systemintegration sich wiederum in den vergangenen Jahren zu den ertragreichsten Sparten entwickelten. Diese Aktivitäten wurden bei allen Häusern zumindest pro forma ausgegliedert und tragen oft den Namenszusatz „Consulting“ (etwa PWC Consulting, KPMG Consulting und Deloitte Consulting).

Die fünf großen Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften der Welt: Deloitte-Touche, Price-Waterhouse-Coopers, KPMG, Arthur Andersen und Ernst&Young.

Das Trennungsthema ist nicht neu

Schon vor dem Enron-Skandal war immer wieder die Trennung von Beratung und Prüfung angemahnt worden. Die Big Five standen in dem Gewissenskonflikt, bei der Buchprüfung Großzügigkeit walten zu lassen, um nicht den Verlust von Consulting-Aufträgen zu riskieren. Arthur Andersens zwielichtige Rolle im Enron-Fall war nun der Auslöser für eine grundlegende Neuordnung des Marktes. Dabei können die einzelnen Ländergesellschaften aufgrund der Partnerstrukturen Entscheidungen des internationalen Verbunds ohne Weiteres ignorieren und eigene Wege beschreiten. Dass sie dies auch tun, haben sie in der Vergangenheit bereits bewiesen: Die Fusion von Cap Gemini mit den IT-Beratern von Ernst&Young im Frühjahr 2000 kam beispielsweise nicht in Dänemark zustande. Dort votierten die Partner für eine Übernahme durch den norwegischen Serviceanbieter Merkantildata.

Exemplarisch für die derzeitige Situation im Markt ist der Fall KPMG Consulting. Die US-amerikanische Niederlassung wurde bereits im Februar 2001 von den dortigen Wirtschaftsprüfern abgespalten und an die Börse gebracht. Daraus ergibt sich das Paradoxon, dass KPMG Consulting USA und die deutsche KPMG Consulting AG zwar namensgleich sind, eine gesellschaftsrechtliche Verbindung aber nicht existiert. Die US-Niederlassung kann nun zwar unabhängig von den Wirtschaftsprüfern am Markt agieren, ist aber regional auf die USA begrenzt. Da die Kunden meistens internationale Beratungsleistungen einfordern, muss KPMG Consulting (USA) das Geschäft weltweit ausdehnen. Das gleiche Problem stellt sich im Übrigen jeder Landesgesellschaft.

Internationale Präsenz ist Pflicht

So kommt die Meldung des Informationsdienstes „top-consultant.com“ zustande, dass KPMG Consulting (USA) Interesse an der Übernahme nationaler KPMG-Consulting-Niederlassungen bekundet hat. Die kanadischen, irischen und australischen Berater schlüpften bereits unter das US-Dach. In Deutschland ist es noch nicht soweit, hier laufen erst die Vorbereitungen zur Abspaltung der Berater von den Prüfern. Noch im ersten Halbjahr 2002 soll die Entscheidung über die Zukunft der KPMG Consulting AG fallen. Die Optionen lauten Börsengang, Management-Buy-out oder Verkauf. Gerüchten zufolge finden bereits Gespräche mit Cap Gemini Ernst & Young zur Übernahme des Geschäftsbereiches statt. Das wurde jedoch von KPMG-Seite dementiert.

Zeitgleich bemüht sich KPMG Consulting USA um die Übernahme der Management-Beratung Arthur Andersen Business Consulting in 23 Ländern. Die Nachricht, die deutsche Niederlassung sei auch von den Übernahmeplänen betroffen, dementierte ein Arthur-Andersen-Verantwortlicher gegenüber der COMPUTERWOCHE. Die Frankfurter Zentrale ließ wissen, dass die Consulting GmbH im Rahmen der Fusion von Arthur Andersen Deutschland mit der Ernst & Young AG als eine rechtlich eigenständige Gesellschaft weitergeführt wird.

Die Verbindung von Ernst & Young mit Arthur Andersen Business Consulting in Deutschland ist zumindest verwunderlich. Cap Gemini, Paris, erwarb nämlich vor rund zwei Jahren die Consulting-Einheit von Ernst & Young für elf Milliarden Dollar. Die Franzosen verlangten von ihrem damaligen Partner eine Wettbewerbsverbotsklausel. Der zufolge darf Ernst & Young bis zum Jahr 2005 nicht in das IT-Consulting-Geschäft einsteigen. Vordergründig verletzt die Übernahme von Arthur Andersen Business Consulting diesen Passus nicht, da die neue Ernst&Young-Tochter ihren Kunden lediglich Management-Beratung à la McKinsey und Boston Consulting anbietet. Weil aber Geschäftsprozesse immer enger mit IT verwoben werden, wächst der IT-Consulting-Anteil dieser Häuser stetig.

Eine etwas verwirrende Taktik verfolgte in der Vergangenheit Deloitte Touche. Das Unternehmen warb lange Zeit damit, dass es die Berater nicht aus dem Verbund entlassen werde. Das war allerdings noch vor der Enron-Pleite. Im Februar kam der Schwenk, als ein offizieller Unternehmenvertreter dem Informationsdienst „Computerwire“ verriet, auch Deloitte treibe die Trennung von Beratung und Prüfung voran. Lediglich die Form der Abspaltung sei noch unklar.

Mittlerweile sorgte Deloitte-Consulting CEO Doug McCracken zumindest teilweise für Klärung. Er sagte, man wolle es den großen Mitbewerbern nicht gleichtun, und die Selbstbestimmung opfern, um sich dem Willen der Börse unterzuordnen. Nun wird offenbar neben der Option Verkauf auch die Möglichkeit erwogen, eine interne „Feuermauer“ zwischen Prüfern und Beratern zu errichten. Eine endgültige Entscheidung soll Ende Mai oder Anfang Juni erfolgen. Den Lenkern und Partnern von Deloitte Touche in Deutschland bleibt also nichts anderes übrig, als abzuwarten. Aber auch sie behalten sich das Recht vor, dem Vorschlag aus den USA nicht zu folgen. Bislang haben sie lediglich gesellschaftsrechtliche und organisatorische Vorbereitungen getroffen: Seit Februar 2002 gibt es die Deloitte Consulting GmbH.

Die Stellungnahme des Deloitte-Consulting-CEOs McCracken zielte mehr oder weniger direkt auf die Aktivitäten des Konkurrenten PWC Consulting. Dort ist seit Anfang 2002 geklärt, dass man unter neuem Namen noch in diesem Jahr an die Börse gehen möchte. Seit Anfang Mai rührt das Unternehmen auch die Werbetrommel für diesen Entschluss. Die treibende Kraft hinter diesem Vorhaben ist der seit Jahresbeginn amtierende CEO Samuel DiPiazza, der einem möglichen Verkauf von PWC Consulting bald nach seinem Amtsantritt eine Absage erteilte und auf Einnahmen an der Börse spekuliert. Verglichen mit dem Angebot von Hewlett-Packard im Herbst 2000, PWC Consulting für 17 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen, werden die PWC-Berater allerdings deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Zwar gibt es noch keine offizielle Schätzung des Unternehmenswertes, doch scheint bereits klar, dass die Erlöse deutlich unter der

HP-Offerte liegen werden.

Accenture hat es hinter sich

Einzig Accenture schaut dem Treiben unbeteiligt zu. Das Haus, dass sich ehemals Andersen Consulting nannte und sich im Streit von Arthur Andersen getrennt hatte, hat Börsengang und Namensänderung (der allerdings von einem angerufenen Schiedsgericht verlangt wurde) hinter sich. Das Unternehmen wähnt sich in einer guten Position, weil die Consulting-Niederlassungen in den wichtigen Märkten die Trennung mittrugen und Accenture somit international gut aufgestellt ist. Allerdings können die Konkurrenten am Beispiel Accenture auch beobachten, aus welcher Richtung der Wind künftig wehen wird. Der Börsenkurs ist seit Wochen unter Druck, fiel von zwischenzeitlich knapp 30 Dollar auf aktuell rund 20 Dollar. Die derzeit schlechte wirtschaftliche Lage drückt auf die Stimmung der Mitarbeiter, Partner und Anleger.